Kerstin Eisenreich (Die Linke):

Vielen Dank, Herr Präsident.- Meine sehr geehrten Damen und Herren! Und wieder erschüttern uns die Nachrichten und Bilder von Sturzfluten, die alles mitreißen, von vollgelaufenen Häusern, von Schlamm, von Menschen, die ihr gesamtes Hab und Gut verloren haben und die vor dem finanziellen Ruin stehen. Menschenleben sind zu beklagen. Ganze Städte und Dörfer versinken im Wasser. Unermüdlich sind Katastrophenschützer und zahllose Helferinnen und Helfer im Einsatz. Ihnen gilt an dieser Stelle unser Dank. 

(Beifall bei der Linken - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Dieses Mal sind es nun Bayern und Baden-Württemberg. Erst kürzlich traf es das Saarland. Das Winterhochwasser an der Helme ist auch noch kein halbes Jahr her. Die Sturzfluten im Ahrtal vor drei Jahren scheinen allen noch im Gedächtnis zu sein. Ereignisse, die als Jahrhunderthochwasser definiert werden, ereilen auch uns in Sachsen-Anhalt immer häufiger. Die Hochwasserkatastrophen in den Jahren 2002 und 2013 wurden schon genannt. Darüber hinaus gab es viele weitere lokale Hochwasserkatastrophen mit ganz ähnlichen Auswirkungen. Diese vergessen wir ganz gern, wenn wir nicht unmittelbar davon betroffen sind. 

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Folgen des Klimawandels sind gravierend und für alle spürbar. Die zunehmenden Hochwasserereignisse sind ein Ausdruck dieser Veränderung. Das ist nicht nur in Deutschland so. Derzeit stöhnen auch Österreich und Südtirol unter Wassermassen. In Brasiliens Süden sind 1,4 Millionen Menschen von der wohl schlimmsten Flutkatastrophe seit Jahrzehnten betroffen. Gleichzeitig erleben wir das andere Extrem: Frühe Hitze in Teilen des Mittelmeerraums; Hitzewellen in den USA - so früh wie noch nie im Jahr - mit z. B. fast 44 °C in Las Vegas, oder auch in Indien, wo inzwischen auch wieder zahlreiche Hitzetote zu beklagen sind. 

Ja, die Folgen des Klimawandels schlagen weltweit und auch bei uns in Deutschland immer häufiger zu. 

Menschen verlieren ihr Leben. Ihr Zuhause und Infrastruktur werden zerstört. Die dadurch verursachten Schäden gehen regelmäßig in die Milliarden und der Ruf nach Unterstützung durch den Staat erfolgt, weil Menschen eben nicht finanziell gegen diese Gefahren abgesichert sind.

Bundesweit - die Zahlen wurden hier schon genannt - verfügt nur etwas mehr als die Hälfte der privaten Gebäudeeigentümer über eine Elementarschadenversicherung. Immer wenn uns die aktuellen Ereignisse einholen, wird darüber diskutiert, eine solche Elementarschadenversicherung verpflichtend einzuführen. Doch trotz der Einschätzung von Justizministerinnen und -ministern, trotz der Bewertung der Bundesregierung aus dem Jahr 2022, dass es gegen eine solche Pflichtversicherung keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken gibt, trotz einer Initiative des Bundesrates aus dem Jahr 2023, eine Elementarschadenpflichtversicherung bundesweit einzuführen, und trotz der Forderung der Ministerpräsidentenkonferenz vom März dieses Jahres zögert die Bundesregierung immer noch. Das bleibt völlig unverständlich.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Nicht die ganze Bundesregierung!)

- Sie arbeiten aber im Team. Ich gehe ja weiter, warten Sie es ab. - Das bleibt völlig unverständlich - oder doch nicht. Denn wieder einmal ist es die FDP im Bund, die dieses Vorhaben in Einklang mit und als Sprachrohr der Versicherungswirtschaft maßgeblich blockiert.

