Tagesordnungspunkt 14
Beratung
Demokratiebildung an Sachsen-Anhalts Schulen stärken
Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/4248
Alternativantrag Fraktionen CDU, SPD und FDP - Drs. 8/4283
Einbringen wird den Antrag die Abg. Frau Sziborra-Seidlitz.
Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):
Vielen Dank. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wann haben Sie das erste Mal in Ihrem Leben ein Hakenkreuz an irgendeiner Häuserwand gesehen? Wann haben Sie das erste Mal Nazi-Parolen gehört? Wenn ich mich zurückerinnere, dann war das irgendwann in den 90er-Jahre, als ich 14 bis 15 Jahre alt war.
Heutzutage werden Kinder und Jugendliche sehr früh mit den Ausblühungen von Rechtsextremismus konfrontiert. Zum Beispiel hat in einer Grundschule in Haldensleben vor ein paar Jahren eine Schülerin einer zweiten Schulklasse ein Hakenkreuz in den Schultisch geritzt. Die Schulleiterin war damals sichtlich überfordert. Es ist vollkommen klar, dass Sieben- oder Achtjährige keine manifesten Rechtsextremisten sind. Aber wie bekommt man denn heraus, was dahintersteckt? Und wie erklärt man Kindern altersgerecht, dass das nicht okay ist? Die Lehrerin fühlte sich damals nicht auf diese Situation vorbereitet.
Und wir alle erinnern uns noch an die Zeiten, als Neonazis Rechtsrock-CD auf Schulhöfen verteilt haben.
(Zuruf von Matthias Büttner, Staßfurt, AfD)
Die heutige Version davon ist Herr Siegmund, der, wenn er nicht gerade bei Kaffeekränzchen mit Nazis in Potsdam ist,
(Oh! bei und Zurufe von der AfD)
offenbar gerne direkt vor dem Schultor Wehrmachts-Propagandamaterial an Schülerinnen in Tangermünde verteilt, nachdem er diese Schülerinnen eine Woche zuvor auf einer Kundgebung noch beschimpft hatte,
(Felix Zietmann, AfD: Ihr seid bald weg!)
und das alles natürlich schön für Tiktok abfilmt; aber das müssen Sie selber wissen.
(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Über 1 Million Aufrufe - Zuruf von der AfD: Neid der Besitzlosen!)
Ein ganz aktuelles Beispiel ist die Verbrennung des Tagebuchs der Anne Frank durch Jugendliche in Aken -
(Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD: Oh!)
ein Buch, das viele von uns sicherlich im Deutschunterricht gelesen haben, ein Buch, welches an einem sehr nahegehenden Beispiel die Geschichte von Millionen jüdischen Opfern erzählt, die im Holocaust getötet wurden, und das symbolhaft für das Leid, das Unrecht und die deutsche Schuld an der Shoah steht. Das war ein abscheulicher, ein wirklich abscheulicher Vorgang und ein erschreckender Akt des Alltags von Antisemitismus.
Ob wir es wollen oder nicht - Kinder und Jugendliche werden mit Rechtsextremismus und Nationalsozialismus auch in ihrem Schulalltag konfrontiert, egal wie sehr wir es verhindern wollen, sei es, weil andere Schülerinnen rechtsextremistische Parolen rufen, aufgrund von Schmierereien oder auf anderen Wegen. Schulen sind ein Spiegel unserer Gesellschaft. Schulen sind selbst kleine Gesellschaften. Natürlich machen der ansteigende Antisemitismus und Rechtsextremismus, die sich immer weiter in die Mitte unserer Gesellschaft fressen, auch vor Schulen keinen Halt. Wenn Parolen und Verhetzung Popkultur geworden sind, dann sind sie das auch und zuerst dort, wo junge Menschen sind.
Dass das ein real wahrgenommenes Problem an unseren Schulen ist, erfährt man, wenn man die Schulen vor Ort besucht. Lehrkräfte erzählen, wie sich die Vorfälle häufen, bei denen Kinder und Jugendliche auf dem Schulhof oder selbst im Unterricht Nazi-Parolen rufen.
(Felix Zietmann, AfD: Überall Nazis!)
