Jörg Bernstein (FDP): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Gestatten Sie mir, liebe Kolleginnen und Kollegen, auf einige Punkte meiner Vorredner einzugehen. Ich denke, Unklarheiten, die sich vielleicht aus meiner Einbringung oder aus unserem Antrag ergeben haben, wurden inzwischen schon geklärt.

Trotzdem ein kleiner Verweis auf die Einbringungsrede. Ich habe gesagt, dass eine qualitativ hochwertige Bildung ohne Frage die Schlüsselkomponente ist, um selbstbestimmt leben und die Herausforderungen einer sich stetig wandelnden Arbeits- und Lebenswelt meistern zu können. Ich darf an dieser Stelle ganz explizit den Fokus auf meine Fraktion und die Freien Demokraten lenken: Dieses selbstbestimmte Leben in Freiheit ist quasi die DNA unserer Partei. Das ist sehr wichtig und darauf kommt es uns an.

(Beifall bei der FDP)

Zu einigen Punkten meiner Vorredner. Um die Verknüpfung zwischen dem Startchancen-Programm und der Talentinitiative ganz deutlich herauszuarbeiten: Selbstverständlich waren es zwei Prozesse, die sich quasi überlagert haben. Wenn man so will - Kollegin Pähle hat es auch schon angedeutet  , setzt das Startchancen-Programm - sagen wir einmal - den äußeren Rahmen, auch wenn man von der Hierarchie aus betrachtet an die Finanzierung usw. herangeht. Gegebenenfalls könnten natürlich auch zusätzliche Bedarfe geweckt werden. Aber grundsätzlich geht es uns mit der Talentinitiative auch darum, unseren Schulen, die aus diesem Programm eine Förderung erhalten sollen, quasi einen gewissen Methodenkoffer zur Verfügung zu stellen. Denn es ist doch einfach Fakt: Gerade die Schulen, die mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen haben - seien es die soziale Lage, die Positionierung im Schulraum, im Stadtraum, die Frage der Lehrkräfteausstattung  , sind es, in denen die Kollegen - ich formuliere es ganz salopp - schon auf dem Zahnfleisch krauchen. Wenn ich denen jetzt einfach mit ein paar Floskeln komme und sage, „ihr habt zusätzliches Geld, macht jetzt mal“, dann wird das eine zusätzliche Belastung werden. 

Genau das wollen wir vermeiden. Wir wollen ihnen quasi einen Methodenkoffer zur Verfügung stellen, aus dem sie schöpfen können und mit dem entsprechende Ideen möglichst schon vorgefertigt werden könnten. Davon könnten - das ist auch eine Frage der Strahlkraft - andere Schulen, die nicht von dem Programm profitieren, zumindest inhaltlich profitieren. 

Zu dem Kollegen Tillschneider. Was Ihre Nennung von Fleiß und solchen Aspekten betrifft, sind wir, denke ich, gar nicht so weit auseinander. Natürlich ist es die Pflicht jedes Einzelnen, aus den ihm gegebenen Möglichkeiten das Beste zu machen. Das steht auch für mich persönlich außer Frage.

(Zustimmung von Angela Gorr, CDU)

Herkunft darf für Armut keine lebenslange Entschuldigung sein. Aber wir als Gesellschaft haben verdammt noch mal die Pflicht, erst einmal Chancen zu bieten. Was jeder Einzelne daraus macht, das ist seine eigene Sache, das ist auch persönliche Freiheit.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der SPD)

Auf dem Nichtwahrnehmen von Chancen darf man sich am Ende natürlich nicht ausruhen und sagen: Ich bin so arm, ich habe sowieso keine Chance in diesem Leben. Wir wollen Chancen eröffnen, wir wollen Talente fördern, und Talente gibt es auf vielen Gebieten - sei es im naturwissenschaftlichen Bereich, wenn man eher der Wissenschaftstyp ist, oder im handwerklichen Bereich, wenn man der Handwerkstyp ist. 

