Sebastian Striegel (GRÜNE): 

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Silbersack, mit Freude auf das sachsen-anhaltische Abschneiden bei Olympia zu schauen, unsere Athlet*innen für ihren grandiosen Einsatz zu loben und zu ihrer individuellen Qualifikation für die Olympiade und zu jedem errungenen Erfolg zu beglückwünschen, ist das eine. Zu sehen, dass der Traum von Paris 2024 noch gar nicht zu Ende geträumt ist, weil aktuell vier Sportlerinnen und Sportler aus Sachsen-Anhalt in Frankreichs Hauptstadt sind, um unser Land ab Mitte der kommenden Woche bei den dann laufenden Paralympischen Spielen zu vertreten, ist das andere. 

Beides gehört zusammen, und ich hoffe, ich bin nicht der Einzige im Raum, der sich wünscht, dass die Paralympics noch stärker in den Blick kommen, dass Olympische Spiele in den kommenden Jahren noch inklusiver werden und dass sich Olympische und Paralympische Spiele weiter annähern, auf dass die Spiele in Gänze ihren menschenverbindenden Charakter noch stärker zeigen können. 

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Olympischen Spiele 2024 waren einmal mehr ein tosendes Fest des Spitzensports. Wer sie von zu Hause aus miterlebt hat oder, wie die Ministerin einmal, sogar die Chance hatte, nach Paris zu fahren, der konnte sich von der Hingabe, dem Ehrgeiz, der Leistung und den Emotionen mitreißen lassen. Olympia, das olympische Dorf, die Wettkampfstätten, Menschen, die aus aller Welt in eine Stadt kommen - dort entstehen Geschichten, die uns noch lange begleiten. Geschichten von den Sportler*innen, ihren eigenen Leistungen, den Emotionen; von Träumen, die in Erfüllung gingen, und von den Hürden, die überwunden wurden; von der jahrelangen Vorbereitung auf die Spiele und dem Strecken nach den eigenen Spitzenleistungen; Geschichten auch vom Versuchen und vom Scheitern; in jedem Fall einmalige Geschichten, die bei unseren Athlet*innen, wie Lukas Mertens und Lukas Märtens, Miriam Butkereit, Isabel Gose, aber auch Lukas Dauser oder Florian Wellbrock, noch lange nachklingen werden. 

Olympia hat auch vielen Besucherinnen und Besuchern ganz eigene Begegnungen, Freundschaften und Emotionen gebracht. Spiele in einer Stadt, in der, wie in Paris, so viele Menschen aus den unterschiedlichsten Regionen der Erde beheimatet sind, sind auch immer ein wunderbares Zeichen des Friedens und der Völkerverständigung, auch in den schwierigen, den kriegs- und leidgetränkten Zeiten, wie wir sie gerade erleben. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir haben in Sachsen-Anhalt die Spiele verfolgt, haben mitgefiebert und den Sportlerinnen und Sportlern aus Sachsen-Anhalt die Daumen gedrückt. Diese Athletinnen und Athleten haben nicht nur ihre persönliche Bestleistung gezeigt, sondern auch ein beeindruckendes Zeugnis für den Sport in Sachsen-Anhalt abgelegt. Ihre Erfolge sind das Ergebnis harter individueller Arbeit, von Disziplin und des Engagements zahlreicher Trainerinnen und Trainer sowie der Unterstützung durch ihre Familien und ihre Vereine. 

Diese Leistungen sind auch das Resultat einer guten strukturellen Einbindung in eine Infrastruktur, die den nötigen Rahmen bietet, um auf Weltklasseniveau zu trainieren. Die Trainingsgruppe um Bernd Berkhahn in Magdeburg, in der unter anderen auch die Medaillengewinnerinnen aus den Niederlanden und aus Australien mittrainieren, lieferte dort den Beweis für eine unglaubliche Qualität. Selbst im französischen Fernsehen war von den guten Ausgangsbedingungen in Magdeburg die Rede. 

Was mich bei Ihrem Antrag, meine Damen und Herren von der FDP, ein bisschen betrübt hat - Sie haben das in Ihrer Rede dann aber korrigiert  , ist die Nennung lediglich einzelner Akteure, bei der andere ausgespart werden, die bei Olympia Großes geleistet haben: große Leistungen wie die Silbermedaille durch Judoka Miriam Butkereit, die für den SV Halle kämpft, oder auch eine große Leistung wie die von Lukas Dauser, der sich trotz einer schweren Verletzung vor Olympia in ein olympisches Finale geturnt hat. Der Standort Schwimmen und die historischen Medaillenerfolge dort sind für uns eine Erfolgsgeschichte - einer der wenigen Standorte, die die Leistungssportreform als Olympiastützpunkt Schwimmen weitergeformt hat. 

