Guido Kosmehl (FDP):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte die Hoffnung, insbesondere nach dem sehr guten Redebeitrag des Kollegen Schulenburg, dass wir alle nach dem Abschluss des Wahlkampfes, der sicherlich ein besonderer war im Vergleich zu den vorangegangenen, wieder versuchen würden, uns zu sammeln und gemeinsam zu überlegen, an welcher Stelle wir gemeinsam handeln müssen und was notwendig ist, um die parlamentarische Demokratie - das betrifft nicht nur das Europäische Parlament, den Bundestag und die Landtage, sondern gerade auch die Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter sowie all die Ehrenamtlichen - besser schützen und wie wir sie vor allen Dingen erhalten zu können.
Die letzten Redebeiträge haben deutlich gemacht, dass uns das bisher nicht gelungen ist, weil jeder ein Stück weit auf seiner Deutungshoheit beharrt: die AfD, Die Linke.
(Zuruf von der Linken: Die FDP!)
Das macht mir tatsächlich Sorgen. Wir als Freie Demokraten sprechen uns gegen jede Form des Extremismus aus, egal ob von links oder von rechts.
(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)
Wir Freie Demokraten verurteilen Gewalt, und zwar egal ob das Opfer von rechts oder von links getötet worden ist. Wir sind diejenigen, die immer noch daran erinnern, was in der Bundesrepublik Deutschland in den 70er- und 80er-Jahren los war, als bspw. der hessische Wirtschaftsminister Heinz-Herbert Karry, FDP, von den revolutionären Zellen erschossen wurde. Deshalb erinnern wir auch in gleicher Weise an Dr. Walter Lübcke, der von einem Rechtsextremisten erschossen wurde. Gewalt, egal ob von links oder rechts, gegen Mandatsträger oder Verantwortungsträger dürfen wir nicht dulden.
(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und bei der SPD)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dabei will ich nicht diskutieren, ob es mehr von rechts oder mehr von links ist. Beides ist falsch und beides muss aufhören.
(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)
Wir müssen doch endlich anfangen zu schauen, wie wir unsere parlamentarische Demokratie schützen können und wie wir vor allen Dingen dafür sorgen können, dass wir zu einem Diskursklima zurückkommen, in dem man sich die Meinung sagen kann und in man sich auch konträre Meinungen sagen kann, aber in dem man, nachdem jeder seine Meinung gesagt hat, im besten Falle auseinandergeht und sagt: Der hat eine Meinung, ich habe eine Meinung, okay. Es darf aber keine Gewalt gegen Personen und auch keine Gewalt gegen Plakate oder Sachen von politischen Parteien geben.
Ich kann es, ehrlich gesagt, sehr geehrte Frau Kollegin von Angern, nicht mehr hören. Fahren Sie einmal in andere Städte, nicht in Sachsen-Anhalt, aber nach Leipzig in den Bereich Connewitz. Dort werden Sie fast kein Plakat der FDP oder der CDU sehen.
(Eva von Angern, Die Linke: Ich habe nicht gesagt, dass das gut ist!)
Das wird von der Linken auch nicht bedauert, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und bei der AfD)
Deshalb sage ich ausdrücklich: Plakatwerbung gehört zur Werbung dazu und jedes Plakat, das beschädigt wird, ist ein beschädigtes Plakat zu viel. Das schadet unserer Demokratie.
(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und bei der SPD)
Es gibt Plakate, die auch ich nicht gern lese, die ich gern nicht sehen würde und deren Meinung oder Inhalte ich nicht teile. Es ist aber nun einmal ein Teil der parlamentarischen Demokratie, dass zugelassene Wählervereinigungen und Parteien Wahlwerbung betreiben können. Dort, wo es zu weit geht - auch diese Fälle hatten wir bereits , kann man gerichtlich dagegen vorgehen. Dann werden die auch entfernt. Das ist der richtige Weg, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Zustimmung bei der Linken, von Olaf Feuerborn, CDU, und von Dr. Katja Pähle, SPD)
Lassen Sie mich zum Ende noch einen Punkt aufgreifen. Frau Ministerin, Sie haben einen Hinweis gegeben und Ihre Meinung zum Antrag des Freistaates Sachsen, zum § 106a StGB hier bereits gesagt. Ich sage Ihnen aus Sicht der Freien Demokraten: Dieser § 106a ist zu kompliziert. Er ist viel zu vage. Vor allen Dingen ist so viel Auslegung notwendig, um überhaupt den Sachverhalt einordnen zu können, dass wir damit eine vorhersehbare Anwendung im strafrechtlichen Sinne eigentlich nicht garantieren können. Es ist tatsächlich eher Folgendes: Wir machen mal etwas, damit wir zeigen, dass wir etwas machen wollen, auch wenn es nicht wirklich hilft.
