Rüdiger Erben (SPD):

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Scharfenort, hören Sie mich?

(Zuruf von der AfD: Wir hören Sie!)

- Okay. - Herr Scharfenort, Sie kommen sich immer besonders schlau vor. 

(Oliver Kirchner, AfD: Nein, ist er! - Zuruf von der AfD: Sie müssen sich einmal an die eigene Nase fassen!)

Aber vielleicht hätten Sie sich mit dem Thema einmal beschäftigen sollen. Wir reden über den Hauptverwaltungsbeamten. Darin steckt ein Begriff, nämlich der des Beamten. Beim Beamten geht es nicht um Meinungsfreiheit, sondern dort geht es um ein besonderes Dienst- und Treueverhältnis. 

(Angela Gorr, CDU: Genau!)

Wenn jemand Beamter werden will, dann gelten für ihn Regeln. Eine der Regeln ist, dass er jederzeit dafür Gewähr bieten muss, dass er fest auf dem Boden des Grundgesetzes steht. 

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der Linken)

Das ist mehr, als Abgeordneter der AfD im Landtag zu sein. Für Beamte gelten andere Regeln. Dazu gehören auch Beamte auf Zeit im Range eines Bürgermeisters oder Landrates. 

Ich will nur auf einige wenige Punkte eingehen. Wenn ich den Kollegen Gebhardt dort sitzen sehe, dann fällt mir der Spruch ein: ein kleiner Schritt für diesen Landtag, doch ein großer Schritt für die Stadt Hettstedt. 

(Stefan Gebhardt, Die Linke, zustimmend: Jawohl!)

Wir schaffen nämlich mit dem heutigen Gesetz Rechtssicherheit für die dortige kommunale Sozialstation. Die hat in der Vergangenheit eine große Rolle gespielt und hat sogar Aufnahme in unseren Koalitionsvertrag gefunden. Wir kommen auf die Weise auch zu einer Lösung für das dort vorhandene Problem. 

(Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD)

Im Hinblick auf das kommunale Wirtschaftsrecht will ich weiterhin darauf hinweisen, dass wir einen weiteren Missstand beseitigen. Während es bisher selbstverständlich möglich war, dass sich ein Hafenbetrieb aus Sachsen an einer kommunalen Hafengesellschaft in Sachsen-Anhalt beteiligt, war das umgekehrt nicht möglich. Es war nicht einmal möglich, dass sich ein kommunaler Hafenbetrieb aus Sachsen-Anhalt in einer anderen Stadt an selbiger beteiligen kann. Auch das stellen wir in dem Gesetz fest. 

(Beifall bei der SPD)

Ich will an dieser Stelle auch ausdrücklich erwähnen, dass wir die Möglichkeiten der Kommunen erweitern, sich im Bereich der erneuerbaren Energien zu betätigen. 

Einen letzten Punkt, den ich ansprechen möchte: Wir hätten gern eine Änderung vorgenommen, nämlich die Pflicht zur Vorlage der Jahresrechnung als Voraussetzung dafür, dass der Haushalt vollzogen werden kann, auf das Jahr 2027 zu verschieben. 

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE)

Leider hat es dazu keine Einigung zwischen den Koalitionsfraktionen gegeben. Ich will an dieser Stelle ausdrücklich sagen, dass wir das sehr schade finden; denn wir hätten den Kommunen gern die Luft gegeben, aber am Ende gelten Regeln.

(Oh! bei der CDU - Ulrich Thomas, CDU: Das ist der schlanke Fuß der SPD bei dem Thema!)

- Bevor sich die CDU hier weiter aufregt; Herr Thomas, bevor Sie sich hier weiter aufregen, sage ich: Dazu gehört auch, dass nicht ich draußen herumgelaufen bin und den Leuten erzählt habe, dass wir hier etwas ändern. Das waren Kolleginnen und Kollegen insbesondere aus Ihrer Fraktion.

(Ulrich Thomas, CDU: Ach gucke!)

Das sollten Sie vielleicht an dieser Stelle zur Kenntnis nehmen, wenn Sie dazwischenrufen. - Herzlichen Dank. 

(Zustimmung von Stefan Gebhardt, Die Linke, und von Olaf Meister, GRÜNE)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Sehr geehrter Herr Erben, würden Sie sich eine Intervention anhören? 


Jan Scharfenort (AfD):

Für unseren Schlauberger Herrn Erben: Worum geht es uns? - Sie haben in Teilen durchaus recht. Uns geht es darum, dass man versucht, das für die auf Lebenszeit Verbeamteten geltende Legitimationsprinzip nun als Vorabprüfung auch auf die Wahlbeamten zu übertragen. Es geht insgesamt um die Verfassungstreue des Wahlbeamten. 

An dieser Stelle wird es problematisch, wenn man in der Erstprüfung, in der Wählbarkeitsprüfung den gleichen Maßstab bei dem Wahlbeamten auf Zeit anlegt wie bei dem Beamten auf Lebenszeit, der letztendlich nur durch das Legitimationsprinzip sein Amt antritt und der auf Verfassungstreue geprüft werden kann. Anders kann es ja nicht sein, er wird ja nicht gewählt. Aber beim Wahlbeamten wird das nun gemacht. An dieser Stelle haben wir durchaus zwei konkurrierende Rechtsinstitute - das Demokratieprinzip und das Legitimationsprinzip. Wenn Sie sich in der Literatur vielleicht einmal in Kommentierungen mit dem Thema beschäftigen, dann ist das Demokratieprinzip in diesem Fall regelmäßig höher zu gewichten als das Legitimationsprinzip. Das ist genau das, was wir anprangern, was ich anprangere.