(Zustimmung bei der Linken)

Ich kann allen die sehr erhellenden Erläuterungen der Satiresendungen der vergangenen Woche empfehlen. Es ist eine Versicherungswirtschaft, die im Übrigen derzeit teilweise gar keine Elementarschadenversicherung anbietet oder Menschen in Risikogebieten so horrende Beiträge abverlangt, dass diese einfach nicht bezahlbar sind.

Außerdem macht genau diese Versicherungswirtschaft derzeit Folgendes: Es werden trotz Versicherungsverträgen Entschädigungen verweigert,

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Ja!)

weil das Wasser aus der falschen Richtung kam, oder aber - so ist es z. B. im Ahrtal geschehen - die Entschädigung wird nur gezahlt, wenn das Haus an der gleichen Stelle errichtet wird, an der es stand, auch wenn es sich erwiesenermaßen um ein Hochwasserrisikogebiet handelt, statt zu ermöglichen, dass eben diese Flächen frei bleiben und die Häuser woanders gebaut werden. Das ist doch völlig absurd, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Zustimmung bei der Linken und bei den GRÜNEN)

So sehr wir auch auf eine solche Pflichtversicherung drängen, ist bei der Ausgestaltung dringend darauf zu achten, dass solche Versicherungen im Schadensfall auch wirklich eintreten. Denn wir wissen doch klar, dass privatwirtschaftliche Versicherungen immer ihren Aktionären und nicht den Menschen verpflichtet sind.

(Zustimmung bei der Linken - Zuruf von Andreas Silbersack, FDP)

Statt der bisherigen Praxis von staatlichen Ad-hoc-Hilfen muss die Bundesregierung endlich den Weg für eine langfristige finanzielle Risikoprävention mit einer flächendeckenden Elementarschadenversicherung für Großschadensereignisse gesetzlich ebnen.

(Guido Kosmehl, FDP: Das war bei der staatlichen Versicherung in der DDR anders, ne?)

Dazu hat im Übrigen auch Die Linke im Bundestag einen Antrag gestellt. Die finanzielle Belastung kann durch die Versicherungspflicht für alle maßvoll sein. Das zeigen - das wurde auch schon genannt - unter anderem Baden-Württemberg, aber eben auch Frankreich. Denn man muss immer wieder betrachten, dass im Schadensfall die finanzielle Belastung um ein Vielfaches höher und eben existenzbedrohend ist.

Ja, Hochwasserschäden sind eine Folge der massiven Klimaveränderungen und die Versicherung greift erst, wenn der Schaden eingetreten ist. Das entscheidende Mittel heißt doch aber, vor dem Schaden klug zu sein. Wir müssen alles daransetzen, den Klimawandel zu bremsen, indem die Treibhausgasemissionen in allen Bereichen drastisch reduziert werden.

(Zustimmung bei der Linken und bei den GRÜNEN)

Wir müssen unsere gesamte Gesellschaft, unser Land an die Folgen des Klimawandels anpassen. Das erfordert Anstrengungen auf allen Ebenen. Dafür wäre auch eine Änderung des Kommunalverfassungsgesetzes, wie von uns vorgeschlagen, ein wichtiger Schritt gewesen, indem man nämlich Klimaschutz zur Pflichtausgabe macht. Denn das hätte es den Kommunen viel leichter gemacht, Finanzmittel für den Klimaschutz einzusetzen. Wir müssen unsere Städte und Gemeinden verändern und dürfen dabei Fehler aus der Vergangenheit nicht wiederholen. Bauen auf Hochwasserrisikoflächen muss tabu sein.

(Zustimmung bei der Linken, bei den GRÜNEN und von Kathrin Tarricone, FDP)

Flächen müssen entsiegelt und dürfen gar nicht erst versiegelt werden. Die unsäglichen Schottergärten müssen beseitigt werden. Viel mehr Flächen müssen in die Lage versetzt werden, nicht nur Wasser zu halten, sondern eben auch bestimmte Wassermengen aufzunehmen. Es müssen also Grünflächen, Gründächer usw. geschaffen werden. Dahinter steht das Prinzip der Schwammstadt.

