Tagesordnungspunkt 12

Aussprache zur Großen Anfrage

Wohnen in Sachsen-Anhalt. Entwicklung seit 2013 und Perspektiven.

Große Anfrage Fraktion Die Linke - Drs. 8/3383

Antwort Landesregierung - Drs. 8/3924

Unterrichtung Landtag - Drs. 8/3969

Entschließungsantrag Fraktion Die Linke - Drs. 8/4024

Unterrichtung Landtag - Drs. 8/4058


Es wurde die Debattenstruktur „D“ verabredet, also eine Debatte von 45 Minuten. Weil diese Struktur ein bisschen ungewöhnlich ist, lassen Sie mich dazu kurz die Redezeiten nennen: CDU 13 Minuten, AfD acht Minuten, SPD drei Minuten, GRÜNE zwei Minuten, FDP zwei Minuten und Die Linke vier Minuten. 

Zunächst hat gemäß § 43 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Landtags die Antragstellerin das Wort. Laut § 62 Abs. 1 Satz 1 hat Frau Hohmann zur Einbringung eine Redezeit von höchstens 15 Minuten.

(Beifall bei der Linken) 

Frau Hohmann, bitte schön.


Monika Hohmann (Die Linke): 

Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Unsere Große Anfrage zum Wohnen in Sachsen-Anhalt trifft gerade den Nerv der Zeit. Das Wohnen im Land wird immer teurer, ganz besonders aufgrund der massiv gestiegenen Heizkosten. Die Medien sind voll von Berichten darüber, dass insbesondere ältere Menschen oft mit hohen Nachzahlungen zu kämpfen haben. Im Extremfall sollen, wie bei einer Frau aus Gommern, für das Jahr 2022 etwa 8 000 € nachgezahlt werden. Hinzu kommen für viele Mieter die erhöhten Stromkosten bei Contracting-Verträgen. Mieterinnen und Mieter werden hierdurch zusätzlich extrem belastet. 

Die Schuldnerberatungen der Verbraucherzentralen im Land berichten seit Längerem von aufgrund der hohen Mietkosten verzweifelten Menschen. Umso erstaunter waren wir über die Antworten auf unsere Große Anfrage. 

Unsere Große Anfrage zum Wohnen wurde, wenn auch mit Fristverlängerung, beantwortet. An dieser Stelle vielen Dank dafür. Ich hatte, ehrlich gesagt, gehofft, dass wir mit der Fristverlängerung zielgenauere Ergebnisse vorgelegt bekommen. Aber viele Fragen wurden nicht beantwortet. Oftmals wurde mitgeteilt, der Landesregierung lägen keine statistischen Angaben vor. Das betraf Fragen nach dem Sanierungs- und Modernisierungsstand, nach dem Bestand oder der Zahl verkaufter, ehemals kommunaler Wohnungen. Ich habe in der Antwort auf die Große Anfrage sogar lesen müssen, dass das Ministerium von massiv gestiegenen Nebenkosten noch gar nichts gehört habe.

Zur Position der Landesregierung zum Aufstellen eines Landesaktionsplans gegen drohende Wohnungslosigkeit als präventive Maßnahme gab es eine Nullaussage in einem Satz. Ich würde das - wenn ich mir das als ehemalige Lehrerin einmal anmaßen darf - mit der Note Drei oder Vier bewerten wollen. Schade.

(Beifall im ganzen Hause) 

Nun kann man sagen, die Statistik liege nun einmal nicht vor. Ich muss ganz ehrlich sagen: Wenn es keine Statistik dazu gibt, dann müssen wir eine beschaffen. Denn wie wollen wir sonst die Situation einschätzen?

Laut Ihrer Antwort ist Sachsen-Anhalt eine Insel der Glückseligen beim bezahlbaren Wohnen. Sie haben zwar kaum statistische Daten dazu, aber Sie wissen, dass es keine Probleme gibt. Total bezahlbar für alle, Wohnungslosigkeit gibt es nicht, nur Leerstand und Minimieten. Ist das wirklich Ihr Ernst?

