Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):
Na das hoffe ich doch! - Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Frau von Angern, ich habe Ihre Überschrift ernst genommen: „Soziale Gerechtigkeit beginnt vor Ort! Gesellschaftliche Spaltung verhindern, Armut in Sachsen-Anhalt bekämpfen!“. Deshalb werde ich mich darauf konzentrieren.
(Eva von Angern, Die Linke: Sehr gut!)
Ich war ganz begeistert davon, dass sich einige Parlamentarier und die Liga auf den Weg gemacht und eine Landesarmutskonferenz ins Leben gerufen haben, um fokussiert bestimmte Themen und Lagen hier im Land nicht nur zu diskutieren, sondern auch zu schauen, wie man Abhilfe schaffen kann. In diesem Rahmen haben wir schon einige Punkte angegangen.
Ich möchte Ihnen anhand von Veranstaltungen, die ich in den letzten 14 Tagen besucht habe, aufzeigen, dass es nicht nur eine Frage des Geldes ist, sondern wie wir die Betroffenen miteinander so vernetzen und beraten, dass sie irgendwann ein selbstbestimmtes Leben führen können und nicht schon im frühen Alter vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen sind.
Letzten Samstag gab es eine Landesfrauenratssitzung. Dort ging es darum, die Erfahrungen aus Sachsen mit einem runden Tisch für Alleinerziehende aufzugreifen. Dabei ist mir aufgefallen - möglicherweise brauchen wir keinen runden Tisch , dass wir den Fokus auf die Gruppe der Alleinerziehenden legen sollten, die besonders von Armut bedroht sind, um zu schauen, wie wir ihnen Unterstützung geben können.
Mir ist aufgefallen, dass wir schon seit langen Jahren das Landesprogramm FAMICO haben, das sehr gut läuft. Aber vielleicht müssen wir noch einmal schauen, wie wir das ausweiten können, insbesondere vor Ort zusammen mit den Jobcentern und der Agentur für Arbeit. Das ist sehr wichtig, um zu schauen, wie man Alleinerziehenden Unterstützung geben kann, dass sie wieder in einen Job kommen, dass sie sich nachqualifizieren können, um etwas zu tun.
(Beifall bei der SPD - Zuruf von Jörg Bernstein, FDP)
Ich möchte mit einem Punkt aufräumen, weil im Kinderförderungsgesetz immer davon gesprochen wird - das war auch hier in der Debatte so , dass wir für diese Bereiche keine kostenlose Mittagsversorgung haben und dass für die Betreuung weiterhin Elternbeiträge gezahlt werden müssen. In unserem Land brauchen Alleinerziehende beides nicht zu zahlen,
(Beifall bei der SPD und bei der FDP - Siegfried Borgwardt, CDU: Genauso ist es!)
weil der Bund eine sehr gute Unterstützung gemacht hat. Über das - ich sage einmal - Gute-Familien-Gesetz haben diejenigen, die Wohngeld oder Sozialleistungen in Anspruch nehmen, durch diese Leistungen, die eigentlich in der Kindergrundsicherung zusammenfließen sollen, auch den Kita-Platz frei. Ich möchte einfach einmal mit der Mär aufräumen.
(Beifall bei der SPD und bei der FPD)
Sie haben auch eine kostenlose Mittagsversorgung. Deshalb bin ich froh darüber, dass wir hier im Land eine Geschwisterregelung haben, die genau die Familien unterstützt, die an der unteren Einkommensgrenze liegen, die aber keine sozialen Leistungen bekommen. Die wollen wir familienpolitisch unterstützen.
Das sage ich auch deshalb, weil ich schon mitbekomme, dass man bei der Geschwisterregelung in den kommenden Wochen eine Debatte bekommt, ob das tatsächlich nötig ist. Das ist eine familienpolitische Leistung, die wir in diesem Land geschaffen haben, die sich an die Familien richtet, die mehr Kinder haben, bei denen beide Eltern arbeiten, die aber immer knapp über der Grenze sind, sodass sie keine zusätzlichen Leistungen bekommen. Die sollten wir in unserem Land auch unterstützen.
