Dr. Anja Schneider (CDU):
Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir sind mittendrin in einer Zeit, in der die Herausforderungen in den Bereichen Sicherstellung gesellschaftlicher Teilhabe, Gesundheitsversorgung in den Gemeinden und Pflege alter Menschen absolut dringend gelöst werden müssen.
Die Sozialpolitiker aller Fraktionen und natürlich auch der Sozialausschuss sind dazu mit den Gemeinden, den Städten, den Experten und vor allem auch den Praktikern vor Ort im kontinuierlichen Austausch. Die Etablierung des Modellprojekts Havelberg begleitet uns bspw. seit geraumer Zeit. Die Voraussetzungen für einen Neustart der Gesundheitsversorgung in der überwiegend ländlichen Region - das wird uns mit jeder Berichterstattung immer wieder deutlich - sind wirklich schwierig und bei Weitem kein Einzelfall.
Schon heute werden in Sachsen-Anhalt mehr als 70 % der Pflegebedürftigen zu Hause betreut, und in Anbetracht der hohen Kosten stationärer Pflegeeinrichtungen und der demografischen Entwicklung wird dieser Anteil weiter steigen, was sich per se viele Pflegebedürftige oder potenziell Pflegebedürftige auch wünschen. Daher ist es unerlässlich, die häusliche Pflege zu stärken und regionale Konzepte zu entwickeln, die es den Menschen ermöglichen, in ihrer vertrauten Umgebung zu bleiben und am Alltag in ihrem Stadtteil oder ihrer Gemeinde teilzuhaben.
Dass wir aufhören sollten, stets als Erstes die Belastung für unser Gesundheitswesen in den Vordergrund zu rücken - darin möchte ich meiner Kollegin Frau Sziborra-Seidlitz zustimmen , zeigen die Ideen und Initiativen einiger Regionen, die dem Sozialausschuss in einer Anhörung am 3. April präsentiert wurden. Projekte wie „Regent“ und „Landengel“ oder auch der Gesundheitskiosk - all das wurde schon erwähnt - haben vor allem eines verstanden: dass es auf Netzwerkarbeit verschiedener Akteure und Leistungserbringer sowie auf quartiersbezogene Ansätze ankommt, die vor allem praktisch und für die Menschen passend sind und ganz einfach funktionieren. Denn neben Gesundheit und Pflege sind Angebote der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und der Unterstützung bei ganz alltäglichen Dingen notwendig und für das Wohlbefinden entscheidend.
Ich war schockiert, als ich bei einer Auswertung von Langzeitstudien gelesen habe, dass Einsamkeit, also die Nichtteilhabe am gesellschaftlichen Leben, ein unabhängiger und primärer Risikofaktor für eine höhere Krankheitsanfälligkeit und Sterblichkeit im Alter ist. Deshalb müssen wir vor allem davon wegkommen, erst dann zu starten, wenn alles zur Verfügung steht, wenn alles perfekt ist. Ich persönlich denke nämlich, dass viele Gemeinden mehr Möglichkeiten haben, die Lebensqualität ihrer Bürgerinnen und Bürger zu fördern, als ihnen vielleicht bewusst ist oder sie sich zutrauen.
Der vorliegende Antrag der Koalitionsfraktionen zielt darauf ab, das Projekt „Beqisa“ zu erweitern und zu stärken. Es hat sich bereits als wirksames Instrument bewährt, um Kommunen und Gemeinden bei der Planung und Umsetzung von Projekten in den Bereichen des Alterns und der Versorgung zu unterstützen. Durch die Einbeziehung von Gesundheit, Pflege und Prävention in die Erweiterung wollen wir sicherstellen, dass „Beqisa“ auch in der Zukunft eine zentrale Rolle bei der Quartiersentwicklung einnimmt.
Neben der Förderung von innovativen Projekten der Gesundheitsversorgung und immer deutlicher auch präventiven Angeboten sollten wir die Möglichkeiten technologischer Entwicklungen wie Telemedizin, Robotik und Smartphone-Technologie nutzen, um die Versorgung zu verbessern und insbesondere auch die Sicherheit von älteren Menschen, gerade in den ländlichen Regionen, zu gewährleisten.
Für diese Perspektiven - klar, erst einmal muss natürlich die Möglichkeit gerade für die technischen Maßnahmen gegeben sein - sollten Krankenkassen und Sozialverbände frühzeitig einbezogen werden. Verträge nach dem § 140 des Sozialgesetzbuches V ermöglichen es Krankenkassen, gemeinsam mit Leistungserbringern neue Versorgungskonzepte zu entwickeln und zu finanzieren. Aus eigener Erfahrung kann ich absolut bestätigen, dass die Krankenkassen an zielorientierten Modellprojekten interessiert sind und kreative Lösungen mittragen.
Zu dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN möchte ich betonen, dass wir zwar Innovationen begrüßen, jedoch darauf achten, unsere Ressourcen effektiv einzusetzen. Der Antrag sieht eine finanzielle Zuwendung - das haben wir schon gehört - von mindestens 5 Millionen € vor, um durch einen Ideenwettbewerb Innovationen zu fördern, nicht jedoch die kreative Umsetzung von Projekten zu garantieren. Das ist nicht zielführend und daher für uns nicht zustimmungsfähig. Und ja, auch mich hat nicht unerheblich das Wort „Preisgeld“ gestört.
Auch der Alternativantrag der Fraktion Die Linke ist aus Sicht der Koalition nicht zustimmungsfähig, da es nicht zielführend ist, einfach nur mehr Geld in bestehende Strukturen zu geben, die nicht nur langfristig, sondern bereits jetzt nicht mehr zufriedenstellend funktionieren.
Deshalb bitte ich um Zustimmung zu dem Antrag der Koalition zur Stärkung der Beratung und der kommunalen Quartiersentwicklung. - Vielen Dank.