Wie sehr rechtsextremistische Schmierereien zunehmen - - Hören Sie doch einfach mal zu! - Alarmierend ist auch
(Zurufe von der AfD)
Ausgerechnet Sie sollten dabei vielleicht einfach zuhören und etwas lernen. - Alarmierend ist auch die gemeinsame Erklärung der ostdeutschen Schülervertretungen vom April dieses Jahres, die sehr deutlich benennen, dass völkische Narrative, antisemitische Verschwörungstheorien und extremistisches Gedankengut immer häufiger an unseren Schulen vorkommen und dass aus ihrer Sicht die Schulen schlecht darauf vorbereitet sind.
Es ist unsere Aufgabe als Politik, diese Warnungen und Forderungen der Schülerinnen und Lehrkräfte ernst zu nehmen.
(Beifall bei den GRÜNEN - Oliver Kirchner, AfD: Schulhofgewalt!)
Wir können die Schulen dabei unterstützen, die Schülerinnen und Lehrkräfte vor Rechtsextremismus an Schulen schützen.
(Oliver Kirchner, AfD: 2 % in Sachsen-Anhalt! - Zuruf von Matthias Büttner, Staßfurt, AfD)
Wir können die Lehrkräfte und Schülerinnen unterstützen, die sich täglich selbst für ein demokratisches Schulklima einsetzen, wofür ihnen im Übrigen Dank gebührt. Damit kann man schon im Unterricht anfangen. Mit Blick auf den Rahmenlehrplan des Geschichtsunterrichts an weiterführenden Schulen stellt man fest, dass das Thema Nationalsozialismus erst in der neunten Klasse unterrichtet wird.
(Oliver Kirchner, AfD: Das hat Margot Honecker früher auch immer gesagt!)
Das ist nicht nur in Anbetracht der gesellschaftlichen Entwicklungen reichlich spät, besonders dann, wenn Schülerinnen und Schüler schon nach der zehnten Klasse die Schule abschließen. Es gibt keinen pädagogischen Grund, dieses Thema erst so spät in der Schulzeit zu besprechen.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Bücher, Zeitzeugengespräche, Erfahrungsberichte - es gibt viele Materialien und pädagogische Ansätze, den Nationalsozialismus und die Schrecken des Holocaust frühzeitig, altersgerecht und lehrfachübergreifend zu thematisieren.
Das Wissen darüber, was die Nazi-Parolen bedeuten, wofür ein Hakenkreuz steht und warum es zu Recht verboten ist, das Wissen darüber, was es für Menschen bedeutet, in einer Diktatur zu leben, und das Wissen über die Opfer des Nazi-Regimes -
(Zuruf von der AfD: Die meisten Hakenkreuze macht ihr an unsere Büros!)
ich bin mir sicher, dass das alleine schon die eine oder andere leichtfertig herausgerufene rechtsextremistische Parole oder Schmiererei verhindern könnte.
Am Ende gehört dazu aber auch Anstand, den Sie offensichtlich nicht haben.
(Beifall bei den GRÜNEN - Oliver Kirchner, AfD: Mit Leuten wie euch hat es angefangen 1933, ausgrenzen, Meinungen verbieten!)
Wirklich essentiell ist, dass Demokratie bereits in der Schule erlebbar und erfahrbar wird. Echte Teilhabe für Schülerinnen, wirkliche Mitsprachemöglichkeiten - genau das müssen wir in der Schule ermöglichen.
(Felix Zietmann, AfD: Kommt bald!)
Denn nichts spricht so sehr für die Demokratie, nichts betont so sehr ihre Vorteile, wie diese selbst zu erleben. Nichts erzeugt begeistertere Demokratinnen als demokratische Selbstwirksamkeitserfahrungen, so wie ich sie, sicherlich heute nicht mehr reproduzierbar, als Schülervertreterin in meiner Schule in den 90er-Jahren erlebt habe, als wir als Schülerinnen unsere Schule kulturell gestalteten, ihr einen neuen Namen gesucht haben - das war ja nach dem Ende der DDR notwendig , ihn fanden und diesen Namen mit Leben füllten, als wir gemeinsam mit den Lehrerinnen und der Schulleitung ein riesiges Schulfest an einem Sonnabend auf die Beine stellten, damit die Republikaner an unserer Schulaula keinen Parteitag abhalten konnten,
(Zuruf von der AfD: Das sind Demokraten, buh, buh!)
als im Keller unserer Schule zig Bands probten - einige davon sind heute noch legendär - und als Klassenkameraden von mir im leer gelaufenen Lehrschwimmbad ein Kiezkino eingerichtet haben.
