Wir steigen in die Tagesordnung ein und ich rufe auf den 


Tagesordnungspunkt 2

Aktuelle Debatte

Bevölkerung schützen - Folgen des Klimawandels solidarisch tragen

Antrag Fraktion SPD - Drs. 8/4261


Die Redezeit beträgt zehn Minuten je Fraktion. - Frau Kleemann, Sie haben das Wort.


Juliane Kleemann (SPD): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich war an diesem Samstag, wie immer von Frühjahr bis Herbst, Rasenmähen angesagt. Nun steht er mit einem Straßenbesen in der Hand in seinem Hausflur und schiebt braunen Schlamm zur Haustür hinaus. Seine Frau versucht, aus den Schränken, so gut wie eben möglich, Dokumente und Erinnerungsstücke, auch die alten, geerbten Fotoalben ihrer Familie, zu retten. 

In der Nähe von Neu-Ulm wird nach mehr als zwei Tagen, nach sage und schreibe 52 Stunden, eine Frau aus einem Baum gerettet. Dort hatte sie ausgehalten, als unter ihr die Wassermassen entlangrasten. 

Nachrichten und Bilder dieser Art häufen sich. Es ist nicht mehr zu übersehen, kann nicht mehr ignoriert werden, dass unser Klima keine normalen Veränderungen durchmacht, sondern eher dramatische. Zitat:

„Die vom Menschen verursachten (anthropogenen) Treibhausgasemissionen sind eindeutig die Ursache für die bisherige und die weitere Erwärmung des Klimasystems. Zahlreiche Klimafolgen - einschließlich der Extremereignisse - sind schnell eingetreten und lassen sich direkt dem anthropogenen Treibhauseffekt zuordnen.“ 

(Zuruf von der AfD)

„Sie sind intensiver und häufiger geworden und werden dies auch in den kommenden Jahrzehnten weiterhin tun. Viele Veränderungen sind schneller eingetreten, als es in den letzten […] Jahren vorgekommen ist, insbesondere der globale Temperaturanstieg.“

(Oliver Kirchner, AfD: Sauren Regen nicht vergessen!)

So gesagt und festgehalten von einem Vertreter des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung bei dem von unserer Fraktion initiierten Fachgespräch im Umwelt- und Klimaschutzausschuss im Mai letzten Jahres. Wir als SPD-Fraktion hatten eine Selbstbefassung mit dem Titel „Wissenschaftliche Erkenntnisse über Ursachen und Folgen des Klimawandels“ beantragt, nachdem wir hier im Plenum immer wieder einmal hören mussten und es bis heute hören, dass es keinen Zusammenhang zwischen dem derzeitigen Klimawandel und menschlichem Verhalten gäbe.

(Oliver Kirchner, AfD: Doch!)

Allerdings: 99,9 % der auf dem Gebiet der Klimaforschung publizierenden Wissenschaftler sind davon überzeugt, dass Menschen Klimawandel verursachen. Und alle Präsentationen aus dem Fachgespräch in der Sitzung des Umwelt- und Klimaschutzausschusses im letzten Jahr zeigen: Handeln ist dringlicher denn je. 

(Zustimmung bei der SPD)

Wo sich Wissenschaftler einig sind, schärft das Bundesverfassungsgericht seinerseits nach. Ich erinnere an dieser Stelle an den Beschluss des BVG aus dem Frühjahr von vor drei Jahren, in dem klar gesagt wird, wohin die Reise gehen muss und warum: Effektiver Klimaschutz ist eine Pflicht, vor allem den kommenden Generationen gegenüber, vor allem im Hinblick auf die Freiheit der kommenden Generationen. Das BVG hält fest, dass es heute - unter vergleichsweise milder Reduktionslast große Teile des CO2-Budgets zu verbrauchen - ein Vergehen an den nachfolgenden Generationen ist, diesen eine radikale Reduktionslast zu überlassen und deren Leben umfassenden Freiheitseinbußen auszusetzen. Das kann schlicht und ergreifend nicht der Weg sein.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ehrlich gesagt, ich wundere mich immer wieder, dass dieser essenzielle Aspekt der Freiheit in vielen Debatten zum Thema Klimaschutz überhaupt nicht zum Tragen kommt bzw. von einem Teil der Debattierenden gern ignoriert wird. Die steigenden Durchschnittstemperaturen und deren Folgen sind auf Grafiken schon länger dargestellt, und das, was dargestellt ist, wird zunehmend zu unserer eigenen Erfahrung.

(Zuruf von Tobias Rausch, AfD)

Die Liste der Probleme lässt sich fortführen. Wir haben es vor der eigenen Haustür: Die letzten Hochwasser mit immensen Schäden sind hier noch nicht so lange her. Kurzum: Der menschengemachte Klimawandel ist da, er zeigt sich, ist spürbar. In dem Basisfaktenpapier des Deutschen Klima-Konsortiums heißt das in fünf Kerninfos mit nur 20 Worten zusammengefasst: 

(Zuruf von der AfD)

Erstens: Er ist real. Zweitens: Wir sind die Ursache. Drittens: Er ist gefährlich. Viertens: Die Fachleute sind sich einig. Fünftens: Wir können etwas tun. 

(Zustimmung - Oliver Kirchner, AfD: Sechstens: Es ist das Wetter!)

Die Bundesregierung hat bereits richtige Schritte unternommen, insbesondere mit dem Klimaschutzgesetz. Das Ziel der Klimaneutralität für Deutschland bis 2045 ist per Gesetz geregelt. Gut so! 

Auch wir hier im Land arbeiten weiter an einer Hochwasserschutzstrategie. Wir wissen, dass drei Viertel aller Landesdeiche auf dem Stand der Technik sind und dass zum Glück nur 8 % nicht standsicher sind. Wir weisen weitere Polderflächen aus. Wir sind dabei wirklich auf guten Wegen und mit schon guten Ergebnissen unterwegs. Sicherlich würde auch uns im Land ein Klimaschutzgesetz helfen; es würde für mehr Verbindlichkeit und Motivation sorgen.

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE, und von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Dass wir auf dem ZuKK verschiedentlich über diese Idee diskutiert haben, zeigt das auch. Andere Bundesländer machen es vor.

(Kathrin Tarricone, FDP: Aber das ist nicht Ergebnis gewesen!) 

Aber: All das ist ein Teil des Themas unserer Aktuellen Debatte. Wie wir es jedoch hinbekommen, dass wir die Bewältigung und die Schadensregulierung so gestalten, dass sie nicht immer vom Glück abhängt, nämlich von dem Glück, dass man eine entsprechende Versicherung hat, von dem Glück, dass die eigene Versicherung für alle durch das Hochwasser eingetretenen Schäden zahlt, und dass es nicht vom Geldbeutel abhängt, ob man überhaupt in der Lage ist, in einem Risikogebiet eine Versicherungspolice abzuschließen, das ist ein relevantes Thema, und das muss uns in diesem Land spätestens nach den letzten Hochwassern intensiv beschäftigen. 

Dazu, wie wir uns das vorstellen, wird jetzt mein Kollege Rüdiger Erben sprechen. - Vielen Dank. 

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)