Dr. Andreas Schmidt (SPD): 

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe lange überlegt, wie ich in dieser Debatte reden kann, ohne alle hier im Haus zu ärgern. Es wird nicht funktionieren - nicht, wenn ich das sage, was ich denke und sagen will. 

Ich fange also gleich einmal damit an. - Lieber Kollege Gallert, Sie erleben hier möglicherweise einen tapferen Sozialdemokraten. Das liegt ja immer im Auge des Betrachters. 

(Lachen bei der AfD - Stefan Ruland, CDU, und Guido Kosmehl, FDP, lachen)

Aber den tapferen Sozialdemokraten aus dem Buche Gregor erleben Sie heute nicht, sondern einen tapferen Sozialdemokraten, der sich schon bei Oskar Lafontaines Reden an den Kopf gefasst hat - und zwar verständnislos, als dieser noch Vorsitzender der SPD war.

(Rüdiger Erben, SPD, und Olaf Meister, GRÜNE, lachen)

Er war eine Zeit lang auch ein Prophet, dessen Bücher gleich neben denen des Propheten Gregor standen.

(Wulf Gallert, DIE LINKE: Es geht den Menschen wie den Leuten, Herr Schmidt!)

Schuldenbremsendebatten, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind Wannenbaddebatten. Man fühlt sich im warmen Wasser der eigenen Wahrnehmung wohl.

(Zuruf von Daniel Roi, AfD)

Man bestätigt sich, der wahre Anwalt der künftigen Generation zu sein und den Schlüssel zur Lösung der Probleme von heute im Dienst des Morgen zu haben. Man bestätigt der anderen Seite in der anderen Wanne, dass sie völlig verantwortungslos und uneinsichtig sei und deren Schaumbad nur Seifenblasen.

(Stefan Ruland, CDU: In welcher Wanne sitzen Sie?)

Wie wir der Zwischenfrage des Kollegen Scharfenort entnommen haben, kann das Wannenbad, was den Fachverstand betrifft, gelegentlich auch eine Espressotasse sein.

(Lachen und Zustimmung bei der SPD - Guido Kosmehl, FDP, lacht)

Ein gutes Gefühl, liebe Kolleginnen und Kollegen: Das Wasser ist weich. Denn mit dieser Debatte sind keine Zumutungen an diejenigen verbunden, deren Probleme gelöst werden sollten, nämlich die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Ich zitiere:

„Wie unsinnig die Schuldenbremse ist, zeigt sich daran, dass sich keine andere große Volkswirtschaft in eine solche fiskalische Zwangsjacke gesteckt hat. Wir sind hier die Geisterfahrer.“ 

Peter Bofinger.

Ich zitiere weiter:

„Die Schuldenbremse abzuschaffen, wäre eine fatale Lösung. Dann würden wir den nachfolgenden Generationen auch fiskalisch noch einen Scherbenhaufen hinterlassen.“ 

Friedrich Heinemann.

Es geht noch blumiger, als die zwei Ökonomen-Leitwölfe der beiden Seiten das hier vorheulen. Die einen erklären, wenn jetzt nicht die Mittel für die Zukunftsinvestitionen durch Schulden bereitgestellt würden, dann ginge alles verloren. Die anderen reden von Haushaltsdisziplin und darüber, dass wir kein Einnahmeproblem hätten und die Steuereinnahmen doch stiegen.

(Zustimmung bei der FDP - Stefan Ruland, CDU, zustimmend: Stimmt!)

Das ist alles sehr bequem und wird offenbar vielen nie langweilig. Deswegen führen wir alle drei Monate diese Debatten. Das ist auch immer sehr abstrakt. Vielleicht gerade deshalb wird dann, wenn diese Debatten nicht geführt werden, in den drei Monaten zwischendurch immer etwas ganz anderes getan. Auf der einen Seite lässt praktische Politik in Bund und Ländern seit Jahrzehnten Investitionsstau bei öffentlicher Infrastruktur eintreten und finanziert bestehende Aufgaben geradezu systematisch nicht aus. Hier in diesem Haus reden wir regelmäßig darüber. Auf der anderen Seite sorgen viele Instrumente sorgen, dass wir jenseits der Schuldenbremse eben doch Schulden machen, um wenigstens mit den dringenden Themen zurande zu kommen, vor allem in Krisen und Notlagen. Das haben auch wir hier in Sachsen-Anhalt schon getan.

Würde es nicht von der Sehnsucht nach dem schönen Gefühl der Selbstgerechtigkeit beheizt, würde das schöne Wasser in der Badewanne im kalten Wind der Realität samt der Kurpackung und den Badeperlen zu sehr unangenehmem Eis erfrieren.