(Beifall bei der SPD)
Gestern hatten wir eine Debatte zum Bildungsprogramm „Bildung elementar“. Dazu war von der Landesarmutskonferenz und von Ihnen, Frau Sziborra-Seidlitz - sie hört gerade nicht zu - die Thematik Gesundheit aufgegriffen worden. Gesundheit ist auch von Armut geprägt, weil sich viele Gesundheitsleistungen oder Prävention nicht leisten können, weil sie diese Angebote nicht haben.
Ein großer Punkt war die Zahngesundheit. Wir werden im Bildungsprogramm „Bildung elementar“ dem gesamten Bereich Prävention, Armutsprävention, Gesundheit, gesundheitliche Folgen und wie man diesen begegnen kann, besondere Aufmerksamkeit widmen. Ein wichtiges Gesundheitsziel für uns waren schon immer gesunde Zähne, Früherkennungsmaßnahmen usw. All diese Punkte helfen uns, und sie helfen uns konkret. Dabei können Sie auch mitwirken.
(Beifall bei der SPD)
Man vergisst manche Sachen immer. Wir haben vor zehn Jahren die Familienberatungsstellen und die Beratungsstellen an sich in einem Gesetz vernetzt. Wer sich noch erinnern kann: Vor zehn Jahren hatten wir einmal eine Debatte, ob das Land den Kommunen überhaupt noch irgendetwas zahlen muss; wir haben das Finanzausgleichsgesetz. Warum müssen wir immer so viele Landesmittel in die Kommunen geben? Da gab es eine Debatte: Alles streichen. Dann haben sich viele zusammengesetzt und gesagt, nein, wir brauchen hier eine verlässliche Unterstützung, auch die Kommunen brauchen – an dieser Stelle hat Frau von Angern recht - Sicherheit, dass es nicht in jedem Haushaltsjahr wieder die Debatte gibt, welche Leistungen kofinanziert werden können.
Dieses Gesetz haben wir jetzt evaluiert. Dazu hat am Montag ein Fachtag stattgefunden. Ich kann mich noch an die Debatten, auch vom Städte- und Gemeindebund und vom Landkreistag erinnern, jetzt fängt die Grimm-Benne noch an, Sozialplanung und Jugendhilfeplanung zu machen, die dann tatsächlich dazu führen, dass man das vorlegen muss, wenn man Mittel beantragt.
Auf dem Fachtag wurde der Landkreis Harz als ein gutes Beispiel dargestellt. Die Sozialplanerin aus dem Landkreis und zwei Träger haben vorgetragen, wie sie sich mittlerweile trägerübergreifend den Bereich Erziehungs-, Lebens- und Schuldnerberatung so aufteilen, dass sie eine vernetzte Beratung machen können, dass sie sogar gemeinsame Tage planen können, an denen sie Beratungen durchführen, damit die Wartlisten nicht so lang sind.
Sie haben gesagt, das war das Allerbeste. Sie sind an uns herangetreten und haben gesagt: Vor zehn Jahren habt ihr gefordert, dass wir Sozialhilfeplanung machen; jetzt wünschen wir uns vom Land - Jobcenter und Arbeitsagentur waren dabei , dass ihr sagt, wie wir Sozialhilfeplanung zukünftig fachlich weiterentwickeln können.
Sie haben uns gebeten, noch einmal einen Fachtag zu machen, an dem alle Sozialplanerinnen und Sozialplaner hier im Land zusammenkommen, um zu schauen, wie wir den Bereich vernetzen und noch mehr Familien unterstützen können. Das kostet uns als Land Geld, aber die Bereitschaft, zu sagen, welche Ziele nehme ich für meinen Landkreis, wo will ich etwas reduzieren, wo will ich etwas aufbauen, wo muss ich in bestimmten Regionen schauen, ob dort etwas fehlt, ist allen Lohn wert. Von daher werden wir das unterstützen. Das, denke ich, ist auch ein Punkt, an dem wir etwas machen können.