Deshalb bitte ich alle darum - das haben auch die Vertreter der Freien Demokraten in der Vergangenheit auch nach dem Übergriff gegen den Kollegen in Sachsen deutlich gemacht : Das ist nicht die Zeit, härtere, neue Strafen zu fordern, sondern das ist die Zeit, in der man gucken muss, an welchen Stellen wir das gemeinsame Vorgehen brauchen, in der wir vielleicht auch noch einmal deutlich machen müssen, dass wir alle zusammenstehen. Und dann stehen wir auch alle zusammen, weil jeder Angriff da auch ist.
Deshalb will ich nur auf Folgendes verweisen, untergesetzlich, wenn man so will, bspw. im Bundesmeldegesetz den Schutz von Mandatsträgern, insbesondere dass deren Meldeadressen nicht abrufbar sind, auf unsere Ehrenamtlichen, unsere kommunalen Mandatsträger auszuweiten, da zu schauen, dass der Schutz nicht auf zwei Jahre begrenzt wird, sondern angemessen auf die Wahlperiode angesetzt ist, damit man nicht Folgeanträge stellen muss.
Das sind so Angebote, ich glaube, da könnte man tatsächlich noch ein bisschen was machen, um den Schutz zu generieren.
(Zuruf: Ja!)
Das Schlimmste ist doch, dass diejenigen - wir sind, ich sage einmal in Anführungsstrichen, Berufspolitiker , die wir dafür gewinnen wollen, für das Ehrenamt zu kandidieren und sich ehrenamtlich zu engagieren, zunehmend Angst verspüren und Sorge haben, dass das zwar inhaltlich überzeugend und wichtig, aber, wie sie selbst sagen, nicht auszuhalten ist. Dann verlieren wir die, die wir brauchen, um in den kommunalen Parlamenten tatsächlich auch zu wirken. Diesem Eindruck müssen wir entgegentreten, indem wir sagen: An der und der Stelle wird es besser, werden wir dich besser schützen können.
Die letzte Bemerkung.
(Zuruf: Super!)
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Warum wir uns als Freie Demokraten gegen eine Sonderregelung zu Strafrechtstatbeständen bei Angriffen gegen Politiker wenden:
(Zustimmung bei der CDU)
Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, dass dann, wenn es einen Politiker trifft, mit aller Härte und sofort vorgegangen wird. Denn bei jedem Angriff, der nicht im Wahlkampf passiert, bei allen sonstigen Übergriffen erwarten wir zu Recht, dass es die gleiche Intensität der Strafverfolgung und Strafermittlung gibt.
(Beifall bei der FDP - Zuruf: Ja!)
Deshalb will ich uns da nicht besonders herausstellen, auch wenn wir wissen, dass Mandatsträger an manchen Stellen zusätzliche Regelungen und Schutz brauchen. Aber deshalb ist es das falsche Zeichen.
Das Zeichen, das wir heute hier aussenden sollten, ist: Solch einen Wahlkampf wie zur Europawahl und zur Kommunalwahl wollen wir in den nächsten Jahren nicht mehr haben. Wir müssen zu einer anderen Wahlkampfkultur zurückkommen, indem man Sachen akzeptiert, also auch Sachbeschädigung nicht vornimmt und sich auch nicht in gewisser Weise heimlich freut. Wir sollten uns gemeinsam dafür aussprechen, dass wir, egal wer das Opfer ist und egal von welcher Seite der Täter kommt, Straftaten nicht wollen, nicht brauchen. Dafür sollten wir gemeinsam kämpfen. - Vielen Dank.