(Dr. Falko Grube, SPD: Sie müssen sich das nicht schönreden, wie Sie wollen. Sie müssen einfach auf dem Boden der Verfassung stehen!)

Deswegen halte ich das für verfassungswidrig, auch wenn der GBD das nicht kommentiert und dazu nichts gesagt hat. Aber das wird, denke ich einmal, sehr interessant in der Praxis werden. Das wird uns, denke ich, noch eine ganze Weile begleiten. Warten wir es einmal ab, wie damit in der Praxis umgegangen wird. Das wollte ich damit sagen. - Danke.

(Zustimmung bei der AfD)


Rüdiger Erben (SPD):

Darf ich?


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Ja, klar.


Rüdiger Erben (SPD):

Herr Scharfenort, dafür gibt es eine ganz einfache Möglichkeit; denn relevant ist nicht, ob Sie das für verfassungswidrig halten.

(Zuruf von der AfD: Aber Sie!)

Am Ende entscheidet ein Gericht. Gehen Sie zum Landesverfassungsgericht, dort können Sie das feststellen lassen. 

(Zustimmung bei der Linken)

Dann werden wir sehen, wer an dieser Stelle recht hat. 

Ich bin der festen Überzeugung, dass, wenn wir einen Gewählten in ein Wahlamt, also in den Status eines Beamten bringen, dann für ihn dieselben Regelungen und Anforderungen gelten wie für jeden anderen Beamten auch. Dabei ist es völlig uninteressant, ob das ein kommunaler Wahlbeamter auf Zeit oder ein Beamter auf Lebenszeit ist. Das spielt überhaupt keine Rolle; denn die Anforderungen an den Berufsbeamten sind dieselben. Um das klarzustellen: Auch der kommunale Wahlbeamte ist ein Berufsbeamter. 


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Herr Gürth möchte sich gern dazu äußern. 

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Das war ja klar!)


Detlef Gürth (CDU):

Geschätzter Kollege Erben, Sie sind ein erfahrener, langjähriger Abgeordneter und Kommunalpolitiker, der sich mit diesen Themen befasst. 

Daher ist Ihnen sicherlich - genauso wie mir - geläufig, dass wir im Jahre 2003 beschlossen haben, zum Stichtag 2013, also zehn Jahre später, die Doppik einzuführen und rechtlich verbindlich flächendeckend in Sachsen-Anhalt zum Jahr 2015 zu machen.

Nun sehe ich dabei ein Legitimationsproblem, wenn wir daran jetzt noch einmal herumwackeln. Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass Kommunen über einen sehr langen Zeitraum eine rechtliche Verpflichtung zur Vorlage von Jahresabschlüssen einfach nicht erfüllen? 

Jetzt stehen Sie für eine Gemeinde, die dieses Recht nicht einhält, selber aber Recht erlässt, wie z. B. eine Gebührensatzung zum Parken, und die von ihren Bürgern verlangt, dass sie diese Gebührensatzung rechtlich akzeptieren und ihr folgen und dann auch ihre Knöllchen bezahlen. Ihnen geht dann doch die Autorität verloren, wenn Sie sich selbst nicht an Recht und Gesetz halten. Wie bewerten Sie diesen Umstand?


Rüdiger Erben (SPD): 

Das kann ich gern tun.

(Zuruf von der CDU: Kurz!)

- Nein, lang. - Erstens. Die Pflicht zur Vorlage von Jahresrechnungen gab es auch schon in der Kameralistik. Das ist keine Neuerfindung der Doppik. Durch die Umstellung hat es zugegebenermaßen zusätzliche Anforderungen gegeben.

Zweitens. Ich bewerte es negativ, dass das so ist. Es mag in der einen oder anderen Kommune gute Gründe dafür geben, dass das Ganze so lange gedauert hat oder immer noch andauert. Mit Sicherheit ist einer der Gründe aber auch der, dass man es über einen zu langen Zeitraum nicht ernst genug genommen hat, dass es eine rechtliche Verpflichtung dazu gibt.

Wir haben aber hierbei eine Situation, dass sich die Landesregierung in dem Entwurf entschieden hat, die denkbar härteste Sanktion in diesem Bereich zu wählen, die man sich vorstellen kann,

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der Linken)

nämlich: Nichtvorlage der Jahresrechnung bedeutet automatisch vorläufige Haushaltsführung.

Ich übertrage das einmal. Nehmen wir einmal an, die Stadt Leuna hat das mit ihrer Jahresrechnung nicht hinbekommen und hat meinetwegen Rücklagen in Höhe von 150 Millionen €. Dann rutscht die Stadt in die vorläufige Haushaltsführung und kann viele Dinge nicht erledigen, weil man viele praktische Probleme im Bereich der Jahresrechnung nicht mit Geld lösen kann, sondern nur indem man das Handling hinbekommt. 

Das ist die härteste Sanktion, und wir hätten es gut gefunden, wenn man die Jahresrechnungen noch zwei Jahre später hätte vorlegen können.

(Zuruf von Stefan Ruland, CDU)

Meine Prognose ist, dass das Thema, Kollege Ruland, mit der heutigen Debatte nicht beendet ist, weil Sie und wir alle wieder sehr schnell Besuch von Bürgermeistern bekommen werden. Das ist nicht der letzte Akt im Landtag von Sachsen-Anhalt zu diesem Thema.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 

Danke, Herr Erben. Es gibt noch eine dritte Nachfrage, eine Frage von Herrn Roi. Denken Sie bitte alle daran: Es ist eine Dreiminutendebatte.


Rüdiger Erben (SPD): 

Nein, ich will das jetzt nicht verlängern.

(Daniel Roi, AfD: Schade! - Unruhe)