Thomas Lippmann (Die Linke):
Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits vor 15 Jahren wurde im Bildungskonvent für das Land Sachsen-Anhalt intensiv und konstruktiv über Inklusion im Schulsystem beraten.
(Unruhe)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
An die Herren in der letzten Reihe der CDU-Fraktion: Herr Lippmann möchte seine Rede gern fortsetzen. - Herr Lippmann, Sie können fortsetzen.
Thomas Lippmann (Die Linke):
Das geschah zur gleichen Zeit, zu der die UN-Behindertenrechtskonvention beschlossen und von Deutschland ratifiziert wurde. Darauf wurde schon viel eingegangen.
Was zu tun ist, wurde in den Empfehlungen des Bildungskonvents damals deutlich formuliert. Ich zitiere auszugsweise aus dem Abschlussdokument. Dort heißt es:
„Um die individuellen Stärken und Potenziale aller Schülerinnen und Schüler besser zu entwickeln, empfiehlt der Bildungskonvent, den Unterricht im Regelschulsystem frühzeitig auf eine individuelle Förderung in integrativer Form auszurichten, um durch gezieltes Fördern und Fordern den Lernerfolg aller Schülerinnen und Schüler sowie die Selbststeuerung ihrer Lernbiografien zu verbessern.“
Weiter heißt es im Abschlussbericht des Bildungskonvents:
„Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Bildungskonvent, dass
• ausreichendes und qualifiziertes Personal für alle Förderbedarfslagen zur Verfügung gestellt wird,
• die bisherigen Klassen- und Lerngruppengrößen im Schulsystem dem Umfang der notwendigen individuellen Förderung angepasst werden, […}
• allen Lehrkräften im Regelschulsystem die Teilnahme an einem „Grundkurs Förderpädagogik“ ermöglicht wird. […]
Der gemeinsame Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf in den Regelschulen soll schrittweise zur bevorzugten Form der institutionalisierten Förderung entwickelt und ausgebaut werden. […]
Schülerinnen und Schüler sollen nur dann in Förderschulen überwiesen werden, wenn eine integrative Förderung im gemeinsamen Unterricht nicht realisiert werden kann.“
Diese Empfehlungen des Bildungskonvents wurden damals ohne Gegenstimmen und ohne Stimmenthaltungen von allen Mitgliedern des Bildungskonvents einstimmig beschlossen. Ich hoffe, dass sich die Ministerin noch an die Empfehlungen erinnert; denn sie war damals zusammen mit unserem heutigen Landtagspräsidenten ebenso wie ich selbst Mitglied im Bildungskonvent.
Nach dem Bildungskonvent gab es ab 2011 zunächst deutliche Fortschritte in den Regelschulen, die in der sechsten Wahlperiode in Gang gesetzt wurden. Inzwischen treten wir beim Thema Inklusion jedoch seit Jahren auf der Stelle und bewegen uns aktuell rückwärts. Es ist deshalb dringend geboten, dass wir uns endlich wieder ernsthaft den Rechten der betroffenen Kinder und Jugendlichen und unserer Verpflichtung ihnen gegenüber zuwenden.
(Zustimmung bei der Linken)
Leider finden sich dafür im vorliegenden Antrag kaum Überlegungen, die an den Problemen mit der Inklusion in unseren Schulen in absehbarer Zeit tatsächlich etwas ändern würden. Wenn wir uns also mit dem Antrag im Bildungsausschuss befassen wollen, dann sollten wir uns alle dafür die Empfehlungen des Bildungskonvents wieder ins Bewusstsein rufen. Wir brauchen sicher kein Gutachten und keine Machbarkeitsstudie. Wir müssen nur endlich unsere Verantwortung ernst nehmen und wir müssen es wollen.
(Beifall bei der Linken)
Seit mehr als 15 Jahren sind wir also verpflichtet, die Rechte von Menschen mit Behinderungen auf eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe um- und durchzusetzen. Tatsächlich aber lassen wir zu, dass der Personalmangel die Schwächsten wieder einmal am meisten trifft. Wir dürfen die Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf nicht länger am Mangel an Förderung scheitern lassen,
(Beifall bei der Linken)
und zwar egal, ob an den Förderschulen oder im gemeinsamen Unterricht an den Regelschulen.
Im Interesse der Schülerinnen und Schüler muss der Übergang zu einem inklusiven Schulsystem endlich erfolgreich gestaltet werden. Deshalb hoffen wir auf eine ehrliche und konstruktive Diskussion im Bildungsausschuss. Auf keinen Fall darf es so schlecht bleiben, wie es im Moment ist, und auf keinen Fall darf die derzeitige Rückabwicklung der Inklusion fortgesetzt werden.
(Beifall bei der Linken)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke, Herr Lippmann.