Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport):

Herzlichen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Vor ein paar Tagen haben wir des am 2. Juni 2019 ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke gedacht. Der Abg. Herr Schulenburg hat daran erinnert. Walter Lübcke war jemand, der Verantwortung übernommen hat und sich für seine Mitbürger einsetzte. Er hat sich stets der Debatte gestellt und die Grundwerte in unserem Land verteidigt. Seine aufrechte Haltung als Demokrat und sein Engagement für unser Gemeinwesen hat er mit seinem Leben bezahlt. Sein Tod ist auch uns eine Mahnung dafür, wie Worte zu Hass aufstacheln können und wie dieser Hass in Gewalt umschlagen kann.

(Zuruf von der AfD: Das haben wir gesehen!)

Jeden Tag sehen wir, dass Worte enthemmen und Hass entfachen können. Das haben wir teilweise auch in dem gerade zu Ende gegangenen Europa- und Kommunalwahlkampf erleben müssen. Am letzten Sonntag wurden die Kreistage, die Stadträte, die Verbandsgemeinde- und Gemeinderäte, die Ortschaftsräte und die Ortsvorsteher neu gewählt. Mit der Kommunalwahl ist über mehr als 10 000 Sitze in den Kommunalvertretungen in Sachsen-Anhalt neu entschieden worden. 

Unsere Demokratie und die kommunale Selbstverwaltung leben davon, dass sich Bürgerinnen und Bürger ehrenamtlich engagieren. Das tun mehr als 10 000 Ehrenamtliche in den Kommunalvertretungen. Dafür haben sie Respekt und Anerkennung verdient.

(Beifall bei der CDU, bei der Linken, bei der SPD, bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Wir dürfen nicht hinnehmen, dass Ehrenamtliche und natürlich auch hauptamtliche Amts- und Mandatsträger angefeindet werden. Das gilt während der Zeit ihres Amtes oder ihrer Zeit des Mandats genauso wie während des Wahlkampfes.

Leider mussten wir auch während dieses Europa- und Kommunalwahlkampfes erleben, dass politisch Engagierte, dass Mandatsträger und dass Wahlkämpfer angegriffen wurden. In Sachsen-Anhalt wurden der Landespolizei im Zusammenhang mit den Europa- und Kommunalwahlen bis einschließlich des Wahlsonntags bisher 21 Straftaten in Bezug auf Amts- und Mandatsträger sowie Wahlkampfstände und Wahlhelfer angezeigt. Es waren insbesondere die Partei Alternative für Deutschland mit neun Fällen und die Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit sechs Fällen betroffen. Alle Angriffe dieser Art auf politisch engagierte Menschen sind aufs Schärfste zu verurteilen.

(Beifall bei der CDU, bei der Linken, bei der SPD, bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Diese Straftaten werden sämtlich konsequent verfolgt und geahndet.

Zu jedem Wahlkampf gehört, dass Kandidaten und Parteien für sich mit Plakaten werben. Bis einschließlich des Wahlsonntags wurden der Landespolizei bislang 1 433 angegriffene Wahlplakate bekannt. Zumeist handelte es sich dabei um Sachbeschädigungen und um Diebstahlsdelikte. Von den Straftaten sind überwiegend alle im Landtag vertretenen Parteien betroffen. In fast der Hälfte der Fälle waren AfD-Plakate betroffen, danach folgte die CDU mit mehr als 200 Plakaten. Auch diese Straftaten sind zu verurteilen.

Ich habe es bereits gesagt: Worte können Hass entfachen, aus Worten können Taten folgen. Hass und Hetze verbreiten sich gerade auch in den sozialen Medien rasant. Mit einem Mausklick können Beleidigungen oder aber auch Bedrohungen in die Welt gesetzt werden. Oft sind es insbesondere Politikerinnen und Politiker, die von beleidigenden oder bedrohlichen Kommentaren im Netz betroffen sind. Das hat bspw. auch der Aktionstag „Bekämpfung von Hasspostings“ am 5. Juni gezeigt. Darüber haben wir schon in der gestrigen Regierungsbefragung kurz gesprochen. An dem Aktionstag haben sich die Polizeiinspektionen Magdeburg, Halle, Stendal und Dessau-Roßlau gemeinsam mit dem Landeskriminalamt beteiligt. Sie haben verstärkt Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger im Netz recherchiert und sich auf deren Bekämpfung konzentriert.

Die beteiligten Dienststellen führten verstärkt Internetstreifen durch. Es wurden öffentliche Kommentarspalten und Chat-Räume der zur Wahl stehenden Parteien, aber auch von Amts- und Mandatsträgern sowie von den zur Wahl stehenden Kandidaten in die Internetstreifen der Polizei einbezogen. Insgesamt wurden rund 330 Accounts kursorisch geprüft. Hierbei wurden 29 strafbare Inhalte festgestellt, darunter 25 Beleidigungen bzw. Verleumdungen, drei Volksverhetzungen sowie einmal das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Die erforderlichen strafrechtlichen Maßnahmen wurden in jedem Fall eingeleitet.

Es geht aber nicht nur um die Strafverfolgung, sondern es geht meines Erachtens auch um Prävention. Daher hat das Landeskriminalamt schon im letzten Jahr, lange im Vorgriff auf die anstehenden Kommunal- und Europawahlen, mit einem Informationsflyer Schutz- und Verhaltensempfehlungen für Amts- und Mandatsträger herausgegeben.

