Carsten Borchert (CDU): 

Danke. - Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Viele, aber nicht alle Menschen, glauben, dass allein der Staat dafür verantwortlich ist, dass aus ihren Kindern gute Schüler oder gute Menschen gemacht werden. Wir wissen alle, dass das nicht funktioniert. Aber trotzdem ist der Staat wie immer in der Pflicht, daran zu arbeiten. 

Zu dem heutigen Thema und der Einbringung durch die Koalition ist Folgendes zu sagen. Da muss ich schon ganz schön viel nachdenken und auch sehr selbstkritisch sein, wenn Katja Pähle z. B. sagt, Kinder aus sozial benachteiligten Familien sollen damit unterstützt werden. Das sehe ich nicht so. Denn sozial benachteiligt bin ich auch, wenn ich für wenig Geld arbeite und dadurch nicht die finanziellen Möglichkeiten habe, aber zu Hause mit meinen Kindern alles mache, was möglich ist, damit es ihnen bessergeht. Die sind auch sozial benachteiligt.

Und es soll Fälle geben, bei denen Menschen sehr gut verdienen. Deren Kinder sind aber diejenigen, die die Probleme machen, mit denen wir dann an den Schulen zu tun haben. Also, es ist mir zu einfach, zu sagen, es ist vorwiegend für soziale Problemfälle. Das ist irgendwo nicht fair. 

Mit viel Fantasie kann man den Begriff Talentschulen so erläutern, wie es mein sehr geschätzter Kollege Herr Bernstein gemacht hat. Wenn man das gemacht und verinnerlicht hat, dann merkt man, dass es tatsächlich Talentschulen für die Kinder sind, die ihre Talente halt noch nicht erkannt haben. 

Eigentlich ist es eine Art Förderschule und keine Talentschule.

(Siegfried Borgwardt, CDU, lacht)

Aber es ist eine Art von Talent. Es ist sehr interessant, dass man darüber diskutieren kann. Ich habe vorhin Herrn Kurze, meinen Kollegen, gehört mit: „Was hat Bismarck gesagt? - Arbeitet, arbeitet, arbeitet.“ Ja, wenn wir das erst einmal überall bei den Kindern erreichen würden, dann wäre das schon nicht schlecht. Manchmal müsste man vielleicht darüber nachdenken, ob man nicht ein Programm für Eltern auflegt, damit sie wissen, was sie falsch machen. Denn die Kinder allein und wir können es gar nicht schaffen, wenn es zu Hause nicht weitergeht. Das ist ein Problem, das wir haben und das wir nicht angehen.

Nichtsdestotrotz unterstreicht der Antrag den Willen der Koalitionsfraktionen, das vom Bund initiierte Startchancen-Programm mit einer für das Land Sachsen-Anhalt passenden Initiative umzusetzen. Sämtliche Maßnahmen - das haben alle Vorredner gesagt - stehen im Fokus der Chancengerechtigkeit und der Potenzialentfaltung durch Fördern und Fordern - Fordern! - von Schülerinnen und Schülern sowie von Schulen in herausfordernden Lagen. Wir haben ein Problem, aber das Wort „fordern“ kommt mir zu kurz. Wir fordern zu wenig. 

(Zustimmung bei der CDU)

Wir sind einfach nicht mehr in der Lage, richtig zu fordern.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir sind einfach zu nachgiebig insoweit, als wir die Eltern nicht mitnehmen. Das ist unser Problem.

(Zuruf von Kristin Heiß, Die Linke)

Die letzten PISA-Bildungsstudien haben deutlich gemacht, dass der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die die Mindeststandards verfehlen, teilweise deutlich gestiegen ist und sich die sozialen und zuwanderungsbezogenen Unterschiede verstärkt haben. Das wissen wir. Wir versuchen mit diesem Programm unter Führung unserer FDP-Fraktion, die die Initiative ergriffen hat, daran zu arbeiten, um das zu ändern. 

In der Schule mehr Maßnahmen für Bildungsgerechtigkeit und spezifische Sprachförderung sowie für die Stärkung der Basiskompetenzen zu ergreifen, ist gut und wichtig. Aber eigentlich glauben wir als CDU-Fraktion, dass das schon zu spät ist. Deshalb fordern wir, neben dem Startchancen-Programm ein verpflichtendes Vorschulprogramm für Kinder mit Förderbedarf zu etablieren,

(Zustimmung bei der CDU)

um erst einmal Schulfähigkeit herzustellen, um Heterogenität in den Grundschulklassen abzubauen und um Deutsch als Bildungssprache festzulegen. Das wäre der richtige Ansatz, unabhängig von den sehr guten Inhalten, die wir mit diesem Programm verfolgen. Aber das reicht nicht. 

