Holger Hövelmann (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als wir im letzten Jahr in diesem Hohen Haus über die Einrichtung einer Enquete-Kommission debattiert haben, habe ich einen Wunsch geäußert, den Wunsch, dass wir mit dieser Kommission eine Befriedung der Debatte um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk erreichen können. Ich finde, in weiten Teilen ist uns das in der Enquete-Kommission gelungen.
Die Diskussionen in der Kommission verliefen in großen Teilen sachlich. Der Zwischenbericht zeigt, dass wir die Fragen nach der Reformfähigkeit und nach den notwendigen Reformen nicht nur an der Oberfläche halten. So spielen Fragen des Verfassungsrechts ebenso eine Rolle wie das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in ihren Rundfunk.
Zu Reformvorschlägen von innen und außen wird genauso debattiert wie zur Vielfalt der Perspektiven in der Berichterstattung. All das verlief ruhig und ohne Schaum vor dem Mund. Vielleicht hat sich der eine oder andere mehr Krawall gewünscht, aber die praktizierte Arbeitsweise erhöht die Chancen für eine ernsthafte Reform.
Eine der wichtigsten Erkenntnisse, zu der wir bis jetzt in der Enquete-Kommission gelangt sind, ist: Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in ihren öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist nach wie vor hoch. Es bestehen Differenzen zwischen Ost und West, dennoch schätzt eine große Mehrheit die Angebote der Rundfunkanstalten.
Aber es gibt auch eine deutlich wahrnehmbare Kritik an aufgeblähten Strukturen, an den Kosten und in Teilen auch an der Ausrichtung des Programms. Die Anstalten müssen dementsprechend Reformwillen zeigen, soll das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger weiterhin hoch bleiben.
(Zustimmung bei der CDU)
So war es auch sehr wertvoll, dass wir Berichte aus dem Innenleben der Anstalten erhielten. Die Redakteursausschüsse und der Redakteursrat des Mitteldeutschen Rundfunks haben uns gezeigt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Anstalten diese Debatten sehr intensiv verfolgen. Sie machen sich selbst Gedanken dazu, wie ein moderner öffentlich-rechtlicher Rundfunk aussehen kann.
Ein wichtiges Fazit aus der Enquete-Kommission will ich für meine Fraktion schon jetzt ziehen: Wir müssen bei allen Reformdebatten auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Anstalten einbinden.
(Zustimmung bei der SPD und von Markus Kurze, CDU)
Dieses System zu ändern, kann nicht nur von außen, durch den Landtag, oder durch den Intendanten erfolgen. Wenn wir guten Journalismus für unser Land wollen - meine Partei will das , dann sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Anstalten und ihre Bedarfe einer der Schlüssel dafür.
Ein weiterer Aspekt wurde in der Kommission klar hervorgehoben: Bei aller Kritik am Rundfunkbeitrag - er ist das beste Mittel, um einen unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk sicherzustellen. Vorschläge wie eine Finanzierung über Steuern bergen die Gefahr, dass Journalismus unter den Vorbehalt von Haushaltsberatungen oder politischer Einflussnahme fällt.
Es kann daher nicht darum gehen, den Rundfunkbeitrag auf eine Wunschhöhe zu drücken. Wir brauchen stattdessen effiziente wirtschaftliche Strukturen. Eine gemeinsame Plattform bei den Mediatheken zählt genauso dazu wie eine Neuorientierung bei der Organisation der ARD.
Die Akzeptanz
(Guido Kosmehl, FDP: Ist hoch!)
für den Rundfunkbeitrag bei den Bürgerinnen und Bürgern wird unserer Überzeugung nach dann steigen; denn sie sehen, dass ihre Gelder tatsächlich einem qualitativ hochwertigen Angebot dienen. Ich will daher zum Schluss wieder einen Wunsch äußern.
(Andreas Silbersack, FDP, lacht - Guido Kosmehl, FDP: Ist denn heut schon Weihnachten?)
Im kommenden Jahr wird die Höhe des Rundfunkbeitrages neu verhandelt. Lassen Sie uns bei diesen Diskussionen die bisherige Sachlichkeit aus der Enquete-Kommission beibehalten, und lassen Sie uns dann nicht überlegen, was alles nicht geht. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk braucht konstruktive Vorschläge. Wenn wir so weiterarbeiten, kann uns das gelingen. - Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Hövelmann, es gibt eine Nachfrage von Herrn Gallert, wenn Sie diese zulassen. - Sie bleiben stehen, also setze ich Ihr Einverständnis voraus und Herr Gallert kann seine Frage stellen.
Wulf Gallert (Die Linke):
Er konnte nicht schnell genug fliehen, dann machen wir das so. - Herr Hövelmann, ich kenne das seit Jahrzehnten: die Diskussion darüber, dass politische Unabhängigkeit über Rundfunkgebühren zu erzielen sei.
Nun haben wir gerade bei uns in Sachsen-Anhalt allerdings auch gemerkt, dass diese politische Unabhängigkeit in diesem Verfahren überhaupt nicht funktioniert, sondern dass ausdrücklich auch mit politischer Ausrichtung - „gefällt uns nicht“ usw. usf. - Gebührenerhöhungen in diesem Landtag blockiert worden sind. Insofern sage ich einmal: Diese Argumentation ist eigentlich erschüttert.
Die Frage ist jetzt: Was unterscheidet dieses Verfahren, das wir bisher haben, eigentlich von einem steuerfinanzierten öffentlichen Rundfunk? Denn die politische Einflussnahme - wir alle waren live dabei - hat es in diesem Verfahren genauso gegeben, wie es sie bei Steuern hätte geben können.
Holger Hövelmann (SPD):
Na ja, Kollege Gallert, es ist schon ein Unterschied, ob 16 Parlamente an einem Staatsvertrag beteiligt sind oder ob ein Deutscher Bundestag einen Haushalt beschließt, in dem dann ggf. Steuermittel für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk enthalten sind. Das sind durchaus andere Dimensionen der politischen Debatte.
Aber Sie haben bei der aktuellen Einschätzung der kritischen Bestandsaufnahme natürlich Recht. Wir haben in diesem Parlament oft genug kritisiert, dass wir ein Verfahren haben, das dazu führt, dass wir in den Parlamenten im Grunde nur noch das nachvollziehen können, was andere vorverhandelt, aufgeschrieben und paraphiert haben, und dass die tatsächliche Debatte über die Frage, was in die Staatsverträge hineinkommt, uns als Parlament eigentlich entzogen ist.
Deshalb finde ich die Arbeit unserer Enquete-Kommission so wertvoll; denn sie macht eben genau das: sich über inhaltliche Staatsvertragsbedingungen austauschen und Expertinnen und Experten hören, um sich eine Meinung bilden zu können. Ob das am Ende dazu führt, dass wir mehr Gewicht, mehr Einfluss auf entsprechende Staatsvertragsverhandlungen erhalten, das weiß ich nicht, aber wir sollten es versuchen. Ich finde den Weg, den wir bisher gegangen sind, ganz vernünftig, und es sieht auch ganz gut aus.
(Zustimmung bei der SPD, von Guido Kosmehl, FDP, und von Andreas Silbersack, FDP)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Vielen Dank, Herr Hövelmann.