Unsere Bäche und Flüsse brauchen mehr Raum. Das Thema kennen wir; wir bearbeiten es. Innerorts wurden sie nicht nur begradigt, sondern immer weiter zugebaut und zum großen Teil in Wände gezwängt. Dadurch schwellen sie bei Starkregen natürlich extrem an und reißen im schlimmsten Fall alles in ihrer Nähe mit. Dann helfen auch keine Spundwände mehr. Wo es möglich ist, muss das rückgängig gemacht werden. Wo es nicht möglich ist, müssen vor den Ortschaften entsprechende Rückhalteflächen geschaffen werden, um die Gefahren zu reduzieren.

(Zustimmung bei der Linken)

Der technische Hochwasserschutz mit Deichen und Poldern ist ein weiterer Baustein. Das ist aber, wie es uns die Vergangenheit gelehrt hat, nicht alles.

Ein weiteres wichtiges Thema im Zusammenhang mit Wasser sind die Bodenerosionen. Auch Schlammlawinen müssen wir vorbeugen. Dafür muss sicherlich auch in der Landwirtschaft umgedacht werden. Ausreichend vielfältige Feldraine sind nicht nur wertvolle Biotope, sondern schützen eben auch die Felder selbst vor Erosion, Gewässer vor Bodeneintrag oder eben Ansiedlungen und Infrastruktur vor Schlammlawinen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, handeln Sie also endlich konsequent beim Klimaschutz, und zwar auch im Bund. Das gilt auch für Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der SPD. Denn auch Bundeskanzler Scholz macht hierbei wahrlich keine gute Figur. Es reicht eben nicht, dass er sich, genau wie manch anderer auch, in Gummistiefeln die Lage vor Ort anschaut.

(Zustimmung bei der Linken)

Er muss handeln und er muss sich ehrlich machen. Denn nach wie vor behauptet er, dass in Sachen Klimaschutz alles getan würde.

(Guido Kosmehl, FDP: Bodo Ramelow war doch auch beim Hochwasser an der Elbe!)

Dabei bescheinigte doch der Expertenrat der Bundesregierung für Klimafragen erst vor wenigen Tagen das Scheitern der Bundesregierung bei der Einhaltung der Klimaschutzziele bis 2030. Wenn sich der Bundeskanzler endlich ehrlich zur Klimakatastrophe und der Bedrohung der Menschheit äußern würde, könnte er auch den Hungerstreik der Klimaaktivisten in Berlin beenden, die unter dem Motto „Hungern bis ihr ehrlich seid“ seit März dieses Jahres genau das einfordern. - Danke.

(Zustimmung bei der Linken)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Frau Eisenreich, es gibt eine Intervention von Herrn Siegmund. - Sie möchten nicht darauf antworten. - Herr Siegmund, Ihre Intervention können Sie aber trotzdem loswerden.


Ulrich Siegmund (AfD):

Ja, selbstverständlich. Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Kollegin Eisenreich, ich wollte mich einfach nur noch einmal vergewissern, weil es schon ein paar Jahre zurückliegt. Sie haben hier in diesem Haus öffentlichkeitswirksam gefordert, den Individualverkehr zu verbieten.

(Guido Henke, Die Linke: Stimmt nicht!)

Die Linke möchte Autos verbieten. Das wurde auch auf Nachfrage von Frau Lüddemann noch einmal bestätigt. Ich wollte einfach noch einmal wissen, ob Die Linke nach wie vor an diesem Ziel festhält. Leider hören Sie mir nicht einmal zu. Ich denke, das sagt alles. Es ist aber schade, dass Sie es nicht bestätigen können. Ich gehe also davon aus, dass Die Linke weiterhin die Autos verbieten möchte. - Danke schön.

(Zustimmung bei der AfD - Guido Henke, Die Linke: Nein!)