Wir gehen mit dieser Initiative trotzdem einen ersten wichtigen Schritt in Richtung einer gerechteren und zukunftsfähigeren Bildungslandschaft in Sachsen-Anhalt. Wir versuchen, an verschiedenen Schulen das umzusetzen, was eine Expertenkommission vor wenigen Tagen im Bildungsausschuss vorgestellt hat, nämlich den Schulen mehr Freiheiten und Möglichkeiten zu geben. Wir müssen es endlich tun und nicht immer nur darüber reden, dass wir es tun wollen. Vielleicht klappt es in den Schulen mit diesem Programm. Denn es sind alles Schulen, die besondere Probleme lösen müssen, aus welchen Gründen auch immer. 

Das Ziel, den Anteil der Schülerinnen und Schüler, die die Mindeststandards in den Fächern Mathe und Deutsch nicht erreichen, innerhalb von zehn Jahren zu halbieren, was Inhalt dieses Programmes ist, ist sehr optimistisch. Aber wenn man keinen Optimismus und nicht den Mut zum Träumen hat, dann hat man auch nicht die Kraft zum Handeln. Der Weg ist in der Form sehr anspruchsvoll.

(Markus Kurze, CDU: Der Weg ist das Ziel!)

Das Ziel wurde klar formuliert. Wir wissen dann, was passiert. 

Interessant und spannend ist auch, dass wir festlegen, dass dieses Programm auf zehn Jahre gesichert ist - egal, wer 2026 und 2031 hier die Führung übernehmen wird oder behalten darf. - In dem Sinne danke ich für die Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zu dem Programm.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke, Herr Borchert. Es gibt eine Nachfrage, wenn Sie diese beantworten möchten. - Frau Heiß, bitte.


Kristin Heiß (Die Linke): 

Herr Borchert, ich bin gerade über Ihren Satz gestolpert: Wir müssen mehr fordern, wir müssen auch die Eltern mehr fordern. Ich weiß nicht, wie alt Ihre Kinder sind. Ich nehme an, sie sind schon aus der Schule heraus.

(Zuruf von Daniel Sturm, CDU)

Ich weiß nicht, wer von Ihnen hier Kinder hat, die noch zur Schule gehen. Aber wir als Eltern waren in den vergangenen Jahren sehr, sehr, sehr gefordert.

(Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE: Ja! - Eva von Angern, Die Linke: Manchmal überfordert!)

Ich habe mit meinem Sohn Mathe, Physik, Geschichte, Biologie, Englisch, Deutsch, Musik, alle Fächer durchgenommen, und das alles zu Hause. Denn das, was die Schulen vorbereitet hatten, auch mit dem Homeschooling, hat nicht funktioniert.

Daher frage ich mich: Mit welchen Eltern haben Sie gesprochen, wenn Sie sich hierhin stellen und sagen, die Eltern müssen mehr gefordert werden?

(Beifall bei der Linken - Zuruf von Ulrich Thomas, CDU)


Carsten Borchert (CDU): 

Erst einmal vielen Dank: Wenn Sie nicht wissen, dass meine Kinder schon groß sind, heißt das, ich sehe sehr jung aus.

(Lachen bei der CDU)

Wenn Sie dem zugehört haben, was ich gesagt habe, dann haben Sie festgestellt, ich habe nicht von   d e n   Eltern gesprochen, ich habe nicht von allen Eltern gesprochen. Ich habe von Eltern gesprochen, 

(Zuruf von Kristin Heiß, Die Linke)

die selbst, aus welchen Gründen auch immer, damit überfordert sind, das umzusetzen, was wir in den Schulen erreichen wollen. Wenn das nicht Hand in Hand geht, dann funktioniert das nicht. 

Ich habe nicht von Ihnen gesprochen. Ich habe auch nicht davon gesprochen, dass es alle sind. Es gibt aber Menschen, die so sind. Ich finde es immer sehr schlimm, wenn wir hier vorn stehen und sagen: alle. Es sind nie alle. Aber ich fühle mich auch angesprochen, wenn es zu einem Thema heißt „alle“, obwohl ich eigentlich gar nichts damit zu tun habe. Sie haben sich jetzt angesprochen gefühlt, Sie haben damit gar nichts zu tun.

(Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Aber wenn die Verbindung zwischen Ihnen und der Schule nicht funktioniert, dann muss das eine Ursache haben und dann muss man darüber reden. Das können wir gern tun. - Danke.