(Jan Scharfenort, AfD: Sie sollten Dichter werden und kein Finanzpolitiker!)

Die Realität ist: Die öffentlichen Hände in Deutschland sind unterfinanziert. Ich zähle für Sachsen-Anhalt einmal auf, was wir alle wissen. Wir haben bei Gemeindestraßen, Kreisstraßen und Landesstraßen einen Investitionsstau von mehr als 1 Milliarde €. Im Schulbau sind es ungefähr 500 Millionen €, wenn wir annehmen, dass die Kommunen die andere Hälfte zur Bewältigung des Investitionsstaus aufbringen. Wollten wir die Schulen barrierefrei ausbauen, wäre es eine weitere Milliarde. Die Kosten für die energetische Sanierung aller Verwaltungsgebäude des Landes - eines Tages müssen wir das tun - werden auf ungefähr 3 Milliarden € geschätzt, bei den heutigen Preisen. Der reine Investitionsstau im Ressortbau des Landes ist nicht ermittelt worden. Ich schätze dessen Umfang auf 2 Milliarden € über das hinaus, was heute im Einzelplan 20 und in der IPS abgebildet ist. Der Finanzminister weiß es vielleicht genauer. Ich ahne, die Summe ist sogar noch höher. Bei den Uniklinika steht freundlich geschätzt ein Investitionsbedarf in Höhe von 1,5 Milliarden € aus. Hat jemand mitgerechnet? 

(Thomas Staudt, CDU: Nein!)

Das sind 10 Milliarden €. Aufgeteilt auf die nächsten zehn Jahreshaushalte wäre das eine Belastung in Höhe von mehr als 1 Milliarde € pro Jahr - nur für den Kern öffentlicher Investitionstätigkeit des Landes. Dabei ist über die Förderung von Bussen und Straßenbahnen, die Nahverkehrsbahnhofssanierung, den Bau von Studentenwohnheimen, Abrisshilfen für kommunale Wohnungsgesellschaften mit hohem Leerstand, die Infrastruktur rund um die Großansiedlung oder unsere Burgen und Schlösser - der Minister, der dafür zuständig ist, ist gerade nicht zugegen - noch nicht geredet worden. 

Weg von Investitionen. Der gegenwärtige Bestand unserer Bestellungen im Schienenpersonennahverkehr wird uns in den kommenden Jahren einen dreistelligen Millionenbetrag mehr kosten, und zwar pro Jahr. Die Kosten für die Eingliederungshilfe steigen pro Jahr um hohe zweistellige Millionenbeträge. Der Tarifabschluss für das Landespersonal schlägt mit 500 Millionen € Mehrkosten im kommenden Jahr zu Buche. Die Kosten, um die indirekten und direkten Folgen des Klimawandels mit Artenschutz, Klimaschutz, Hochwasserschutz zu bewältigen, sind bereits vorhanden und werden perspektivisch weiter steigen. Ein modernes, digitales Bildungssystem mit inklusiver Beschulung sowie verstetigter, zielgerichteter Schulsozialarbeit wird auch in Zukunft nicht umsonst zu haben sein. Auch hierzu führen wir regelmäßig Debatten, in denen wir sagen, dass wir diesbezüglich sehr dringend etwas tun müssen. Wir haben in diesem Jahr bei dem kommunalen Finanzausgleich 250 Millionen € draufgelegt. Gleichwohl treffe ich nur arme Bürgermeister; von Landräten gar nicht zu reden.

Die Liste der Beispiele ist lang. Nehmen wir einmal an, es geht bei den Jahreskosten um eine weitere Milliarde Euro an versteckten oder offengelegten Fehlbeträgen für den Landeshaushalt. Dahinter steht übrigens nicht Luxus. Alle Beispiele, die ich vorgelesen habe, handeln von Kostensteigerungen ohne Leistungsausweitung, nur indem wir sagen: Wir schaffen das, was wir bisher leisten, in der Qualität weiter.

Wer glaubt, dass das Ausfinanzieren mit etwas Haushaltsdisziplin zu lösen wäre, der darf sich von seinem alten Mathelehrer - an dieser Stelle hatte ich gehofft, der Präsident sitzt noch hinter mir - eine Schelle abholen.

(Lachen und Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP - Stefan Ruland, CDU, lachend: Eine Schelle! - Guido Kosmehl, FDP: Der ist gut!)

