Detlef Gürth (CDU):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin schon ein bisschen erstaunt, Kollege Striegel, wie Sie Ihren Antrag eingeleitet haben. Sie - ausgerechnet Sie - stellen sich hier hin und sagen, alle anderen Parteien müssten jetzt einmal anfangen, dazuzulernen, wie Energie geht.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Lachen bei der CDU)

Das ist der Treppenwitz dieser Woche gewesen. Wenn jemand in der politischen Landschaft bei dem Thema Energie etwas dazulernen muss, dann sind es BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Ulrich Thomas, CDU: Jawohl!)

Ihre Energiepolitik ist chaotisch, unkoordiniert und völlig entkoppelt von allen naturwissenschaftlichen Anforderungen.

(Zustimmung bei der CDU und von Frank Otto Lizureck, AfD)

Das ist das Problem, das wir jetzt haben. Wenn wir so weitermachen, dann werden wir irgendwann Ihren Wirtschaftsminister Habeck hören: Die Netze sind nicht zusammengebrochen, sie verteilen nur keinen Strom mehr.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Lachen bei der CDU)

Ich sehe das schon vor mir.

Kommen wir zu dem Antrag. Ja, es stimmt, dass es beim Umbau der Energieversorgung auch enorme bürokratische Hürden gibt. Wer hat sie eingeführt?

(Ulrich Thomas, CDU: Richtig!)

Ich würde in einer ruhigen Stunde einmal nachschauen, wer welche Verordnungen, Gesetze und Hürden aufgebaut hat.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Sie werden welche von der CDU finden! Keine Sorge, Sie haben lange genug regiert!)

Bis Strom aus einer Windkraftanlage ins Netz eingespeist werden kann, vergehen ca. sechs bis achteinhalb Jahre. Das ist der Durchschnitt und nicht der schlimmste Fall. Bei der Freiflächen-PV sind es zweieinhalb bis viereinhalb oder fünf Jahre - das ist der Durchschnitt hierbei  , weil wir sehr komplizierte Genehmigungsverfahren haben. Das ist richtig. Selbst bei den privilegierten Freiflächen-PV-Anlagen, die durch § 6 EEG privilegiert sind, indem sie an § 35 des Baugesetzbuches angelehnt sind, also ohne B-Plan-Verfahren genehmigt werden können, dauert es noch ziemlich lange. Warum? - Weil man trotz all der Regularien immer noch jede Menge Auflagen hat.

Wenn Sie alle Flächen gesichert haben, alles vorausgeplant haben und selbst eine Finanzierung schon fast in Sack und Tüten haben, dann geht es erst richtig los. Dann kommt die Brutvogelkartierung. Dann kommt die Hamstersuche. Dann kommt die Hamsterumquartierung. Dann kommt die faunistische Erfassung. Wer noch mehr wissen will, dem kann ich ein Gespräch mit der geschätzten Kollegin Tarricone empfehlen. Die muss nicht dazulernen. Sie ist nämlich als vereidigte Gutachterin eine Fachfrau. Sie könnte diese lange Liste bis hin zu Blendschutzgutachten usw. noch fortführen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Das ist tatsächlich der Alltag. Danach kommt das Problem mit dem Einspeisen. Wir stellen fest, dass die Netze jetzt schon an ihrer Kapazitätsgrenze sind. In den nächsten Jahren, bis 2032, rechnet man mit einer Vervierfachung der Leistung der eingespeisten Strommenge aus den Anlagen mit erneuerbaren Energien. Das kann der Netzausbau nicht schaffen. Selbst wenn man es genehmigungsfrei stellen würde, wäre das nicht machbar, weil die Leute, das Material und die Anlagen gar nicht zur Verfügung stehen. Das größte Stahlwerk in Europa ist dank Herrn Putin zerbombt. Woher kommen die Transformatoren? Woher kommen die Umspannwerke? Woher kommen die Leitungen? Woher kommen die Leute, die das alles machen können? Es ist völlig frei und entkoppelt von der Realität. So, wie sich manche das politisch wünschen, ist es faktisch nicht machbar. Das ist das Kernproblem.

