Andreas Silbersack (FDP):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 1. September ist Weltfriedenstag, an dem wir nicht nur der Opfer von Krieg und Gewalt gedenken, sondern auch die Errungenschaften feiern, die uns in den vergangenen Jahrzehnten Frieden und Stabilität gebracht haben.

In einer Zeit, in der Frieden an vielen Orten dieser Welt bedroht ist, wird uns erneut bewusst, wie kostbar und gleichzeitig fragil dieser Zustand ist. Der Frieden ist kein Selbstläufer, sondern das Ergebnis harter Arbeit, kluger Politik und einer unerschütterlichen Verpflichtung gegenüber unseren demokratischen Werten. Diese Werte zu schützen und zu verteidigen, ist die Aufgabe einer wehrhaften Demokratie; ein Prinzip, das für uns Liberale von zentraler Bedeutung ist.

In einer Welt, die zunehmend komplexer und gefährlicher wird, sind wir als Europäerinnen und Europäer und als Deutsche besonders gefordert, diese Werte nicht nur zu bewahren, sondern aktiv zu verteidigen. Unsere Demokratie ist stark, aber sie ist auch anfällig für Bedrohungen von innen und außen. Extremismus und Populismus stellen die freiheitliche Grundordnung immer wieder in Frage.

Eine wehrhafte Demokratie bedeutet, dass wir nicht passiv zusehen, sondern aktiv handeln, wenn unsere Werte und unsere Freiheit bedroht werden. Wir verteidigen die Freiheit des Einzelnen und den Rechtsstaat. Wir stehen für Toleranz und Offenheit, aber wir setzen auch klare Grenzen, wenn diese Werte angegriffen werden.

Als einer der wirtschaftlich stärksten und politisch einflussreichsten Länder Europas trägt Deutschland eine besondere Verantwortung für den Frieden auf unserem Kontinent. Die Verantwortung ist uns aus der Geschichte erwachsen; einer Geschichte, die geprägt ist von den dunkelsten Kapiteln der Menschheit, aber auch von der beispielhaften Fähigkeit zur Versöhnung und zum Neuanfang.

Europa hat nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges den Weg zu Frieden und Wohlstand gefunden. Die Europäische Union ist das beste Beispiel dafür, dass durch Zusammenarbeit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie ein dauerhafter Frieden erreicht werden kann.

Die Gründung der Vereinten Nationen 1945 als direkte Antwort auf die verheerenden globalen Konflikte zeigt uns, dass internationale Kooperation und die Verteidigung gemeinsamer Werte der Schlüssel zu einem friedlichen Miteinander sind. Die EU, die auf den Trümmern eines zerstörten Kontinents aufgebaut wurde, ist der Beweis dafür, dass Frieden und Freiheit Hand in Hand gehen. Es ist unsere Verantwortung, dieses Vermächtnis zu bewahren und weiter auszubauen.

(Zustimmung bei der FDP)

Es gibt viele Krisen auf dieser Welt. Eine davon findet in Israel und Palästina statt. Der Staat Israel wurde 1948 als direkte Folge der unvorstellbaren Verbrechen des Holocaust gegründet. Diese Gräueltaten, bei denen sechs Millionen Jüdinnen und Juden von den Nationalsozialisten ermordet wurden, stellten die Menschheit vor eine moralische und ethische Herausforderung von beispielloser Dimension. Aus der Asche des Holocaust erwuchs die Verpflichtung, dem jüdischen Volk eine sichere und dauerhafte Heimat zu bieten.

Für Deutschland bedeutet diese Geschichte eine tiefe und bleibende Verantwortung. Wir haben die Pflicht, die Erinnerung an diese Verbrechen lebendig zu halten und uns der Verantwortung zu stellen, die daraus erwächst. Unsere Aufgabe ist es, den Holocaust zu dokumentieren, zu bewahren und dafür zu sorgen, dass die Gräueltaten niemals vergessen oder relativiert werden. Gleichzeitig ist es daher unsere Verpflichtung, Israel als Staat zu unterstützen und sicherzustellen, dass seine Sicherheit und seine Existenz garantiert bleiben.