Das Thema ist einfach zu wichtig für die Menschen im Land. Daher reicht es nicht, die ewige Leier vom Leerstand und bezahlbaren Wohnen zu bringen. Der Leerstand in Magdeburg liegt bei 5 %. Das ist so gut wie nichts und notwendig für Fluktuation. Das bezahlbare Wohnen trifft in Sachsen-Anhalt längst nicht mehr für alle Menschen in allen Gegenden zu. Ob Wohnen bezahlbar ist, hängt eben nicht nur von einer Durchschnittsmiete in peripheren Lagen ab, sondern von dem Einkommen, das zur Verfügung steht. Dieses ist in Sachsen-Anhalt im bundesweiten Vergleich nach wie vor am geringsten. Das ist ein interessanter Punkt. 

Was also nützen Alleinerziehenden, Auszubildenden, älteren Menschen oder Geringverdienern der Leerstand und vergleichsweise günstige Kaltmieten in Mansfeld-Südharz, wenn nicht wenige von ihnen für die bereits beschriebenen hohen Nebenkosten einen Anteil von 40 % ihres geringen Einkommens aufbringen müssen? Darüber hinaus haben wir nach wie vor eine Inflation und eine hohe Teuerung zu verzeichnen, insbesondere bei Lebensmitteln. 

Dass Sachsen-Anhalt im bundesdeutschen Vergleich moderate Mieten hat, verdanken wir der Existenz der kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen. 

(Beifall bei der Linken) 

Sie halten und bewirtschaften immerhin noch knapp die Hälfte der Mietwohnungen im Landes in ihrem Bestand. Das sieht in den alten Bundesländern ganz anders aus. Wenn sich die weniger wohlsituierten Menschen - nicht wir oder Sie oder die Frau Ministerin - bei einem privaten Vermieter eine bezahlbare Wohnung suchen müssen, dann wird es auch in Sachsen-Anhalt interessant. Die privaten Vermieter vermieten kaum noch Wohnungen für eine Kaltmiete von 5,60 €/m², erst recht nicht bei Neubau oder Neuvermietung. 

(Daniel Rausch, AfD: Das geht auch gar nicht!) 

Da die Wohnungsministerin laut Antwort auf unsere Große Anfrage weit und breit keine Probleme sehen kann, helfe ich ihr gern mit einem ganz konkreten Beispiel. Bei uns in der Fraktion haben sich Menschen gemeldet, die vor weiteren massiven Kostensteigerungen einfach Angst haben. 

Dazu gehört z. B. eine Rentnerin aus Magdeburg; sie gehört mit ihren 72 Jahren zu den jüngsten Bewohnern ihrer Wohnanlage, die meisten sind weit über 80 Jahre alt. Sie ist auf einen Rollator angewiesen und bewohnt ein barrierearmes Apartment in einer Anlage mit 160 Einheiten, von denen 60 belegt sind. Die leerstehenden Einheiten werden nach und nach saniert. Sie berichtete davon, dass die sanierten Apartments mit einer Größe von 61 m², mit Blick auf die Alte Elbe, zwei Zimmern und einer Einbauküche, jetzt für eine Kaltmiete in Höhe von 1 300 € vermietet werden sollen. Das entspricht etwa der durchschnittlichen Rente in Sachsen-Anhalt. 

Die älteren Leute konnten bei dem privaten Vermieter durchsetzen, dass die Wohnungen, in denen viele seit 2003 leben und die ihre letzte Wohnung sein soll, nicht saniert werden, solange sie noch darin leben. Angst haben sie dennoch. Ein Umzug wird vom Mieterbund inzwischen kaum mehr empfohlen, da die Intel-Ansiedlung die Mieten in Magdeburg eher weiter erhöhen wird. Hierbei zeigt sich ein neues Problem: Ältere Menschen, die ihre teilweise großen Wohnungen zugunsten von Familien wechseln würden, müssten bei einer Neuanmietung weitaus höhere Mieten befürchten. 

Zurück zu unserer Großen Anfrage und zu dem Entschließungsantrag. Wir begrüßen, dass auch die Landesregierung die Priorität bei der Modernisierung, Förderung und dem Erhalt von bezahlbarem Wohnraum im Bestand sieht. Es ist jedoch schade, dass ihr keine Statistik zum Modernisierungsstand im Land vorliegt. In Sachsen-Anhalt fand jahrzehntelang keine aktive soziale Wohnraumförderung statt. Die seit Anfang der 1990er-Jahre geltenden Belegungsbindungen sind inzwischen nahezu komplett ausgelaufen. Neue Sozialwohnungen wurden nicht geschaffen. 

