Dr. Anja Schneider (CDU): 

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich möchte zunächst der einbringenden Fraktion für die Gelegenheit danken, im Rahmen einer Aktuellen Debatte zu diesem wichtigen Thema Stellung nehmen zu dürfen. 

Da es auch im Titel der Debatte genannt wird, habe ich mich zunächst gefragt, was Frauengesundheit eigentlich genau bedeutet. Es gibt dafür keine einheitliche Definition, zumindest habe ich keine gefunden. Ich könnte auch fragen, was Männergesundheit bedeutet. Das ist ebenso nicht eindeutig definiert. 

Klar ist aber, dass es spezifische Erkrankungen aufgrund von Geschlechtsunterschieden gibt und dass z. B auch Häufigkeit und Herkunft bestimmter Erkrankungen sehr unterschiedlich sein können. Bei einem Herzinfarkt sind Ursache, Symptome und auch die Behandlung sehr unterschiedlich. Die Forschung hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte im Hinblick auf die geschlechtsspezifische Wirksamkeit von Medikamenten gemacht. Zudem - das halte ich für recht bedeutend - beeinflussen psychosoziale Faktoren die Gesundheit der Geschlechter und jedes einzelnen Menschen sehr unterschiedlich. Dabei geht es bspw. um die Frage, was eigentlich Gesundheit für mich ist. Es geht um die Wahrnehmung des eigenen Gesundheitszustandes, um das Gesundheits- und Risikoverhalten der Geschlechter und auch um den Umgang mit Prävention und Gesundheitsförderung.

Vor diesem Hintergrund sieht sich die CDU-Fraktion in der Verantwortung, die verschiedenen Perspektiven und Bedürfnisse unserer Bürger und Bürgerinnen sorgfältig abzuwägen. Die Aktuelle Debatte über die Sicherstellung der Versorgung ungewollt Schwangerer in Sachsen-Anhalt berührt in erster Linie sensible Fragen der Gesundheit von Frauen und des medizinischen Versorgungssystems. Ich möchte an dieser Stelle aber anmerken: Da normalerweise zur Zeugung eines Kindes auch ein Mann gehört, ist es für mich nicht ausschließlich ein Frauenthema, und zwar insbesondere dann, wenn ich die Bedeutung der Auswirkung von psychosozialen Faktoren betrachte, die natürlich ebenso Männer betreffen können.

(Zustimmung von Gordon Köhler, AfD) 

Grundsätzlich ist es wichtig, anzuerkennen, dass alle Eingriffe gegen das menschliche Leben nicht allein als Teil der Frauengesundheit betrachtet werden können. Vielmehr müssen wir uns bewusst machen, dass Schwangerschaftsabbrüche grundlegende und gesellschaftlich-ethische Fragen aufwerfen. Die Beratung spielt in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle und ist weit mehr als eine bloße Option, die nach Belieben wahrgenommen werden kann. Vielmehr ist sie eine Pflicht, die dem Schutz des ungeborenen Lebens dient, wie es in § 219 des Strafgesetzbuches festgelegt ist. Sie zielt darauf ab, einer Frau alle Informationen und Unterstützungsangebote aufzuzeigen und sie somit bestmöglich bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen. 

Eine ungewollte Schwangerschaft ist eine enorme psychische Belastung. Daher ist es entscheidend, dass die politisch Verantwortlichen den Aspekt der Prävention ungewollter Schwangerschaften stärken. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Bildung zur Verhütung. An dieser Stelle möchte ich an das Thema Sprachfähigkeit erinnern, die nicht nur Frauen, sondern ebenso Männer einbeziehen muss. 

Reproduktive Selbstbestimmung - dazu hat mein Kollege Matthias Redlich in einer der letzten Debatten ausgeführt - bedeutet nicht nur die Möglichkeit, über Schwangerschaftsabbrüche zu entscheiden, sondern auch die Verantwortung - das möchte ich betonen  , ungewollte Schwangerschaften zu vermeiden. 

(Zustimmung von Anne-Marie Keding, CDU) 

Die Situation in Deutschland, die durch die ELSA-Studie - das wurde bereits zweimal angemerkt - aufgezeigt wurde, signalisiert dringenden Handlungsbedarf. Der Rückgang an verfügbaren Anlaufstellen für Schwangerschaftsabbrüche ist nicht nur eine regionale, sondern eine nationale Herausforderung. 

Die Zahl der Ärzte und Kliniken, die diese Abbrüche durchführen, nimmt stetig ab. Das haben wir gehört. Dies stellt eine Bedrohung für das Wohlbefinden und die Gesundheit dar. Sachsen-Anhalt gehört im Vergleich zu anderen Bundesländern zu den Ländern mit einem hohen Versorgungsgrad an Zugängen zu Schwangerschaftsabbrüchen. 

Es stellt sich aber die Frage, warum immer weniger Ärzte und Ärztinnen Abbrüche durchführen, obwohl öffentliche Informationen zugänglich sind. Dazu hat meine Kollegin Sziborra-Seidlitz bereits einige Aspekte aufgeführt, bspw. persönliche Überzeugung, Stigmatisierung, gesellschaftlicher Druck bis hin zu Drohungen sowie der sukzessive Ruhestand von praktizierenden Ärzten und der Umstand, dass Schwangerschaftsabbrüche im Studium kaum thematisiert werden. 

Der Fachkräftemangel wird dazu führen - die Ministerin sagte es gerade  , dass Mediziner ihre Schwerpunkte anders setzen und diese unattraktiven Leistungen, wenn man sie vom wirtschaftlichen Aspekt her betrachtet, nicht mehr in diesem Maße anbieten. 

