Eva Feußner (Ministerin für Bildung):
Danke schön. - Sehr geehrter Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für den ersten Teil des Schulgesetzes lege ich meinen Redebeitrag vielleicht beiseite. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass man hier nur Untergangsszenarien darlegt.
(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von der Linken: Oh!)
Ich hatte auf eine fachliche Einbringung eines Schulgesetzentwurfes gehofft. Das ist uns leider entgangen. Aber ich will hier zumindest auf einige Punkte eingehen: Wir stehen kurz vor dem Kollaps - also, ich kann diese Untergangsszenarien, ehrlich gesagt, nicht mehr ertragen.
(Zustimmung von Guido Heuer, CDU, und von Andreas Silbersack, FDP)
Wir haben wirklich richtig tolle Schulen im Land, und natürlich haben alle Länder, nicht nur das Land Sachsen-Anhalt, Probleme, was die Unterrichtsversorgung anbelangt, weil wir einen Bedarf an Lehrkräften haben. Aber deswegen ist Schule nicht generell schlecht - im Gegenteil.
Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich noch einmal die Kolleginnen und Kollegen loben und mich bei denen bedanken, die jeden Tag aufs Neue unsere Schülerinnen und Schüler mit viel Engagement unterrichten
(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)
Ich mache es nicht so wie Herr Lippmann, der das ganze System sozusagen in Abrede stellt und alles schlechtredet. Das, was Herr Borchert gesagt hat, ist richtig: Wer soll sich denn als junger Mensch für das System Schule interessieren, wenn man auf diese Weise den Entwurf eines Schulgesetzes, das eigentlich Optimismus verbreiten müsste, einbringt?
Sie werfen uns Sonntagsreden vor. Wir stehen am Scheideweg, wir können nicht mehr so weitermachen wie bisher - ich lese aber überhaupt keine innovativen Vorschläge seitens der Linken. Das sind vielmehr alles alte Hüte, die wir alle schon kennen, die wir in irgendeiner Form, etwa in Form von Anträgen, schon einmal diskutiert haben. Ich erkenne dabei nicht wirklich etwas Neues, etwas Innovatives, das uns theoretisch weiterbringen würde.
Ich bin gern bereit, über alles zu reden. Das haben wir in dem Fall schon getan. Über alle Punkte, die im Einzelnen schon einmal in Form von Anträgen seitens der Linken eingebracht wurden, haben wir im Bildungsausschuss bereits diskutiert.
Zu dem misslungenen Volksbegehren ist von Herrn Stehli, der die Nachfrage gestellt hat, bereits ausreichend ausgeführt worden.
Mich ärgert es total, Herr Lippmann, wenn Sie davon reden, dass wir den Schulen immer mehr Aufgaben übertragen. Erstens ist es die Gesellschaft, die immer mehr fordert. Wenn es Probleme in unserer Gesellschaft gibt, dann wird als erstes nach Schule gerufen.
(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)
Ich kann mich noch sehr gut an die Cannabisdebatte von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der letzten Landtagssitzung erinnern. Es ging um die Cannabisfreigabe. In diesem Zusammenhang wurde gesagt, Schule müsse noch mehr Prävention in diesem Bereich leisten. Da habe ich einen Hals bekommen und gedacht: Die eine Partei gibt es frei und die Nächsten sollen dafür sorgen, dass Schule mehr Prävention in dieser Richtung betreibt. Es ist manchmal schon sehr grotesk, worüber wir hier diskutieren.
(Olaf Meister, GRÜNE: Es ist doch da! Das ist doch ignorant! - Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)
Auf das Thema zusätzliche Aufgaben bin ich an dieser Stelle schon mehrfach eingegangen, Herr Lippmann. Es ist das freie Recht eines Abgeordneten, Kleine Anfrage zu stellen; ich habe nichts dagegen. Es geht aber immer ganz tief in den Bereich der Schulen hinein. Wenn man abfragt, wie viele Stunden ausgefallen sind, wie viele Stunden vertreten wurden, von wem vertreten wurde, ob fachgerecht vertreten wurde, dann müssen Schulen dies alles selbst beantworten.