Gut ist auch, dass wir die zentrale Anlaufstelle „Stark im Amt“ im Internet haben. Das ist die erste zentrale Anlaufstelle, die es in diesem Zusammenhang gibt. Dort sind Empfehlungen abrufbar, die sich insbesondere auf die Sicherheit im häuslichen Wohnbereich, aber auch auf die Sicherheit auf dem Arbeitsweg und am Arbeitsplatz selbst beziehen. Genauso geht es dabei um Empfehlungen für Sicherheit während Veranstaltungen, um den Umgang mit Postsendungen, aber auch um das Verhalten und den Umgang mit Daten im Internet.

In den vergangenen Jahren musste aber auch immer wieder eine andere Art der Bedrohung von Amts- und Mandatsträgern festgestellt werden. Damit gehe ich auf Demonstrationszüge ein, die gezielt an privaten Wohnhäusern von Politikerinnen und Politikern vorbeigeführt werden. In Tröglitz sollte so Anfang 2015 der ehrenamtliche Gemeindebürgermeister Markus Nierth eingeschüchtert werden und im Februar 2022 in Halberstadt der Oberbürgermeister Daniel Szarata.

(Zuruf von der AfD: Dem ist gar nichts passiert!)

Ein geplanter Demonstrationszug, der am Haus des Landrates des Burgenlandkreises vorbeiführen sollte, wurde verlegt, nachdem Landrat Götz Ulrich dies im März dieses Jahres öffentlich gemacht hatte.

(Oliver Kirchner, AfD: Kann ja keiner wissen, wo der wohnt!)

Wer Angst um sich und seine Familie haben muss, der bewirbt sich nicht um politische Verantwortung.

(Beifall bei der CDU, bei der Linken, bei der SPD, bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Wenn uns die Menschen fehlen, die Verantwortung übernehmen wollen, dann gefährdet das unsere Demokratie.

(Zustimmung von Anne-Marie Keding, CDU)

Um dem entgegenzutreten hat der Freistaat Sachsen vor einigen Wochen den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes von Amts- und Mandatsträgerinnen- und trägern in den Bundesrat eingebracht. Im Wesentlichen geht es dabei darum, einen qualifizierten Straftatbestand neu zu schaffen, um der Beeinflussung von Amts- und Mandatsträgern durch sogenanntes politisches Stalking entgegenzutreten. Politisch Engagierte sollen damit vor Einschüchterungsversuchen auch im privaten Bereich geschützt werden. 

Eine Demonstration unmittelbar vor dem Wohnhaus kann als eine solche Bedrohungssituation empfunden werden, ohne dass dies bislang strafrechtlich relevant ist. Mit der Gesetzesinitiative des Freistaates Sachsen könnte genau diese Strafbarkeitslücke geschlossen werden. Ich begrüße diese Initiative und unterstütze sie. Die damit einhergehende Anpassung des Strafgesetzbuches kann ein wichtiger Baustein sein, um für mehr Sicherheit für Amts- und Mandatsträger zu sorgen.

Doch das ist nur eine Maßnahme neben anderen. Grundsätzlich trägt die Gesellschaft, tragen wir alle Verantwortung dafür, ehrenamtlich und hauptamtlich engagierten Amts- und Mandatsträgern den Rücken zu stärken und sie vor Anfeindungen zu schützen. Das kann nicht allein Aufgabe der Sicherheitsbehörden sein. Jede und jeder hat eine Verantwortung für unser demokratisches Miteinander.

Zum Abschluss will ich aber auch sagen: Wir dürfen nicht vergessen, dass zunehmend auch Polizistinnen und Polizisten, Kameradinnen und Kameraden der freiwilligen Feuerwehren und auch Rettungskräfte während ihrer Einsätze zunehmend angegriffen werden. Auch sie verdienen den Schutz der Sicherheitsbehörden und den Rückhalt in unserer Gesellschaft. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD - Zustimmung bei den GRÜNEN)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Frau Zieschang, es gibt eine Frage von Herrn Köhler. - Bitte sehr, Herr Köhler.


Gordon Köhler (AfD): 

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sie haben im Rahmen dieser Aktuellen Debatte und Ihres Redebeitrages sehr richtig auf Hetze im Netz aufmerksam gemacht. Das ist ein wesentlicher Bestandteil; darin gebe ich Ihnen recht. Ich habe hier einen Artikel der „Süddeutschen Zeitung“ vom 19. September 2022. Ich zitiere: 

„Früher mussten Undercover-Agenten mit Nazis saufen oder demonstrieren. Das war oft sehr gefährlich. Heute schickt der Verfassungsschutz virtuelle Agenten ins Internet, die dort rassistische Sprüche posten und mithetzen.“

Mich interessiert in diesem Zusammenhang, inwieweit das Land Sachsen-Anhalt hier virtuelle Agenten einsetzt bzw. inwieweit Sie Kenntnis darüber haben, dass diese virtuellen Agenten hier in Sachsen-Anhalt Straftaten begangen haben. - Danke.


Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport):

Dadurch, dass das Internet allen öffentlich zugänglich ist, 

(Zuruf von Eva von Angern, Die Linke)

muss ich einfach nur schauen, was darinsteht. Und das tun wir bei den Internetstreifen.