(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP)

Im Nahostkonflikt haben wir daher eine besondere Verantwortung. Das Recht Israels auf Selbstverteidigung steht dabei außer Frage. In einer Region, die von Unsicherheit und Gewalt geprägt ist, muss Israel das Recht haben, seine Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Gleichzeitig dürfen wir nicht die Augen vor dem Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung verschließen.

(Zustimmung von Dr. Heide Richter-Airijoki, SPD)

Mehr als 40 000 getötete Palästinenser sind eine Tragödie, die uns zeigt, dass Gewalt nie die Lösung sein kann. Hier ist die internationale Diplomatie gefordert, zu vermitteln und nach Lösungen zu suchen.

Für uns als FDP ist klar, wir unterstützen Israel in seinem Existenzrecht, fordern aber auch, dass humanitäre Prinzipien und das Völkerrecht gewahrt werden.

Der Russland-Ukraine-Krieg, der uns seit 2022 in Atem hält und dessen historische Wurzeln tief in die Vergangenheit reichen, ist der Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Dieser Konflikt ist nicht nur eine aktuelle geopolitische Krise, sondern hat auch eine lange Geschichte, die bis in die Zeiten des zaristischen Russlands und der Sowjetunion zurückreicht.

Die Ukraine ist mehr als nur ein geopolitischer Spielball. Sie ist eine Nation mit einer eigenen Identität und Geschichte. Sie war lange die Kornkammer Europas, insbesondere Polens, und hat im Laufe der Jahrhunderte unter der Herrschaft verschiedener Großmächte gelitten. Die Übertragung der Krim an die Ukraine im Jahre 1954 durch Nikita Chruschtschow, selbst ein Ukrainer, anlässlich des 300. Jubiläums der russisch-ukrainischen Einheit, sollte den damaligen Konflikt befrieden, hat aber letztlich zu neuen Spannungen geführt.

Betrachten wir die Geschichte der Ukraine, dann trägt gerade Deutschland historisch eine besondere Verantwortung, die tief in der Geschichte des Zweiten Weltkriegs und den Verbrechen der Nationalsozialisten in der Ukraine verwurzelt ist, insbesondere - und das steht als Symbol  , auch mit dem Massaker von Babyn Jar.

In diesem Tal in Kiew ermordeten deutsche Einsatztruppen am 29. und 30. September 1941 innerhalb von 48 Stunden mehr als 33 000 jüdische Männer, Frauen und Kinder. Das war das größte einzelne Massaker an Juden im Zweiten Weltkrieg und verdeutlicht die zentrale Rolle, die deutsche Kräfte bei der systematischen Vernichtung jüdischer Gemeinden in der Ukraine spielten.

Auch andere Gruppen, darunter Roma, sowjetische Kriegsgefangene und ukrainische Nationalisten fielen den NS-Verbrechen in Babyn Jar zum Opfer.

Russland versucht heutzutage, die Ukraine als einen Nazi-Staat darzustellen. Das ist nicht nur eine Geschichtsfälschung, sondern eine zynische Instrumentalisierung der Vergangenheit.

(Zustimmung bei der FDP, von Dr. Katja Pähle, SPD und bei den GRÜNEN)

Wir erleben heute in Europa einen Krieg, der nicht nur mit Panzern und Raketen geführt wird, sondern auch mit einer perfiden Propaganda, die auf Desinformation und historischen Verzerrungen beruht. Welchen Hintergrund hat das?

In der ukrainischen Geschichte gibt es tatsächlich dunkle Kapitel, die von extremen Nationalismus und Gewalt geprägt sind. Einer der umstrittensten Akteure dieser Zeit ist Stepan Bandera, der übrigens 1959 in München vom KGB erschossen wurde. Während des Zweiten Weltkrieges arbeitete er mit der deutschen Wehrmacht zusammen und seine Anhänger waren am Pogrom gegen die jüdische Bevölkerung beteiligt.

Diese Verstrickungen werden von der russischen Propaganda ausgeschlachtet, um den heutigen ukrainischen Staat zu diskreditieren und als faschistisch zu brandmarken. Doch diese Darstellung ist nicht nur einseitig, sondern auch irreführend. Stepan Bandera war eine komplexe Figur, die von einigen als Freiheitskämpfer gegen die sowjetische Unterdrückung verehrt, von anderen jedoch als Kollaborateur und Extremist verurteilt wurde.

