Rüdiger Erben (SPD):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst an die Antragsteller von der AfD-Fraktion: Ihnen geht es doch nicht ernsthaft um Details im Landeswaldgesetz, im Kommunalwahlgesetz und in den entsprechenden Wahlordnungen. Ihnen geht es einzig und allein darum, die Briefwahl zu diskreditieren - um nichts anderes geht es Ihnen -, weil Ihnen das Wahlverhalten der Briefwähler nicht gefällt; man muss doch überhaupt nicht darum herumreden. Es gibt ganze Bevölkerungsgruppen, für die die Briefwahl - dies ist bereits von mehreren Rednerinnen und Rednern herausgearbeitet worden - überhaupt die Voraussetzung ist, an einer demokratischen Wahl teilnehmen zu können.

(Zuruf von der AfD)

Ich könnte Sie jetzt - erstens - mit den Argumenten Ihres ehemaligen Justiziars - ich glaube, er ist nicht mehr in Ihren Diensten - als Landratskandidat im Burgenlandkreis auf öffentlichen Veranstaltungen konfrontieren und damit, welche Argumente er - er war auch juristischer Berater im „Stendal“-PUA - noch ins Feld geführt hat, z. B., dass der Großvater die Großmutter am Küchentisch beeinflussen würde, wen sie denn nicht zu wählen habe; denn die Großmutter würde ja vielleicht ihn wählen, hat aber Angst vor dem Großvater. Mit solchen aberwitzigen Argumenten wurde da hantiert und wurde die Briefwahl in Misskredit gebracht.

(Zurufe)

Zweitens. Sie haben gerade etwas von Stimmzetteln erzählt. Was können Sie denn manipulativ mit einem gestohlenen Stimmzettel anfangen? Erklären Sie mir einmal, was Sie mit einem gestohlenen Stimmzettel anfangen können. Damit können Sie überhaupt nichts anfangen, denn Sie brauchen für die Briefwahl außerdem noch den Wahlschein mit einer Wahlscheinnummer. Der gestohlene Stimmzettel, der irgendwo abgezweigt worden ist, ist nichts mehr als Altpapier. Mit dem können Sie nichts, aber auch überhaupt nichts anfangen. Das nährt meine These vom Beginn, dass es Ihnen nämlich überhaupt nicht um die Auseinandersetzung mit den Details im Wahlrecht geht, sondern einzig und allein darum, die Briefwahl - und damit auch die Wahl als solche - in Misskredit zu bringen.

Was die Abläufe bei der Briefwahl betrifft: Sie haben bei Ihrer Forderung völlig außer Acht gelassen, dass die Masse der Briefwahlstimmen nicht dadurch eingeht, dass jemand zum Einwohnermeldeamt kommt, dort wählt und seinen Stimmschein in die Urne wirft, sondern dass sie durch die Post zugestellt werden, in den Rathausbriefkasten geworfen werden oder anderweitig bei der Behörde eingehen. Dafür haben Sie auch keine Lösung, und mit versiegelten Wahlurnen bekommen Sie das nun einmal nicht hin.

Zur Bekanntmachungsvorschrift hat Frau Ministerin schon etwas gesagt. Stendal hat gezeigt: Sie können Vorschriften schaffen, so viel Sie wollen. Wenn Menschen mit hoher krimineller Energie unterwegs sind, können Sie Wahlfälschung - wie auch viele andere Straftaten - nicht gänzlich verhindern. Das bekommen Sie nicht hin, und das ist auch im Untersuchungsausschuss hier im Hohen Hause ausreichend herausgearbeitet worden.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank. - Herr Abg. Erben, sind Sie bereit, eine Nachfrage von Herrn Dr. Tillschneider zu beantworten?


Rüdiger Erben (SPD):

Ja.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Dr. Tillschneider, Sie haben das Wort.


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):

Ich will klarstellen, dass wir mit unserer Skepsis gegenüber der Briefwahl in bester Gesellschaft sind.


Rüdiger Erben (SPD):

Ja, Donald Trump.

(Lachen)


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):

Nein, nicht Donald Trump, sondern das Bundesverfassungsgericht. Wenn Sie nämlich die Urteile lesen würden, die sich im Laufe der Jahre zur Briefwahl angesammelt haben, dann stellen Sie fest, dass unser höchstes Gericht noch immer an dem Leitbild der Urnenwahl festhält und die Einwände gegen die Briefwahl gelten lässt. In der Briefwahl sind wesentliche Wahlgrundsätze gefährdet, und zwar die Geheimheit der Wahl und die Freiheit der Wahl. Das Gericht öffnet sich zwar immer mehr der Briefwahl, aber trotzdem sieht es noch, dass die Briefwahl Gefahren birgt, und hält daher am Leitbild der Urnenwahl fest.

Es gab eine Entscheidung, die ich für sehr interessant halte. Und zwar hat man im Jahr 2008 oder 2009 das Erfordernis, zu begründen, weshalb man per Brief wählen will, abgeschafft. Jetzt haben wir de facto Wahlfreiheit, man muss nicht mehr nachweisen, dass man an seine Wohnung gefesselt ist oder Ähnliches; man kann sich entscheiden. Das ist doch wohl wirklich fragwürdig.

Der Standpunkt der AfD ist: Wer wirklich die Briefwahl braucht, der soll auch per Brief wählen, aber zurzeit haben wir sozusagen     


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Und jetzt kommt die Frage.


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):

- Gleich kommt die Frage. - Sie wollen, dass die Leute per Brief wählen. Das war Ihre Wahlwerbung; das war Ihre Propaganda. Wählt per Brief! Ich frage Sie: Welches Interesse haben Sie daran, dass diese problematische Wahlform immer mehr zunimmt und freiwillig gewählt wird, obwohl man nicht darauf angewiesen ist?

(Zuruf: Das ist keine problematische Wahlform!)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Erben.


Rüdiger Erben (SPD):

Auf die Frage will ich gern antworten. Wir haben zur Briefwahl aufgefordert während einer Pandemie. Sie halten das, wie Sie uns gestern gesagt haben, für eine harmlose Erkältung oder eine Grippe, wenn ich das richtig in Erinnerung habe. Viele Wählerinnen und Wähler fürchten sich berechtigterweise vor Infektionen. Deswegen wären weitere Wählerinnen und Wähler daran gehindert gewesen, in einem Wahllokal ihre Stimme abzugeben. Daher ist es nur legitim, dass zur Briefwahl aufgefordert wird und dass insbesondere diejenigen zur Briefwahl aufgefordert werden, die ansonsten an der demokratischen Wahl vielleicht gar nicht teilgenommen hätten. Das ist aus meiner Sicht ein völlig normaler Vorgang.

(Zustimmung)