Wir müssen aber auch über die Kritik am PotAS-System sprechen. Einen Bundesstützpunkt Rhythmische Sportgymnastik, der den europäischen Golderfolg der 17-jährigen Darja Varfolomeev für die wichtige Nachwuchsarbeit mitnehmen könnte, gibt es in Sachsen-Anhalt z. B. nicht mehr. Erfolge wie der von Miriam Butkereit oder der von Lukas Dauser - Sie haben es gesagt, Herr Silbersack - sind trotz und nicht wegen PotAS entstanden. Sie sind die Erfolge der Athlet*innen sowie der Arbeit engagierter Einzelvereine, wie des SV Halle, und der Sportförderung der Bundeswehr bzw. der Bundespolizei. 

Bei aller Freude über die sportlichen Erfolge dürfen wir nicht vergessen, dass diese Erfolge auch Herausforderungen mit sich bringen. Der Leistungssport in Sachsen-Anhalt steht vor einer Reihe von Problemen, die wir als Politik mit angehen müssen, um auch zukünftig Erfolge auf internationaler Ebene feiern zu können. 

Zum einen steht die sportliche Infrastruktur in unserem Land unter Druck. Es gibt noch immer einen dringenden Sanierungsbedarf an vielen Sportstätten, die für das Training unserer Athletinnen und Athleten unerlässlich sind. Der Olympiastützpunkt Sachsen-Anhalt spielt hierbei eine zentrale Rolle. Doch auch dieser muss kontinuierlich modernisiert und ausgebaut werden. 

Das Land hat sich mit der Arbeitsgruppe „Masterplan Infrastruktur Hochleistungssport“ auf den Weg gemacht, um die unterschiedlichen Projekte und Maßnahmen zügig und vor allem frühzeitig geeint umzusetzen. Dazu sage ich auch ganz klar: Das nationale Schwimmzentrum gehört nach Magdeburg; wir brauchen es hier; und ich glaube, wir haben beste Ausgangsbedingungen für dieses Infrastrukturvorhaben. Damit und mit vielen anderen Vorhaben bleiben wir auch in Zukunft konkurrenzfähig. 

Investitionen in die sportliche Infrastruktur sind Großvorhaben, die sich mit ihrer Entscheidung für einen Bau und der anschließenden Planung über mehrere Jahre in die Länge ziehen. Wer schon etwas länger im Sportausschuss arbeitet, der weiß, wie lange es dauert, bis festgestellte Missstände oder Sanierungsbedarfe aus der To-do-Liste gestrichen werden können. So konnte z. B. der Bau der Laufhalle in Halle (Saale) erst jüngst begonnen werden. Im Gespräch war das seit Jahren.

Zum anderen sehen wir uns mit dem Problem konfrontiert, dass es zunehmend schwieriger wird, Nachwuchs für den Spitzensport zu gewinnen. Hier müssen wir ansetzen und gezielt in die Talentförderung investieren. Ich glaube, wir sind dabei in Sachsen-Anhalt im Bundesvergleich auf einem gar nicht so schlechten Weg. Aber dabei geht noch mehr, und das weiterzubetreiben ist richtig. 

Dies bedeutet, dass wir nicht nur die finanziellen Mittel bereitstellen, sondern auch ein Umfeld schaffen müssen, in dem junge Talente wachsen und sich entwickeln können, von den Eliteschulen des Sports bis zu einer umfassenden Betreuung durch erfahrene Trainerinnen und Trainer, die dann, bitte, auch honoriert werden muss. Das muss ich auch ganz klar sagen. Wir brauchen Breite, um in die Spitze zu kommen oder dort zu bleiben.

Ich will noch einen Satz sagen: Ich bin nicht sicher, ob uns der Vergleich mit Medaillenspiegeln von 1992 bei dieser Frage immer weiterhilft. In der heutigen Zeit haben wir weniger junge Menschen in Sachsen-Anhalt und in ganz Deutschland, und ob das, was die DDR an Spitzenleistungen im Sport gebracht hat, so reproduzierbar ist, mit den Trainingsbedingungen und einer Dopingfreiheit, die wir uns, glaube ich, alle wünschen, weiß ich nicht. Ich glaube, der Medaillenspiegel von 1992 ist ein Maßstab, der einen manchmal auch fehlgeht.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Aber besser zu werden ist natürlich trotzdem angesagt.

Die Olympischen Spiele in Paris haben uns gezeigt, was möglich ist, wenn Leidenschaft, Talent und die richtige Förderung zusammenkommen. Sie haben aber auch offengelegt, wo wir als Land nachbessern müssen. Wir dürfen uns nicht auf den bisherigen Erfolgen ausruhen. Vielmehr bleibt es unsere Aufgabe, die Bedingungen so zu gestalten, dass auch künftige Generationen von Sportlerinnen und Sportlern aus Sachsen-Anhalt die Möglichkeit haben, auf internationaler Bühne zu glänzen. 

Paris hat gezeigt, wie erfolgreich eine solche Mammutveranstaltung nachhaltig in einer europäischen Großstadt organisiert werden kann, eine Aufgabe, die auch aufgrund der möglichen Verdrängungsmechanismen und gesellschaftlichen Kosten immer eine herausfordernde dialogische Vorbereitung benötigt. Bis 2040 hätten wir dafür Zeit; wir müssen sie dann aber auch nutzen. 

