Kathrin Tarricone (FDP):
Herzlichen Dank. - Meine Frage geht an den Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt. Ich beziehe mich auf die Umweltministerkonferenz, aus der zu hören war, dass der Praxisleitfaden zum Schnellabschuss von Wölfen überarbeitet wird. Vorausgegangen ist ein gerichtlicher Stopp einer Regelung in Niedersachsen. Steffi Lemke hat im Oktober 2023 den Weg dafür freigemacht, den Schnellabschuss von Wölfen zu regeln. So ganz rechtssicher scheint das nicht zu sein, wie wir sehen. Also, meine Fragen an den Minister: Was muss geändert werden und wann können wir in Sachsen-Anhalt mit einer rechtssicheren Lösung rechnen?
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Herr Willingmann, bitte.
Prof. Dr. Armin Willingmann (Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt):
Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich antworte Ihnen gern auf Ihre Frage, Frau Tarricone. In der Tat hat sich die Umweltministerkonferenz in Bad Dürkheim in der letzten Woche wieder mit dem Wolf und mit den Schnellabschüssen beschäftigt.
Machen wir uns zunächst den Rechtsrahmen noch einmal klar: § 45a des Bundesjagdgesetzes erlaubt die Entnahme auffälliger Wölfe, die sogenannten Problemwölfe - eine entsprechende Regelung, die bundesweit gilt, von der wir auch in Sachsen-Anhalt Gebrauch machen. Wir haben übrigens von dieser Regelung im laufenden Jahr schon zweimal im Landkreis Anhalt-Bitterfeld bei habituierten Wölfen, die entnommen worden sind, Gebrauch gemacht. Diese Regelung ist unzureichend. Sie erlaubt nicht, auf auffällige Situationen in bestimmten Regionen zu reagieren; deshalb die Schnellabschussregelung - so lautet die Kurzform, die Frau Lemke in der Umweltministerkonferenz im Herbst des letzten Jahres vorgestellt hat und zu der sie insbesondere von den A-Ländern in der Umweltministerkonferenz gedrängt wurde. Denn wir drängen auf eine Neuregelung und sagen an dieser Stelle: Wir müssen im geltenden Rechtsrahmen, den wir haben - das ist nun einmal die FFH-Richtlinie; das ist die Berner Konvention , versuchen, flexible Lösungen im Lande zu erreichen. Das geschieht durch eine Auslegung des § 45a, die das Bundesumweltministerium vorgeschlagen hat, mit der der Schnellabschuss geregelt werden sollte.
Diese Umsetzung der Schnellabschussregelung haben sich die fünf wolfreichen Bundesländer zu eigen gemacht und haben eine Arbeitsgruppe gebildet, an der wir prominent mitgewirkt haben - Sie wissen, dass die wolfreichen Länder im Wesentlichen Mecklenburg, Brandenburg - wir gehören auch dazu - und Niedersachsen sind ; denn wir wollten möglichst schnell eine Regelung haben. Wofür braucht man diese? Man braucht sie dafür, dass in Zukunft - nach dieser Schnellabschussregelung soll es so sein - ein identifizierter Wolf, ein durch DNA-Nachweis klar identifizierter Täter oder Wiederholungstäter nicht mehr abgeschossen wird, sondern ein in einem Umkreis von 1 000 m um ein Rissvorkommen in einem Gebiet erhöhten Rissvorkommens aufgefundener Wolf innerhalb von drei Wochen entnommen werden kann. Die Regelung ist praktikabel. Deshalb haben wir diese in der Umweltministerkonferenz im Herbst des letzten Jahres unterstützt.
Niedersachsen ist dann vorgeprescht, hat eine erste Abschussgenehmigung auf dieser Basis erlassen und ist damit vor Gericht gescheitert. Sie haben das gerade ganz richtig erläutert. Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht, also schon die Berufungsinstanz, hat erklärt, dass die Regelung zu unscharf sei. Zunächst hat man sich über formale Dinge beschwert. Es wurden zu wenig Träger öffentlicher Belange beteiligt. Das kennen wir aus dem Verwaltungsrecht. So etwas ist immer wohlfeil. Aber interessanter sind die inhaltlichen Ausführungen; denn das niedersächsische Oberverwaltungsgericht sagt: So ganz einfach geht das nicht. Ihr müsst schon sehr genau definieren, was ein erhöhtes Rissvorkommen ist und was ernsthafte landwirtschaftliche Schäden sind; denn davon ist auch im Bundesnaturschutzgesetz die Rede.
Wir waren dahin gehend sehr liberal. Auch wir in Sachsen-Anhalt waren auf dem Weg, zu sagen: Uns reicht das einzelne Rissvorkommen in einem Gebiet erhöhter Risszahlen. Wir sehen aber jetzt, dass das weiter ausdifferenziert werden muss. Deshalb hat man sich in der Umweltministerkonferenz in der letzten Woche in Rheinland-Pfalz darauf verständigt, dass dieser Leitfaden umgehend verändert und überarbeitet wird; denn er schafft Klarheit, einheitliche Klarheit in diesen Ländern, die von der Schnellabschussregelung Gebrauch machen wollen - eigentlich müssten das alle sein; denn alle haben die Hand gehoben , um dort den Schützen - das ist jetzt wichtig - und den Verwaltungsbeamten Rechtssicherheit zu geben. Denn es wird Sie nicht wundern, dass ein Jurist im Ministeramt, auch im Amt des Umweltministers, vor allen Dingen darauf Wert legt, wenn eine solche Genehmigung erteilt wird, dass diese auf einer sicheren Rechtsgrundlage erteilt wird, damit sich nämlich weder der erteilende Beamte/die Beamtin, noch der Schütze/die Schützin später vor Gericht wegen eines dann doch begangenen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz wiederfindet. Deshalb müssen wir daran arbeiten. - Das ist der Praxisleitfaden.
Wir sind noch einen Schritt weiter gegangen. Wir haben auch gesagt: Wenn das mit diesem Praxisleitfaden nicht reicht, also die Interpretation des Gesetzes durch eine Vereinbarung - so muss man das ja nennen , dann brauchen wir eine gesetzliche Klarstellung. Dann muss das Bundesnaturschutzgesetz an dieser Stelle geändert werden. Dann muss an dieser Stelle die Möglichkeit zum Schnellabschuss, also ein § 45x, hinein, und den muss dann der Bund veranlassen; denn das können wir auf Länderebene nicht tun. - So weit der Umgang mit dem Wolf, mit Lupus lupus, nach der Umweltministerkonferenz.
Ich will Ihnen an dieser Stelle sagen: Es besteht ein hohes Interesse daran, jedenfalls von den meisten Umweltministern, in allen wolfreichen Ländern, dass wir zu einer flexiblen Lösung unterhalb der häufig geforderten Bestandsregulierung kommen, für die wir im Moment keine rechtliche Grundlage sehen. Sie ist nicht da. Solange das nicht der Fall ist, brauchen wir eine schnellere Entnahmemöglichkeit bei Auffälligkeit und bei Übergriffen als bisher. Diese soll mit dem Schnellabschuss im laufenden Jahr erreicht werden. Aber wie gesagt, dafür ist die Änderung des Praxisleitfadens erforderlich. Ich hoffe, ich konnte das damit aufklären.
(Zuruf von der CDU: Nein!)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke. - Frau Tarricone nickt freundlich und ist zufrieden, d. h. es gibt keine Nachfrage.