Nach geltendem Recht sind die Bundesländer dazu verpflichtet, sicherzustellen, dass Frauen Zugang zu ausreichenden Einrichtungen haben, in denen sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen lassen können. Die Regulierung dieser Thematik ist nicht einfach, da die Definition von „ausreichend Einrichtungen“ für ambulante und stationäre Abbrüche ein recht dehnbarer Begriff ist. Die Frage, was genau als ausreichend anzusehen ist, bleibt unklar und bietet Interpretationsspielraum. 

Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass Frauen möglicherweise gezwungen sind, weite Strecken zurückzulegen - das wurde schon genannt  , um eine Einrichtung zu erreichen. Für die eine Frau mag eine Anreise von einer Stunde akzeptabel sein, aber für eine andere ist es gerade aufgrund der psychischen Belastungen eine unzumutbare Situation. 

Ein wichtiger Aspekt, der die Regulierung erschwert, ist die bereits erwähnte Tatsache, dass Ärzte und medizinisches Personal aus ethischen Gründen nicht für Schwangerschaftsabbrüche zur Verfügung stehen. Dies kann dazu führen, dass sich dadurch in einzelnen Regionen die Versorgungslage noch zusätzlich verschärft. Darüber hinaus kann auch die entsprechende Ausbildung von medizinischem Personal verweigert werden, was die Verfügbarkeit dieser Dienstleistung langfristig weiter einschränken kann. 

Die Frage nach der ambulanten oder stationären Vorgehensweise bei Schwangerschaftsabbrüchen trägt ebenfalls zur Komplexität der Regulierung bei. Die Wahl der Vorgehensweise hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter bspw. die medizinische Notwendigkeit, die Verfügbarkeit von Ressourcen und die Präferenzen der Patientinnen. 

Trotz dieser Schwierigkeiten scheint der Klinikbereich oft besser geeignet zu sein, um Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Krankenhäuser bieten Anonymität für medizinisches Personal und für Patientinnen, eine professionelle Umgebung, Routinen in der Durchführung solcher Eingriffe sowie die notwendigen Strukturen für ggf. auftretende Notfälle. Diese Faktoren können dazu beitragen, dass sich Frauen - ich betone noch einmal: auch Männer und Familien - sicher und unterstützt fühlen, wenn sie sich trotz Beratung für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden. 

Insgesamt zeigt sich, dass die Regulierung der Versorgung ungewollt Schwangerer eine komplexe Herausforderung darstellt, die eine sorgfältige Abwägung erfordert. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass alle Beteiligten, und zwar einschließlich der politischen Entscheidungsträger, der medizinischen Fachkräfte und der Zivilgesellschaft, zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass Frauen Zugang zu sicherer und qualitativ hochwertiger Versorgung haben, und zwar unabhängig vom Wohnort und persönlichen Überzeugungen. 

Als CDU-Fraktion haben wir uns in unserer Koalitionsvereinbarung dazu verpflichtet, eine gut ausgebaute Beratungslandschaft bereitzustellen, um Menschen bedarfsgerecht zu unterstützen. Dies schließt insbesondere Beratungsmöglichkeiten ein, die wir wohnortnah und bei Bedarf auch mehrsprachig anbieten wollen. 

Wir sind uns bewusst, dass die Konfliktberatung ein wichtiger Bestandteil des Prozesses ist und dass sie angemessen finanziert werden muss. Daher haben wir uns dafür eingesetzt, dass die Träger dieser Beratungsstellen auskömmlich und verlässlich durch das Land finanziert werden. 

Eine umfassende und bedarfsorientierte Beratung trägt entscheidend dazu bei, dass Frauen informierte Entscheidungen treffen können und ihren individuellen Bedürfnissen und Werten gerecht werden. Die Debatte über eine Abschaffung oder Änderung der bestehenden gesetzlichen Regelungen ist in erster Linie eine gesellschaftliche Entscheidung. Deshalb muss die Debatte dort geführt werden, wo sie hingehört, nämlich im Bundestag. 

(Zustimmung von Matthias Redlich, CDU)

Wir müssen uns jedoch auch bewusst machen, dass eine solche Debatte moralische und ethische Fragen aufwirft, die sorgfältig abgewogen werden müssen. 

Letzter Satz: Als CDU-Landtagsfraktion stehen wir weiterhin fest für die Beibehaltung der Pflichtberatung; 

(Zustimmung von Anne-Marie Keding, CDU)

denn nur wer ausreichend Informationen erhält, der kann auch eine fundierte Entscheidung treffen. -Vielen Dank. 

(Zustimmung bei der CDU)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Es gibt eine Intervention von Frau Sziborra-Seidlitz. 


Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE): 

Vielen Dank. - Frau Dr. Schneider, Sie haben am Ende Ihrer Rede die Bedeutung der Beratung betont. Ich will Ihnen an dieser Stelle wirklich nicht widersprechen. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass der Bericht der Expertinnenkommission sehr eindeutig fordert oder sehr eindeutig feststellt, dass der Schwangerschaftsabbruch in Zukunft zumindest in der Frühphase als rechtmäßig und straflos geregelt werden soll. Gleichwohl sagt er aber, dass der Gesetzgeber davon unbenommen selbstverständlich eine Pflichtberatung verlangen kann. Die Frage der Beratung ist von den Empfehlungen im Moment unberührt. Die Beratungen, auch als Pflichtberatung, werden jetzt nicht quasi obsolet gestellt. Insofern gibt es keinen Widerspruch zu Ihren Aussagen. Der Widerspruch liegt darin, dass die Beratung oder eine Beratungspflicht zukünftig außerhalb des Strafgesetzbuches geregelt werden soll. - Danke.