Wir haben 2 800 km neuer Trassen zu bauen. 2 900 km müssen ertüchtigt, ausgebaut und modernisiert werden. Das ist nicht wesentlich schneller zu schaffen, selbst wenn wir alles abbauen, was jetzt noch an rechtlichen Erfordernissen vorhanden ist.

Zum Schluss will ich noch etwas anmerken, was uns als CDU besonders wichtig ist. Zwischen all den Masten, die jetzt noch aufgestellt werden sollen und aufgestellt werden müssen, leben Menschen. Sie müssen mit all dem leben, was jetzt unmittelbar vor ihrer Haustür passiert, wie Freiflächen-PV oder Windkraftanlagen. In meiner Heimatstadt werden 4,5 % der gesamten Fläche der Gemarkung Aschersleben schon für Windkraft genutzt. Das ist noch nicht das Ende.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Aber Sie verdienen gutes Geld damit, oder?)

- Keiner verdient da. Alle, die bisher verdienen, schleppen das Geld sonst wohin. Davon bleibt kein Cent in Sachsen-Anhalt.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Wir bezahlen den ganzen Spaß. Beim Netzausbau nur im Höchstspannungsbereich 380 kV und im Hochspannungsbereich mit 220- und 110-kV-Leistungen - dann sind noch nicht einmal alle Mittelspannungsnetze dabei - reden wir über 42 Milliarden €. Das heißt, allein der Netzausbau kostet für alle Verbraucher, auch für die Bezieher von Niedrigeinkommen, die arbeiten gehen, 42 Milliarden €. Die bezahlen das. Das darf man nicht aus den Augen verlieren.

Wir lehnen diesen Antrag ab, weil das nur Klientelpolitik ist. Sie glauben und sagen, dass Erneuerbare eine Kernkompetenz von Ihnen ist. Sie reden am meisten darüber, ohne immer zu wissen, worüber. Dafür muss man etwas machen. Sie haben null, nothing, nichts, niente von dem angefasst, was dringend entbürokratisiert werden müsste: Straßen, marode Brücken erneuern, Schienenwege ausbauen, Elektrifizierung vorhandener Schienenwege - man braucht ein Planfeststellungsverfahren, wenn man einen Draht darüberzieht  ,

(Guido Kosmehl, FDP: Wasserstraßen!)

Lärmschutz; nichts, kein Antrag. Das geht Ihnen am A vorbei. Das geht so nicht.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Wir müssen uns um die Daseinsvorsorge und das kümmern, was die Menschen täglich für ihre Lebensqualität, für ihre Zukunft brauchen. Deswegen lehnen wir diesen Antrag ab.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke, Herr Gürth. Ich glaube, Frau Frederking möchte eine Kurzintervention tätigen.


Dorothea Frederking (GRÜNE):

Wir waren letztens - also insbesondere wir als Landtagsabgeordnete aus der Altmark - in Osterburg eingeladen. Dort haben Staatssekretär Malter berichtet sowie der Bürgermeister Schulze, CDU, aus Osterburg.

(Zurufe von der CDU: Nein!)

- Bitte?

(Zurufe von der CDU - Daniel Roi, AfD: Der ist nicht bei der CDU!)

- Entschuldigung.

(Matthias Redlich, CDU: War doch schon zweimal da! - Zuruf von Daniel Roi, AfD)

- Ehemals CDU.

(Guido Kosmehl, FDP, lacht)

Ich war jetzt tatsächlich wegen der Zurufe irritiert.


Detlef Gürth (CDU):

Es ist völlig egal, wo der Kollege Schulze politisch beheimatet ist.