Ich habe eine Empfehlung und lege Ihnen einen „MDR“-Beitrag ans Herz. Ich kann Ihnen nachher einen Link hierzu geben. Im Rahmen des Beitrags wurde eine Schule in Stendal begleitet. Die dortige Schulleiterin Jessika H. und ihr gesamtes Team sind sehr engagiert. Sie gehen diese Wege. In dem Beitrag wurde, wie ich beim Überfliegen gesehen habe, berichtet, dass die Schülerinnen Fachwerkshäuser gebaut haben. Das Praktische wurde dort in den Vordergrund gestellt. Das ist doch genau der Punkt, den wir mit solchen Dingen fördern.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Herr Bernstein, wollen Sie eine Frage von Herrn Tillschneider zulassen? 


Jörg Bernstein (FDP): 

Das machen wir im Anschluss.

(Guido Kosmehl, FDP: Herr Präsident! - Zuruf von Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Gut.


Jörg Bernstein (FDP): 

Vielen Dank noch an die Kollegin Pähle für die Konkretisierung zu der Frage der Kollegin Gorr bezüglich der Benennung von Talentschulen. Natürlich wollen mit diesem Label keine Stigmatisierung vornehmen. Das ist uns absolut bewusst. Aber der Hintergrund ist     Ich denke z. B. an die Rütli-Schule in Berlin: Brennpunktschule. 

Das ist doch genau der Punkt, wo man diese Stigmatisierung macht. Aber das war eine Schule, an der man durch zusätzlichen Mitteleinsatz, durch mehr Personal und durch kreative Methoden diese Probleme gelöst hat. Deshalb klingt das Ganze nicht besser, aber das ist einfach dieser Punkt. „Talent“ heißt, dass in jedem von uns Talente stecken und diese wollen wir fördern. 

(Zuruf von Angela Gorr, CDU)

Das geht nicht in die Richtung Eliteschule. Das habe ich auch in unserem Wahlkampf immer gesagt. 

Kollege Lippmann, Sie sind bekannt als „Mister 100 %“. Sie wollen alles perfekt haben. Es muss von Anfang an alles perfekt sein. Aber das Leben ist nicht so. Wir können nicht immer alles perfekt haben. Wir wollen zugegebenermaßen mit Schritten starten. Ich bin davon überzeugt, dass uns das gelingen wird. Die Schulen - ich habe es schon angesprochen - werden davon profitieren, auch ihr Umfeld. 

Kollege Borchert, ein kleiner Hinweis noch: Die Talentschulinitiative, die in NRW unter der CDU-geführten Regierung mit den GRÜNEN gestartet wurde, wird mit großer Begeisterung von dem CDU-geführten Bildungsministerium in NRW fortgeführt - das als kleiner Hinweis. 


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Kommen Sie bitte zum Schluss.


Jörg Bernstein (FDP):

Frau Sziborra-Seidlitz, über das Thema Inklusion kann man sicherlich viel diskutieren. Ich habe das, was die Kollegin Schulleiterin einer Förderschule in Stendal im Bildungsausschuss in der Auswertung des Expertenberichts gesagt hat, mit Interesse wahrgenommen. 


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Herr Bernstein, kommen Sie bitte zum Schluss.


Jörg Bernstein (FDP):

Eine Sache noch: Man könnte genauso gut eine andere Förderschulleitung - es war nur eine - fragen. Die Meinungen dazu gehen auseinander, gerade in Ihrer Heimatregion Quedlinburg mit der David-Sachs-Förderschule, diese hat darauf vielleicht eine ganz andere, differenziertere Sicht. 

(Ulrich Thomas, CDU: Jawohl! Ganz wichtig!)

Wie gesagt, noch einmal die Bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen herzlichen Dank. 


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Herr Tillschneider, bitte.


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):

Ich habe eine Frage, und zwar: Ist es nicht so, dass auch heute schon jeder, der es schaffen will, es schaffen kann, weil er ganz viele Chancen vorfindet, 

(Zuruf von den GRÜNEN: Nein!)

dass wir also eigentlich nicht ein Chancenangebotsproblem, sondern ein Motivationsproblem haben? Das lösen wir nicht dadurch, indem wir noch mehr vermeintliche Chancen schaffen oder irgendwelche Chancen erleichtern. Wir müssten eher motivationsseitig arbeiten, oder? 


Jörg Bernstein (FDP):

Das eine geht, denke ich, mit dem anderen zusammen. Ich könnte ein konkretes Beispiel anführen, dafür fehlt mir aber die Zeit. Darüber können wir uns vielleicht einmal unterhalten. Aber wie gesagt, das eine schließt das andere nicht aus. Motivation ist auch wichtig.