Jahrelang hat das Land die ehemaligen Entflechtungsmittel für den sozialen Wohnungsbau als nicht zweckgebunden in andere Haushaltsprojekte gesteckt. Der Bund akzeptiert dies seit 2022 nicht mehr und bindet die Mittel konkret an die Belegung und die Mietpreisbindung. Und zack - das Land konnte damit nichts anfangen und gab Fördermittel für den sozialen Wohnungsbau in Millionenhöhe zurück. Im Jahr 2022 waren es 44,7 Millionen € von den 53,9 Millionen € ausgereichten Bundesmitteln. Im Jahr 2023 wurden weitere 53,9 Millionen € von 67,4 Millionen € ausgereichten Mitteln zurückgegeben. 

Das Land hat in nur zwei Jahren insgesamt knapp 100 Millionen € nicht verbaut. Wenn man die 30-prozentige Kofinanzierung hinzurechnet, sind es fast 130 Millionen €, die hier nicht verbaut wurden. Das, meine Damen und Herren, ist niemandem zu vermitteln.

Dies traf auch auf die Mietwohnungsbauförderrichtlinie zu. Als diese mit zwei Jahren Verzögerung endlich erstellt wurde, konnte sie nur in zwei Fällen in Anspruch genommen werden. Warum, fragt sich die Landesregierung noch heute, wenn wir danach fragen.

Allerdings ist es im Moment nicht möglich, bei der Investitionsbank Anträge zu stellen; denn die Richtlinie wird überarbeitet. Das ist gut. Es fragt sich nur, wo das Geld geblieben ist; denn es wurde darüber berichtet, dass der Topf leer ist. 

Sehr geehrte Damen und Herren! Hochinteressant fanden wir die Antwort, dass die Wohnungsunternehmen hochwertigen Wohnraum im ländlichen Raum anbieten sollen, damit es statt eines Wegzugs einen Zuzug gibt. Das war die Frage 3 auf Seite 4. Das wäre vor vielen Jahren eine schöne Idee gewesen und hätte vor allem bedingt, im ländlichen Raum auch die anderen Daseinsvorsorgebereiche zu erhalten. Die Haltefaktoren, wie z. B. Ärzteversorgung, Nahversorgung, Kitas und Schule, ließ man in diesen Regionen nach und nach wegbrechen. 

Etwas irritiert hat uns die Antwort, dass eine Belegungsbindung die Attraktivität der Wohnraumförderprogramme mindere. Dazu frage ich nur: Für wen, bitte? Für die Investoren, die vielleicht keine Rendite bekommen? Ich denke, für die gering verdienenden potenziellen Mieter wäre so etwas vorteilhaft. 

Dass ein Wohnberechtigungsschein stigmatisiere, ist wohl eher die Sichtweise des Ministeriums als eine Anbindung an die reale Situation armer Menschen. Diese Bedingung braucht es übrigens auch in der Richtlinie zum Jungen Wohnen, die jetzt, ebenfalls verspätet, nach unserem wirklich permanenten Nachfragen veröffentlicht wurde. Auch sie ist für die Deckung der Bedarfe sehr gering ausgestattet. Es wird sich zeigen, ob sie in Anspruch genommen werden kann oder auch liegen bleibt, wie die Richtlinie zum Mietwohnungsbau.

Dann kommen wir zu des Pudels Kern: Eigentümer und Investoren modernisieren nur nach kaufmännischen und wirtschaftlichen Überlegungen.

(Daniel Rausch, AfD: Das ist logisch! Das ist Marktwirtschaft!)

Bingo! So ist es. Deshalb darf es keinen Mietmarkt geben, sondern es muss ein gemeinnütziges, am Bedarf und an den Möglichkeiten der Mieter ausgerichtetes soziales Angebot der Daseinsvorsorge Wohnen geben.