Das wäre alles heute so nicht mehr möglich. Aber auch heute gilt: Die beste Möglichkeit, sich an der Gestaltung der Schule zu beteiligen, ist die Mitarbeit in Schülervertretungen.
(Zuruf von Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD)
Für die Wirksamkeit einer Schülervertretung braucht es zuallererst die schulgesetzlichen Voraussetzungen dafür. Dafür fordern wir die Einführung der Verankerung der Drittelparität in der Schulkonferenz.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Hierbei geht es um die gleichberechtigte Teilnahme von Eltern, Schülerinnen und Lehrern an der Schulkonferenz sowie die Mitwirkung der sonstigen Angestellten. Die Drittelparität sorgt für mehr Fairness und Gleichberechtigung. Sie stärkt das Stimmgewicht von Schülerinnen und Schülern und den Erziehungsberechtigten. Das Schulleben kann auf diese Weise insgesamt demokratischer gestaltet werden und zum Mittun einladen.
Gleichzeitig muss über das Schulgesetz ermöglicht werden, dass sich auch nicht gewählte Schülerinnen in der Schülervertretung beteiligen können, egal wie die Form letztlich aussieht. In gewählten Parlamenten entspricht das z. B. sachkundigen Einwohnerinnen, Petitionen, Fragestunden. Warum sollen solche Wege in der Schule nicht möglich sein?
Eine gute demokratische Kultur in der Schule heißt auch Kommunikation auf Augenhöhe. Deswegen ist es wichtig, im Schulgesetz zu verankern, dass Schulleitungen die Ablehnung von Anträgen der Schülervertretung begründen müssen, und zwar schriftlich.
Last, but not least haben wir ein tolles Schulnetzwerk in Sachsen-Anhalt. „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ ist das größte Schulnetzwerk in ganz Deutschland und auch in Sachsen-Anhalt äußerst erfolgreich.
(Felix Zietmann, AfD: Ist bald Geschichte!)
„Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ ist ein Leuchtturmprojekt für Demokratiebildung in der Schule, beginnend damit - das ist auch einer der wichtigsten Punkte daran -, dass es ein zutiefst demokratischer Prozess ist, in dem sich Schulen entscheiden, an diesem Programm teilzunehmen. Drei Viertel aller Menschen in der Schule, Schülerinnen, Lehrkörper usw., müssen für die Mitgliedschaft in diesem Schulnetzwerk stimmen.
(Felix Zietmann, AfD: Unter Druck!)
Erst dann kann das Projekt starten.
„Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ kann Schulkultur und Schulalltag gestalten, über von Schülerinnen organisierte Ausstellungen zu den Müttern und Vätern des Grundgesetzes bis hin zu selbst organisierten Projektthementagen. Schulen, die Teil des Netzwerkes sind, berichten häufig, was für ein Gewinn dieses Projekt für sie ist.
Doch so großartig die Arbeit des Schulnetzwerks „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ auch ist, es ist in Sachsen-Anhalt unterfinanziert. Das muss man so nüchtern feststellen. Frau Bildungsministerin Feußner, beim Landestag „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ haben Sie Ihr Wohlwollen und Ihre Wertschätzung für das Schulnetzwerk ausgedrückt. Wir fordern Sie auf: Lassen Sie diesen Worten Taten folgen und zeigen Sie auch bei der Aufstellung des Bildungshaushaltes Ihr Wohlwollen für das Netzwerk „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“.
Ich glaube, wir sind uns hier alle - fast alle - darüber einig, dass es ein tolles und gewinnbringendes Projekt für unsere Schulen und für unser Land ist.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der Linken)
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Abgeordnete! Der zunehmende Rechtsextremismus in der Gesellschaft macht auch vor unseren Schulen keinen Halt.
(Oliver Kirchner, AfD: Wo ist der denn?)
Deshalb ist es unsere Pflicht als Demokrat*innen hinzusehen, zuzuhören und Demokratiebildung zu stärken. „Früh übt sich“ gilt auch und besonders für unsere Demokratie. Lassen Sie uns gemeinsam anpacken und den Schulen das notwendige Handwerkszeug in die Hand geben. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Frau Sziborra-Seidlitz, es gibt eine Intervention von Herrn Siegmund und außerdem eine Nachfrage von Herrn Lizureck, letztere jedoch nur, wenn Sie diese zulassen. - Sehen wir dann. Zunächst Herr Siegmund, bitte.