Die Angriffe auf die Strukturen der französischen Bahn haben zudem gezeigt, wie sehr auch Großveranstaltungen im Sport ein Sicherheitsthema sind und dass gerade die Infrastruktur sehr anfällig sein kann. Gott sei Dank blieben im Verlauf weitere Aktionen aus und die Spiele konnten ungestört stattfinden. 

Uns ist wichtig, dass wir in einer Zeit der Erderhitzung auch genügend Klimaanpassungsmaßnahmen im Sport entwickeln und umsetzen. Hier geht es einerseits um die Sanierung von Gebäuden und andererseits auch um die Entwicklung von Trainingsplänen und anderen Vorrichtungen, welche den Klimaschutz und die Gesundheit der Sporttreibenden in den Fokus rücken. Wir haben im Landtag keine Mehrheit für die rechtliche Ermöglichung und finanzielle Stärkung solcher Maßnahmen erhalten. Die Forderung danach erhalten wir jedoch aufrecht, gerade auch im Interesse der Athletinnen und Athleten und der Trainerinnen und Trainer. - Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 

Danke, Herr Striegel. - Sie sehen Herrn Heuer dort stehen. Herr Heuer, eine Intervention? - Bitte.


Guido Heuer (CDU): 

Danke, Herr Präsident. - Sehr geehrter Kollege Striegel, Sie sagten vorhin, es bringe aus Ihrer Sicht nichts, die Ergebnisse mit dem Medaillenspiegel von 1992 zu vergleichen. Dort oben sitzt eine Olympiasiegerin, damals noch Silke Renk, jetzt Silke Renk-Lange, Olympiasiegerin im Speerwerfen mit einer Weite von 68,34 m. 

(Zustimmung - Christian Hecht, AfD: Jawohl!)

Ihre Bestleistung liegt bei 71 m. Silke, ich glaube, so ist das. - Ja. Das war mit dem neuen Speer. Mit dem alten Speer hat Petra Felke eine Weite von glatt 80 m erzielt. 

Worauf will ich eigentlich hinaus? - Ich will auf das Sichtungssystem hinaus. Ich habe vorhin auf die EMOTIKON-Tests hingewiesen. Ganz ehrlich: Wir sind eine Leistungsgesellschaft. Mir geht es gegen den Strich, dass in der F-Jugend die Tore abgeschafft werden. 

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Die Leistung wird bei Meisterschaften und Olympischen Spielen an Medaillen gemessen, an nichts anderem, und das natürlich, wie Kollege Grube vorhin sagte, komplett sauber. 

Man kann den DDR-Sport nicht nur mit Doping erklären. Das ist einfach falsch. 

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP) 

Ja, das gab es. Aber, Silke Renk ist das beste Beispiel. Sie ist ein Kind des DDR-Sichtungssystems, Jahrgang 1967.

(Zurufe von der Linken, von der SPD und von den GRÜNEN)

- Das darf ich sagen. 

(Lachen bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Silke, ist das schlimm? - Nein, das ist nicht schlimm. Genau. 

(Zuruf)

Die Frage ist doch einfach - darauf habe ich bereits hingewiesen -: Wollen wir den dritten Platz im ewigen Medaillenspiegel halten oder nicht? Wenn wir das wollen, dann müssen wir den Beispielen von London, Tokio und Paris folgen - anders geht nicht. Das muss ohne Doping und zielgerichtet erfolgen. Die Basis dafür ist der Breitensport; darin gebe ich Ihnen recht. 

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)


Sebastian Striegel (GRÜNE): 

Herr Kollege Heuer, da es offensichtlich bei diesem Plenum üblich ist, die Tribüne zu grüßen, mache auch ich das. Das scheint inzwischen legal zu sein. Ich will es sehr deutlich sagen: Ich sehe keinen riesigen Dissens zwischen uns. Ich glaube aber, wir müssen es an dieser Stelle hinbekommen, dafür zu sorgen, dass, wenn Leistung gebracht werden soll, der Spaß und die Freude am Sport nicht zu kurz kommen. 

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von Guido Heuer, CDU)

Bei der Sichtung danach kommen wir zusammen. Dass der Pool junger Menschen, aus dem wir in Deutschland schöpfen können, kleiner geworden ist, 

(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP) 

dass der Pool in China und in anderen Ländern wesentlich größer geworden ist, ist doch eine mathematische Wahrheit, der auch Sie nicht aus dem Weg gehen können.

Mein Sohn ist gerade in dem Alter, in dem die Entscheidung ansteht, ob der Sport ein Stückweit professioneller für ihn wird. Ich möchte, dass er das mit Spaß angehen kann, dass er den Spaß beim Sportmachen nie verliert und dass er trotzdem Leistung bringt. Das ist mir wichtig. Aber Leistung ist ein Part dabei und nicht alles. Das olympische Motto lautet nicht nur „Schneller, höher, weiter“, sondern hat auch etwas mit Dabeisein zu tun. 

(Beifall bei den GRÜNEN)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 

Danke, Herr Striegel.