(Zustimmung bei der Linken - Zurufe von der AfD)

Ganz traurig wird es auf Seite 16 zum Thema „Unterbringungsquote im Studentenwohnheim“. Diese ist im deutschlandweiten Vergleich unterdurchschnittlich und es gibt eine Unterversorgung an Wohnheimplätzen. In Halle haben nur 10 %, in Magdeburg sogar nur 7 % der Studenten einen Wohnheimplatz ergattern können. Und noch schlimmer: Aus Anlage 9 geht hervor, dass seit 2013 nicht ein einziger Wohnheimplatz neu gebaut wurde, aber an allen sieben Standorten wurde die Zahl der Wohnheimplätze massiv reduziert: von ca. 5 300 auf 4 700 Plätze. Das ist ein Minus von 12 %. Da muss man sich Sachsen-Anhalt wirklich moderndenken. 

Das Bundesprogramm für Junges Wohnen braucht einen deutlich höheren Landesmittelanteil, damit auch die jetzt richtigerweise neu aufgenommenen Auszubildenden von Wohnheimplätzen profitieren können. Die vorhandenen Wohnheime müssen dringend für etwa 17 Millionen € saniert werden. Das ist die Höhe der Bundesförderung. An einen Neubau ist dabei gar nicht zu denken. Es steht zu befürchten, dass die Bundesmittel erneut ungenutzt zurückgehen. 

Wie bereits oben gesagt: Das Ministerium findet die Belegungs- und Mietpreisbindung für Investoren hinderlich und versteht deshalb nicht die Zurückhaltung der privaten Vermieter bei Investitionen. Wenn so viel Geld da ist und die Privaten nicht investieren wollen, ohne ihre Rendite zu bekommen, dann muss, wie in Niedersachsen oder auch in Bayern, eine Landeswohnungsbaugesellschaft das Geld in die Hand nehmen und landeseigen alles „versilbern“. 

Sehr geehrte Damen und Herren! Das Wohngeld Plus ist eine wichtige Subjektförderung und hat sich im Jahr 2023 gegenüber dem Jahr 2019 verdoppelt. Die Ausgaben haben sich dabei fast vervierfacht: von 29 Millionen € auf 124,5 Millionen € im Jahr 2023. Das belegt, wie viele Geringverdiener wir im Land haben und dass die Mietkosten hier im Verhältnis zu hoch sind. Zudem läuft die Auszahlung aufgrund der personellen Not in den Kommunen noch immer schleppend und ist für die Mieterinnen verunsichernd. Bearbeitungszeiten von bis zu neun Monaten sind nicht zumutbar.

(Zustimmung bei der Linken)

Wir fragen uns, warum die Landesregierung dann immer noch die Einschätzung des Wohnungsmarktberichtes von 2019 teilt, dass die Einkommen stärker gestiegen sind als die Mietkosten. Aber ich vermute, das wird die Ministerin sicherlich gleich erläutern. 

Aus unseren Ausführungen ergeben sich für uns folgende Forderungen, die wir in dem Entschließungsantrag aufgelistet haben: Der private Wohnungsmarkt garantiert keinen bezahlbaren Wohnraum - das wäre logischerweise gegen seine Natur. In attraktiven Lagen und Vierteln haben Menschen mit geringem Einkommen keine Chance auf eine Wohnung. Der MDR und die „MZ“ berichteten jüngst groß von der steigenden Armutssegregation in den Oberzentren. Eine soziale Wohnraumförderung in nennenswertem Umfang findet in Sachsen-Anhalt nicht statt. Belegungsbindungen wurden nicht verlängert und die Wohnungen wurden in den Markt zur privaten Verwertung gegeben. Das, meine Damen und Herren, lehnen wir als Linke ab. 

(Beifall bei der Linken)

Das Thema „Barrierefreiheit und Wohnen für Menschen mit großem Hilfebedarf“ hat die Landesregierung - ich sage es einmal so - null auf dem Schirm. Deshalb versprechen wir als Linke uns von einer eigenen Landeswohnungsbaugesellschaft nach dem Vorbild des Landes Niedersachsen endlich einen Schritt nach vorn für bezahlbares Wohnen und endlich den Einsatz der Bundesmittel. Die Zielstellung der Landeswohnungsbaugesellschaft haben wir, wie ich gerade beschrieben habe, in unserem Entschließungsantrag benannt. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. 

(Zustimmung bei der Linken)