Ulrich Siegmund (AfD):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Kollegin Sziborra-Seidlitz, ich wollte natürlich nur etwas klarstellen. Erst einmal möchte ich mich bei Ihnen bedanken, dass Sie mir offenbar ganz intensiv in den sozialen Medien folgen.
(Beifall bei der AfD)
Das finde ich wirklich super. Vielleicht können Sie noch etwas lernen. Ihr Wirtschaftsminister Robert Habeck nimmt jetzt 800 000 € Steuergeld für einen eigenen Tiktok-Kanal in die Hand.
(Lachen bei der AfD)
Das sind die grünen Fokusse, die Sie hier legen. Gucken Sie sich einfach einmal ein bisschen was ab. Vielleicht können Sie noch etwas lernen.
Zur Schule, Frau Sziborra-Seidlitz. Wir standen an der Schule, weil uns ganz viele Eltern und Schüler um Hilfe gebeten haben, weil sie politisch indoktriniert werden.
An dieser Schule gab es übrigens, nachdem wir den Infostand gemacht haben, eine U18-Wahl. Und - oha! - wer war mit großem Abstand die stärkste Kraft? - Die AfD.
(Beifall bei der AfD)
Jetzt raten Sie einmal, wer in der Tabelle gar nicht aufgetaucht ist. - Das waren die GRÜNEN. Sie gibt es an dieser Schule gar nicht.
(Lachen und Beifall bei der AfD - Zurufe von der AfD)
Ich sage einmal - lange Rede, kurzer Sinn , Tangermünde war das beste Beispiel dafür: Demokratiebildung, wie Sie sie sich vorstellen, wirkt, aber natürlich nur für die Alternative für Deutschland. - Danke schön.
(Beifall bei der AfD - Zuruf von der AfD: Jawohl!)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Frau Sziborra-Seidlitz.
Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):
Öffentlich geworden ist Ihr Auftreten vor dieser Schule, weil Eltern und Schülerinnen dieser Schule sich in der Öffentlichkeit über Ihr Auftreten beschwert haben. Punkt 1.
(Ulrich Siegmund, AfD: Wer denn? Kein Mensch hat sich darüber beschwert! - Beifall bei der AfD)
- Doch. Genau auf diese Art und Weise ist das öffentlich geworden.
Zweitens. Von Ihrem TikTok-Auftritt braucht sich niemand etwas anzugucken; denn außer Ihnen braucht niemand in diesem Hause Schauspielunterricht, um Politiker zu sein.
(Zustimmung - Lachen bei und Zurufe von der AfD)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Frau Sziborra-Seidlitz, die Nachfrage? - Herr Lizureck, bitte.
Frank Otto Lizureck (AfD):
Frau Sziborra-Seidlitz, folgende Frage. Wir hatten jetzt Wahlen und Sie sind überall zu einem großen Teil aus den entsprechenden Parlamenten verschwunden. Sind die Bürger, die sich jetzt quasi gegen Sie entschieden haben, alle Antidemokraten? Oder haben Sie ganz einfach ein verzerrtes Bild von Demokratie?
(Zustimmung bei der AfD)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Frau Sziborra-Seidlitz.
Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):
Das macht den Unterschied deutlich: Demokratie ist für uns nicht Mittel zum Machterhalt und Mittel zum Zweck,
(Lachen bei der AfD - Zurufe von der AfD: Nein! - Natürlich nicht!)
sondern Demokratie besteht um ihrer selbst willen und als Wert an sich, und
(Zuruf von der AfD: Dann akzeptieren Sie mal die demokratischen Entscheidungen des Volkes und regen Sie sich nicht immer auf! - Weitere Zurufe von der AfD)
- darf ich bitte meinen Satz beenden? - was Sie hier permanent verwechseln, das ist, eine demokratische Partei zu sein oder eine demokratisch gewählte Partei zu sein.
(Ah! bei der AfD - Zuruf von der AfD: Das legen Sie fest!)
Das eine ist nicht das andere. Da gibt es einen großen Unterschied,
(Daniel Rausch, AfD: Genau, und das legen Sie fest! - Unruhe bei der AfD)
und den legen z. B. das Landesamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz fest.
(Zurufe von der AfD)
Deswegen werden Sie beobachtet und andere Parteien nicht.
(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von der AfD: Das ist doch sowas von lächerlich! - Weitere Zurufe von der AfD)