Die Debatte, liebe Kolleginnen und Kollegen, über die Notwendigkeit der Finanzierung öffentlicher Ausgaben ist berechtigt. Das gilt auch außerhalb von Notlagen, Konjunkturdellen und dergleichen. Meine Partei hat sich im Ergebnis einer Debatte, die im letzten Jahr stattgefunden hat, für eine Reform der Schuldenbremse ausgesprochen, die Schulden für Investitionen zuließe. Das bedeutet - damit keine Gerüchte entstehen - nicht eine unkonditionierte Aufhebung der Schuldenbremse, sondern eine konditionierte.

Ich bin zugegebenermaßen kein Freund des Weges zur Lösung dieses Problems, auch nicht des Investitionsproblems. Ich wiederhole, was ich von diesem Platz aus schon gesagt habe: Schulden machen bedeutet nichts anderes, als dass eine Generation von Politikern in der Gegenwart den Mut nicht aufbringt, die Steuern einzunehmen, die sie für die Erfüllung der Aufgaben von heute für morgen braucht, um gleichzeitig fest daran zu glauben, dass eine spätere Generation von Politikern den Mut aufbringen wird, die Steuern zu nehmen, um die Aufgaben von dann gestern zu erfüllen und auch noch die gegenwärtigen dann dieser Politikergeneration. Das empfinde ich schon als eine beträchtliche Erwartung und eine ziemliche Zumutung gegenüber der nächsten Generation. 

(Ulrich Siegmund, AfD: Sie haben doch selbst Schulden aufgenommen!)

Ich wiederhole es aus diesem Grund und werde nicht müde, das zu tun, weil es wahr ist: Wir alle sind aufgerufen, aus der Komfortzone herauszukommen und den Leuten ehrlich zu sagen, dass Umfang und Qualität des öffentlichen Dienstes in Deutschland in der gegenwärtigen Steuerkulisse nicht dauerhaft zu finanzieren sind, dass das Gerede von der höchsten Einkommensteuer der Welt Unfug ist und dass der Bund der Steuerzahler - in Wirklichkeit ein Bund der Steuervermeider - mit seinen Ablenkungsmanövern nur den einzigen Zweck verfolgt,

(Zustimmung von Juliane Kleemann, SPD)

eine Schonung der Großverdiener zu organisieren, die längst nicht das beitragen, was sie beitragen müssten.

(Zustimmung bei der SPD - Oh! bei der AfD und bei der FDP)

Wir sind aufgerufen, darüber zu diskutieren, wie es sein kann, dass die Erhöhungen von Rentenbeiträgen klaglos hingenommen werden, während eine anständige Kapitalbesteuerung derartiges Teufelszeug zu sein scheint, dass sie nicht einmal besprochen werden darf, ohne dass unverzüglich die komplette deutsche Wirtschaft untergeht, nachdem irgendein Arbeitgeber-Heini das verkündet hat und wir das alle zu glauben haben.

(Zuruf von Eva von Angern, DIE LINKE)

Nun habe ich über die Frage gesprochen, über die die Fraktion DIE LINKE eigentlich sprechen wollte, nämlich über die Aufhebung der Schuldenbremse an sich. Der Antrag ist ja nur, damit das auch gesagt ist, ein Stellvertreterantrag.

Zum formalen Antragsgegenstand. Die Wirtschaftsweisen haben ganz kluge Ideen gehabt, die in wirtschaftswissenschaftlichen und juristischen Seminarräumen sicherlich hoch beglückend besprochen werden können und die im Prinzip alle nicht falsch sind, was die Ausgestaltung der Schuldenbremse betrifft, die sich für eine praktische Umsetzung im Grundgesetz allerdings nicht eignen. Der Bundesfinanzminister hat dazu gesagt, dass man das Grundgesetz und die Logik der Regelung nicht wie eine Taschenlampe so an- und ausschalten kann, wie man das braucht. Vor allem gehen sie aber am eigentlichen Problem der Unterfinanzierung der Republik vorbei. Anders gesagt: Eine Bremse aus Gusseisen mag starr und spröde sein, aber wenn die schicke achtstufige aus Kohlefaser weder an die Achse noch in den Radkasten passt, dann ist die gusseiserne besser. Ich mag Gusseisen. 