(Beifall bei der CDU - Zurufe von der Linken)
Was Sie den Schulen an Arbeit und Aufgaben oktroyieren
(Thomas Lippmann, Die Linke: Was ist denn das für ein Quatsch!)
Das weiß Schule mittlerweile genau: Das alles sind Täuschungen, die Sie vornehmen. Auf der einen Seite reden Sie von Entlastungen und auf der anderen Seite geben Sie den Schulen immer neue Aufgaben mit dem, was Sie alles wissen wollen. Das ist Ihr gutes Recht. Ich will das, wie gesagt, nicht in Abrede stellen, aber es ist viel Arbeit, die Schule an dieser Stelle erledigen muss.
Das Schulsterben beenden. Wenn sich einer von Ihnen wirklich einmal die Zeit nimmt und in den Entwurf eines Schulgesetzes, das Herr Lippmann bzw. die Fraktion Die Linke vorgelegt hat, schaut, dann stellen Sie fest, dass wir aufgrund der aufgezeigten Regelungen sehr viele Schule schließen müssten, und zwar erstens aufgrund der beiden bzw. der drei aufgezeigten Schulformen. Wir müssten viele Schulen schließen, anderswo anbauen. Wir müssten die gesamte Schullandschaft verändern.
Zweitens bedeuten Ihre Vorgaben, die man gut finden kann oder auch nicht, auch Folgendes: Wenn eine Schule, bspw. das Gymnasium, 50 Schüler in der gymnasialen Oberstufe hat, diese Anzahl im nächsten Jahr aber nicht, darf sie noch Schule betreiben. Wenn diese Schule diese Schüleranzahl im übernächsten Schuljahr aber nicht hat, muss sie geschlossen werden. Ich finde das sehr interessant. Wie nehmen uns damit jegliche Flexibilität.
Sie haben einen Antrag zum Schulsterben und zur Schulentwicklungsplanungsverordnung gestellt und schreiben derart restriktive Regelungen in Ihr Schulgesetz, sodass ich glaube, dass Sie das gesamte System überhaupt nicht verstanden haben.
(Beifall bei der CDU)
Die Aussage, dass wir Schulen beeinflussen wollten, finde ich interessant. Sie stehen für längeres gemeinsames Lernen. Das kann man machen. Wir haben eine vielfältige Schullandschaft. Wir haben Gemeinschaftsschulen, integrierte Gesamtschulen, Gymnasien und Sekundarschulen. Aufgrund der Vielfalt haben die Eltern tatsächlich eine Wahlmöglichkeit. Freie Schulen kommen noch hinzu.
Ich frage mich, wie Sie darauf kommen, zu sagen, dass wir irgendjemanden irgendwohin drängen würden. Unser kleines Bundesland verfügt über eine große Vielfalt, sodass es uns manchmal schwerfällt, diese Vielfalt aufrechtzuerhalten. Das ist keine Frage. Zu sagen, wir würden irgendjemanden irgendwohin drängen, ist natürlich nur Schaumschlägerei.
Ich will am Ende sagen - ich muss zu dem Punkt 3 b auch noch etwas sagen , dass es das, was Sie hier vorgetragen haben, Herr Lippmann, aus meiner Sicht nicht einmal wert ist, darüber im Bildungsausschuss zu diskutieren.
(Zustimmung von Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD)
Erstens kennen wir das alles, zweitens sind es wirklich alles alte Hüte und drittens werden wir demnächst ein Schulgesetz einbringen, zu dem Sie dann Änderungsanträge und Sonstiges vorlegen können.
(Zuruf von der Linken)
Über dieses echt schlecht gemachte Gesetz lohnt es tatsächlich nicht zu diskutieren.