Über das Projekt Jobturbo ist viel diskutiert worden. Gerade in dieser Woche wird noch einmal darauf aufmerksam gemacht. Auch den wollen wir nutzen. Abgesehen von der allgemeinen Bürgergelddebatte steht in dem Gesetz noch eine ganze Menge mehr: Qualifizierungen, das Nachholen von Abschlüssen, die staatliche Unterstützung, um sich fachlich weiterzubilden. Das wird im Augenblick sehr stark in Anspruch genommen. Es wäre schön, wenn wir im Sozialausschuss darüber reden, wie das wirkt, und dazu den Geschäftsführer der Arbeitsagentur einladen können. Das ist auch in Punkt, wie wir im Land Armut konkret bekämpfen können.
(Beifall bei der SDP und bei der FDP)
Zum Thema Kindergrundsicherung. Ich habe das Problem, dass wir alle sagen, wir wollen diese Leistungen zusammenfassen. Aber was diesen Bereich im Augenblick so schwierig macht, auch in der Bundesregierung - deshalb sind wir so über Kreuz , ist die Umsetzung dieser Kindergrundsicherung. Ich muss mich einmal vor unsere Jobcenter stellen. Sie kennen ihre Klientel.
(Eva von Angern, Die Linke: Die hätten es gemacht! Die standen in den Startlöchern!)
- Ja, sie würden das auch machen wollen.
(Eva von Angern, Die Linke: Die standen in den Startlöchern!)
- Ja, sie standen in den Startlöchern.
(Eva von Angern, Die Linke: Nein, das ist kein Gerücht! Die standen in den Startlöchern.)
Ich sage einmal, auch an die FDP gerichtet: Es war auch Ihre Kritik, dass man, wenn Strukturen vorhanden sind, nicht noch eine neue Behörde schafft. Wir wollen keine neue Behörde.
(Andreas Silbersack, FDP: Keine neue Behörde!)
- Ich will auch keine neue Behörde. Das ist Quatsch. Das ist in der Umsetzung ein bürokratisches Monster.
(Beifall bei der FDP)
Eigentlich wollen wir etwas erreichen, was einfach ist. Die Idee war ja im Grunde genommen, dass jeder, der einen Anspruch hat, auf sein Handy die Information bekommt, dass er einen Anspruch hat, und sieht, woher er die Leistungen bekommt, und das möglicherweise aus einer Hand.
Ich habe den ganzen Vorspann gemacht, um zu sagen, das nur als Einzelleistung zu nehmen und nicht zu betrachten, welche Probleme die Familien sonst noch haben, das geht daneben, das geht schief. Dann wird es wieder eine Leistung, die nur auf Geld bezogen ist, aber nicht das andere drumherum klärt.
Deshalb bitte ich noch einmal darum, darüber nachzudenken. Es gibt einen offenen Brief der Jobcenter, in dem sie sagen, nehmt uns diese Aufgabe nicht weg. Wir können sie viel besser vernetzen und umsetzen. Viel schlimmer ist es, wenn wir bei der Kindergrundsicherung etwas machen, und das kommt bei den Menschen überhaupt nicht an. Dann haben wir echt nichts gekonnt.
(Beifall bei der SPD und bei der FDP)
Von daher richten wir Ministerinnen und Minister an den Bund den Appell: Schaut noch einmal, dass ihr das bündeln könnt. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Ich habe etwas anderes gesagt, als mir aufgeschrieben wurde.
(Beifall bei der FDP und bei der SPD - Andreas Silbersack, FDP: Sehr gut!)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke, Frau Grimm-Benne. - Es gibt eine Nachfrage von Frau Anger.