Es ist jedoch entscheidend, sich vor Augen zu führen, dass die heutige Ukraine eine völlig andere Nation ist, als die, die Bandera einst beeinflusste. Der heutige Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, stammt aus einer jüdischen Familie und hat Angehörige im Holocaust verloren. Wie kann ein Land, das von einem jüdischstämmigen Präsidenten geführt wird, ernsthaft als Nazi-Staat bezeichnet werden?

(Zuruf von Matthias Büttner, Staßfurt, AfD)

Diese Behauptung Putins ist nicht nur geschichtsvergessen, sondern auch eine gefährliche Verzerrung, die den tatsächlichen Charakter des russischen Angriffskriegs verzerren soll. Russland bedient sich der historischen Figur Banderas, um eine ganze Nation zu diffamieren und den Angriffskrieg zu rechtfertigen. Die Ukraine kämpft nicht für einen faschistischen Staat, sondern für ihre Freiheit und Souveränität 

(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP, bei der Linken und bei den GRÜNEN)

gegen einen Aggressor, der die Geschichte verdreht, um seine eigenen imperialistischen Ziele zu erreichen. Es geht daher darum, die Wahrheit zu verteidigen und sich entschieden gegen die Verfälschung der Geschichte zu stellen. Denn letztlich stehen die Prinzipien auf dem Spiel, auf denen unser Europa beruht, auf dem Spiel: Freiheit, Demokratie und Selbstbestimmung.

Als Freie Demokraten unterstützen wir das Recht der Ukraine auf Selbstbestimmung und das Streben nach Freiheit und verurteilen den Überfall Russlands aufs Schärfste.

(Beifall bei der FDP)

Zu den vergessenen Konflikten. Während einige Konflikte die Weltöffentlichkeit dominieren, gibt es andere, die fast vollständig in Vergessenheit geraten sind. Der Bürgerkrieg im Sudan und die humanitäre Katastrophe im Jemen sind tragische Beispiele dafür. Hunderttausende Menschen leiden, Millionen sind auf der Flucht. Doch diese Krisen finden kaum Beachtung.

Es ist inakzeptabel, dass das Leid dieser Menschen so wenig Resonanz in der internationalen Gemeinschaft findet. Hieran zeigt sich ein fundamentales Problem. Die Welt muss auf alle Konflikte mit der gleichen Entschlossenheit reagieren, unabhängig davon, wie viel mediale Aufmerksamkeit sie erhalten.

(Zustimmung von Dr. Heide Richter-Airijoki, SPD)

Wir Freie Demokraten fordern daher eine stärkere Rolle der internationalen Gemeinschaft, insbesondere der UN bei der Bewältigung solcher Krisen.

(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP, von Dr. Katja Pähle, SPD, von Dr. Heide Richter-Airijoki, SPD, und von Olaf Meister, GRÜNE)

Frieden ist kein Selbstläufer, sondern das Ergebnis kontinuierlicher und kollektiver Bemühungen der Weltgemeinschaft. Die globale Verantwortung, die nach dem Zweiten Weltkrieg auf die UNO übertragen wurde, ist heute ebenso relevant wie damals. Es ist unsere Pflicht, diese Institutionen zu unterstützen, zu reformieren und zu stärken, um sicherzustellen, dass sie auch in Zukunft in der Lage ist, ihre Mission und den Weltfrieden zu sichern.

Die Welt von heute steht vor neuen Herausforderungen. Die UNO muss in der Lage sein, diesen Herausforderungen gerecht zu werden. Dies erfordert nicht nur diplomatisches Geschick, sondern auch eine Bereitschaft zur Verantwortung aufseiten aller Mitgliedstaaten. Frieden ist nicht einfach die Abwesenheit von Krieg, sondern das Ergebnis aktiver Bemühungen um Gerechtigkeit, Freiheit und Wohlstand für alle Menschen.

Die Geschichte lehrt uns, dass Frieden nur durch Stärke und Entschlossenheit bewahrt werden kann. Eine wehrhafte Demokratie ist kein Widerspruch zum Frieden, sondern seine Grundlage. Lassen Sie uns daher gemeinsam daran arbeiten, dass die Welt ein sicherer und gerechter Ort für uns und die zukünftigen Generationen wird. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Silbersack.