Mein letzter Satz hierzu. Überall wird darüber geredet, Leistungen der Schülerinnen und Schüler mehr zu kontrollieren und evidenzbasierte Leistungserhebungen durchzuführen. Sie sagen: Zentrale Klassenarbeiten schaffen wir ab. Sie wollen überhaupt nichts mehr erheben. Wenn man, wie in Ihrem Schulgesetz vorgesehen, keine Noten mehr vergeben will,
(Monika Hohmann, Die Linke: Das wäre super!)
dann frage ich mich, welche Vergleichsmöglichkeiten es dann überhaupt noch gibt. Sie stellen sich hierhin und sagen, wie schlecht die Bundesrepublik Deutschland in der PISA-Studie abgeschnitten hat, aber im Rahmen der PISA-Studie kann dann nichts mehr erhoben werden. Es kann nichts mehr erhoben werden, weil eigentlich jeder machen kann, was er will. Das macht alles keinen Sinn. Darauf will ich jetzt gar nicht tiefer eingehen.
(Beifall bei der CDU)
Zum zweiten Teil. Ich bin sehr froh, dass wir mithilfe dieser Experimentierklausel die praxisorientierte duale und mit dem Vorbereitungsdienst verzahnte Lehramtsausbildung im Herbst beginnen können. Die Voraussetzungen dafür schafft das Schulgesetz.
Manchmal sieht ein einziger Satz sehr, sehr einfach aus, ist es aber nicht.
(Hendrik Lange, Die Linke: Zehn Monate!)
Das können Sie sehen, wie Sie wollen. Wir haben intensiv darüber beraten, was alles im Hintergrund stehen muss. Das ist etwas Neues und wir wollen natürlich keine Fehler machen. Wir sind die Ersten, die in dieser Richtung unterwegs sind. Ich freue mich sehr darüber, dass wir diese Experimentierklausel jetzt gemeinsam auf den Weg bringen können, damit die ersten Studenten im Herbst diesen Weg gehen können und das duale Studium aufnehmen können. - Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Es gibt zwei Nachfragen. Als Erster spricht Herr Gebhardt. - Herr Gebhardt, Sie haben das Wort. Bitte sehr.
Stefan Gebhardt (Die Linke):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Frau Ministerin, in der Online-Berichterstattung des „Mitteldeutschen Rundfunks“ ist heute ein Artikel über die Debatte im Kreistag Jerichower Land, bei der es um eine Schulfusion ging, zu lesen.
Daraus möchte ich einen Absatz vorlesen:
„Die einzige Fraktion, die einheitlich gegen die Fusion stimmte, war die CDU. So sagte etwa Ulrich von Wulffen, er sei es leid, sich von der Landesregierung erpressen zu lassen. Matthias Fickel von der CDU sagte, er wolle das Thema auch gegenüber seiner Parteikollegin und Bildungsministerin Eva Feußner ansprechen. Man könne nicht in Koalitionsverträge schreiben, dass der ländliche Raum gestärkt werden soll, um dann etwa ärztliche Versorgung und Bildung vor die Wand zu fahren.“
Frau Ministerin, was sagen Sie dazu - hierbei handelt es sich um Ihre Parteifreunde vor Ort , wie Ihre Bildungspolitik oder die Bildungspolitik der Koalition vor Ort bei Ihren Leuten ankommt? Sagen Sie auch Ihren Leuten, dass sie mit derartigen Zitaten und dem Schlechtreden der Bildungspolitik von Sachsen-Anhalt aufhören sollen?
Vizepräsident Wulf Gallert:
Sie können antworten.
Eva Feußner (Ministerin für Bildung):
Hierbei geht es erst einmal nicht um die Bildungspolitik, sondern hierbei geht es um Schulstandorte. Das ist etwas ganz anderes.
(Eva von Angern, Die Linke: Sie haben es auch als Beispiel benannt! - Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE - Unruhe bei der Linken)
- Wollen Sie es hören oder wollen Sie es nicht hören? - Ich kann es auch lassen und mich hinsetzen, wenn Sie dazwischenrufen.