Dorothea Frederking (GRÜNE):

Ich nenne die Zahl jetzt nicht, weil ich keine falsche Zahl nennen will. Ich bleibe vage, weil ich die jetzt nicht ganz genau weiß. Es waren mehrere Hunderttausend Euro. Das weiß ich auf alle Fälle. Der Bürgermeister hat für die bestehenden Windanlagen mit den Betreiberinnen und Betreibern der Anlage noch Verträge abgeschlossen, um die Kommunalabgabe von 0,2 ct/kWh bekommen zu können. Das heißt, es fließen jährlich mehrere Hunderttausend Euro aufgrund der erneuerbaren Energien in das Stadtsäckel von Osterburg.

(Zuruf von Ulrich Siegmund, AfD)


Detlef Gürth (CDU):

Geschätzte Kollegin Frederking, ich habe eigentlich gehofft, dass Sie zu dem Thema sprechen. Dann wäre ich vielleicht gar nicht so emotional geworden. Sie befassen sich schon sehr, sehr lange mit den Themen. Es ist der Gemeinde und dem Haushalt wirklich zu wünschen, jeden Cent zu bekommen, den man noch bekommen kann; auch über diesen Weg. Wir dürfen uns aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese 0,2 ct, die gemäß dem EEG freiwillig von den Anlagenbetreibern an die Gemeinden gezahlt werden können - sie sind ja nicht dazu verpflichtet -, gar nicht von diesen gezahlt werden. Das Geld, das dann in die Gemeindekasse kommt, hätte man auch über eine höhere Grundsteuer einnehmen können. Denn wer zahlt das?

(Zuruf von der CDU: Wir!)

Diese 0,2 ct holen sich die Windkraftanlagenbetreiber vom Netzbetreiber zurück.

(Zuruf von der CDU: Genau so ist es!)

Die bekommen das voll erstattet.

(Zuruf: Ui!)

Und was macht dann der Netzbetreiber? - Er erhöht die Netznutzungsentgelte. Und wer zahlt das dann? - Jeder Endverbraucher zahlt das.

(Zuruf: Ui! - Stefan Ruland, CDU: Milchmädchenrechnung!)

Die Privathaushalte und die Unternehmen zahlen das. Wenn Sie in der Altmark bleiben, dann empfehle ich für den nächsten Besuch bei Herrn Kollegen Schulze oder bei wem auch immer, noch ein Stückchen weiter nach Westen zu gehen. Gehen Sie einmal Richtung Gardelegen an die niedersächsische Grenze und sprechen Sie dort einmal mit mittelständischen Unternehmen, die Zulieferer von VW sind und dergleichen mehr. Viele leben dort von VW, weil sie irgendetwas zuliefern. Worüber klagen die alle zusammen? - Dass die Energiepreise in der westlichen Altmark 30 % höher sind als in Niedersachsen. Denn wir sind Vorreiter beim Netzausbau und wir sind Vorreiter bei den Erneuerbare-Energie-Anlagen, die wir bei uns haben. Deswegen sind die Kosten bei uns auch wesentlich höher.

Wenn wir uns einmal die Regionalverteilung in Deutschland und in Europa anschauen, dann sehen wir, dass schon jetzt alle Privathaushalte, alle Verbraucher diesen Ausbau bezahlen. Wenn wir das aus dem Auge verlieren und sagen, dass es egal ist und wir es jetzt noch schneller haben wollen, dann müssen die noch schneller noch mehr bezahlen. Dabei haben wir die technischen Fragen noch gar nicht beleuchtet. Was ist umsetzbar und was ist technisch machbar? Schon jetzt kann ich sagen, dass ich meinen Hut ziehe vor dem Management der Netzbetreiber.

(Zustimmung bei der CDU)

Wie oft die uns im letzten Jahr vor einem Blackout gerettet haben mit großer Unterstützung unserer europäischen Nachbarn! Ich bin froh, dass nicht jeder Katalane weiß, dass der ein oder andere Stromausfall oder das Abschalten vielleicht bei uns in der Altmark oder wo auch immer begründet war. Das Netzmanagement, das jetzt betrieben wird, ist auf Kante genäht. Es ist wirklich hochprofessionell, aber auch das hat technisch seine Grenzen.