Nicole Anger (Die Linke):
Frau Ministerin, Sie haben wieder Ihr Würdigen der Kindertagesbetreuung fortgesetzt. Ich würde Sie gern konkret fragen: Was sagen Sie der alleinerziehenden Mutter, die keinen Anspruch auf SGB II-Leistungen hat, kurz über dieser Grenze liegt und trotzdem für das eine Kind, das sie hat, bis zu 360 € Kindertagesbetreuungsgebühren in der Kita, bis zu 180 € im Hort bezahlen muss plus 70, 80 € Essengeld? Wie wollen Sie diese Mutter mit einem Kind entlasten?
Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):
Wenn Sie dazu herangezogen wurde, ist sie als Alleinerziehende nicht mehr in der Arbeitsproblematik. Dann hat sie einen solchen Job, dass sie das alles selbst tragen kann.
(Eva von Angern, Die Linke: Nee, nee, nee, das wäre doch schön! - Hendrik Lange, Die Linke: Genau über die Leute haben Sie doch gerade geredet!)
Sobald jemand einen Anspruch auf Wohngeld oder andere Leistungen hat, ist der Kita-Beitrag frei. Der ist frei, und die Mittagsversorgung ist auch frei.
(Zurufe von der Linken)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Es gibt eine zweite Nachfrage. - Frau von Angern.
Eva von Angern (Die Linke):
Frau Ministerin, unsere Aktuelle Debatte war überschrieben mit dem Titel „Soziale Gerechtigkeit beginnt vor Ort!“ Wir haben das Beispiel in der Landeshauptstadt Magdeburg, die aufgrund von finanziellen Zwängen das Frauenschutzhaus dazu drängt, den Eigenanteil zu erhöhen, die wiederum ihren Eigenanteil auch dadurch erhöhen, indem sie pro Kind, pro Frau einen so hohen Eigenanteil nehmen, dass es immer mehr Frauen gibt, die sich den Schutz des Frauenschutzhauses nicht mehr leisten können.
Sie haben dazu eine Richtlinie gemacht, die das zwar deckelt. Aber in dem Moment, in dem ein Träger sagt, ich brauche das Geld, ich muss es nehmen, weil mich die Kommune dazu drängt, dann darf das genommen werden. Was ist denn darauf Ihre Antwort, wenn es nicht nur um Armut geht, sondern auch um Schutz, um einen Schutz, der nicht in Anspruch genommen werden kann, weil das Geld dafür nicht da ist?
Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):
Das ist wieder ein ganz anderes Beispiel.
(Zuruf von Eva von Angern, Die Linke - Weitere Zurufe)
Nein, das ist eine ganz andere Problematik.
Sie wissen, dass wir darüber schon einmal geredet haben und dass ich gesagt habe, dass wir als Land nicht alles ausgleichen können - denn die Unterschiede in den einzelnen Kommunen hinsichtlich der Frauenhausfinanzierung sind sehr groß , dass ich aber gern bereit bin, darüber noch einmal zu reden.
Sie haben sehr viel über das kommunale Mandat geredet.
(Eva von Angern, Die Linke: Ja!)
Hier im Plenarsaal sitzen einige Stadträte, auch aus der Stadt Magdeburg. An dieser Stelle ist geboten, dass sie dem nachgehen. Sie haben die Elternbeitragserhöhung nicht mitgemacht. Also könnte man auch sagen: An der Stelle muss man das kommunale Parlament nutzen, um tatsächlich zu gucken, dass das wieder zurückgenommen wird, wenn das so ist.
(Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD)
Es ist nicht immer für alles das Land zuständig. Dabei wird in einer Stadt eine Entscheidung getroffen und dann wird wieder das Land gefragt, ob es das ausgleichen kann. So funktioniert meiner Meinung nach die Zusammenarbeit zwischen Ländern und Kommunen nicht.