(Eva von Angern, Die Linke: Sie kommentieren doch auch immer! - Weitere Zurufe von der Linken)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Frau Feußner, Sie könnten jetzt antworten.
Eva Feußner (Ministerin für Bildung):
Das ist nett. Danke schön, Herr Präsident.
Vizepräsident Wulf Gallert:
Ich will darauf hinweisen, dass Sie die Ausführungen von Herrn Lippmann mehrfach von hinten kommentiert haben, was von der Regierungsbank aus eigentlich eher unüblich ist.
(Beifall bei der Linken)
Eva Feußner (Ministerin für Bildung):
Ich habe das kommentiert, was er in seiner Rede gesagt hat. Ich bin doch jetzt die Rednerin.
Vizepräsident Wulf Gallert:
Ich wollte nur sagen, dass auch andere Redner damit zu tun haben, dass man ihnen ins Wort fällt. Jetzt haben Sie das Wort und können darauf zu antworten. Bitte sehr.
Ich würde den anderen auch empfehlen, sich zu beruhigen. - Bitte, Sie haben das Wort.
Eva Feußner (Ministerin für Bildung):
Das wird vor Ort immer sehr emotional begleitet und das ist auch jedermanns Recht. Wir verbieten doch niemandem das Wort, auch in unserer eigenen Partei nicht. Wir sind eine demokratische Partei.
(Zuruf von der AfD)
Jeder kann sich, und zwar auch in der Kommunalpolitik, äußern, wie er es für richtig hält.
Wenn jemand Kritik an meiner Person oder am Ministerium übt, dann ist das legitim. Das machen Sie ständig. Sie sagen nie etwas was Gutes, aber das müssen Sie als Opposition auch nicht.
Wenn es nach Ihrem Schulgesetz ginge, dann wären diese beiden Schulen schon lange geschlossen. Wir haben über eine flexible Möglichkeit der Fusion die Möglichkeit geschaffen, beide Standorte zu erhalten. Das ist, glaube ich, der Unterschied zu Ihrem Schulgesetz. Wir sind wesentlich flexibler und suchen gemeinsam nach Lösungen.
Dass damit der eine oder andere, und zwar egal welcher Partei diese Person angehört, nicht einverstanden ist, ist, glaube ich, sogar legitim. Das darf so sein. Sie müssen nicht alles mittragen, was in der Landespolitik und in der Bundespolitik entschieden wird. Das ist das Prinzip der Demokratie und das muss man eben auch verstehen.
Vizepräsident Wulf Gallert:
Kurze Nachfrage, Herr Gebhardt.
Stefan Gebhardt (Die Linke):
Eine Korrektur. Es ging nicht um den einen oder den anderen, sondern es ging um die komplette CDU-Fraktion, die sich so geäußert und so abgestimmt hat.
(Zuruf von Tobias Rausch, AfD)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Wollen Sie darauf reagieren?
Eva Feußner (Ministerin für Bildung):
Ich sage es noch einmal. Wir sind keine Einheitspartei wie andere. Wir sind eine demokratische Partei.
(Beifall bei der CDU - Lachen bei der Linken)
Was soll ich dazu sagen?
Vizepräsident Wulf Gallert:
Frau Hohmann, bitte sehr.
Monika Hohmann (Die Linke):
Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich habe eine ganz kurze Nachfrage. Sie hatten im Hohen Haus schon mehrfach geäußert, dass Sie ein neues Schulgesetz planen. Das hören wir mittlerweile seit mehr als einem Jahr. Deshalb meine Frage: Wann können wir denn damit rechnen, dass das neue Schulgesetz aus Ihrem Hause kommt?
Eva Feußner (Ministerin für Bildung):
Derzeit findet die Abstimmung zwischen den Häusern statt. Im Mai findet leider keine Landtagssitzung statt. Ich gehe davon aus, dass wir das Schulgesetz im Juni in den Landtag einbringen.