Das wissen die wirtschaftsweisen Kolleginnen und Kollegen auch. Deren Intervention hat eine einzige Funktion, nämlich die Lockerung der Schuldenbremse, über die man dann nicht redet, vorzubereiten. Falls Friedrich Merz das Kanzleramt erobern sollte - ich glaube das ja nicht - 

(Rüdiger Erben, SPD, lacht - Stefan Ruland, CDU: Das ist auch gar nicht wichtig!)

wird und muss er nämlich genau das tun: für eine Lockerung der Schuldenbremse sorgen, ohne darüber zu reden; denn auch er will nicht über Steuererhöhungen sprechen. Ich kann die Kolleginnen und Kollegen von der CDU also nur davor warnen, bei diesem Thema zu hoch auf den Baum zu klettern.

(Zuruf von Eva von Angern, DIE LINKE)

Der Tag könnte kommen und ein gewisses Restrisiko besteht, dass Sie den kompletten Weg wieder herunterklettern müssen.

Wir müssen Probleme lösen. Das von den Wirtschaftsweisen aufgeworfene Problem ist dabei eher ein randständiges. Das vom Bundesverfassungsgericht aufgeworfene - darüber haben wir auch schon debattiert - ist relevant für Notlagen, weil die Grundgesetzregelung an der Stelle nicht ausreichend ist. Das vom Leben aufgeworfene Problem der Unterfinanzierung der öffentlichen Hände in Deutschland ist entscheidend, und zwar immer. Wir werden das im Ausschuss debattieren. Deswegen beantrage ich namens der Koalition die Überweisung des Antrages in den Finanzausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Vielen Dank, Herr Dr. Schmitt. Es gibt zwei Fragen, wenn Sie diese zulassen,


Dr. Andreas Schmidt (SPD): 

Selbstverständlich. 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

zum einen von Herrn Heuer und zum anderen von Herrn Kosmehl. Herr Heuer hat sich zuerst gemeldet. 


Guido Heuer (CDU): 

Sehr geehrter Kollege Dr. Schmidt, und täglich grüßt das Murmeltier uns beide, schon im Finanzausschuss. Aber jetzt sprachen Sie von einem Investitionsstau in Höhe von 10 Milliarden €, von 1 Milliarde € an versteckten Kosten. Wir haben Schulden in Höhe von 23 Milliarden €. Das ergibt zusammen zukünftig 34 Milliarden €. Rechnen wir 3 % Zinsen mit ein, sind das 1,02 Milliarden € an Zinslast per anno.

Damit hätten wir Ihre Milliarde, die Sie jetzt per Schulden finanzieren wollen. Wenn wir keine Schulden hätten, dann hätten wir sie jetzt schon zur Verfügung. Wir hätten einen Großteil davon schon in der Vergangenheit zur Verfügung gehabt

(Ulrich Siegmund, AfD: Aha!)

und deutlich mehr Spielraum. Ich will dabei gar nicht über die perspektivischen Personalkosten in Höhe von 5 Milliarden € reden. Über all das will ich gar nicht reden. Aber da Sie sagten, wir holen uns eine Schelle vom Mathelehrer ab: Diese gebe ich Ihnen gern zurück.

(Lachen bei der CDU)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Dr. Schmidt.


Dr. Andreas Schmidt (SPD): 

Na ja, was soll ich jetzt antworten, lieber Kollege Heuer? 

(Oliver Kirchner, AfD: Gar nichts! - Dr. Jan Moldenhauer, AfD: Am besten gar nichts!)

Wenn in den 90ern die späte Regierung Kohl den Mut der frühen Regierung Kohl aus den 80ern gehabt hätte, 

(Zuruf: Ja! - Zuruf von Guido Heuer, CDU)

Steuern zu nehmen, und nicht eine große Verschenkermentalität - und zwar immer oben - eingesetzt hätte, 

(Guido Kosmehl, FDP: Wer hat die Steuern gesenkt in den 90ern? - Daniel Roi, AfD: Schönes Schauspiel! - Guido Kosmehl, FDP: Wer hat die Steuern gesenkt in den 90ern? - Weitere Zurufe)

dann hätten die neuen Länder die hohen Schulden möglicherweise gar nicht gebraucht. Aber das ist eine Debatte aus der Vergangenheit.

Ich habe es ja gar nicht mit den Propheten des Schuldenmachens. Ich halte es mit Alex Möller, dem ersten sozialdemokratischen Finanzminister der Bundesrepublik - er war vor dem Krieg übrigens ein Hallescher Sozialdemokrat gewesen, bevor er ein baden-württembergischer Sozialdemokrat wurde  , und sage: Wir müssen heute die Steuern nehmen, die wir tatsächlich auch brauchen. 

Ich nenne jetzt einmal ein Beispiel. Bei der Einkommensteuer langen wir kalt lächelnd mit einem Steuersatz von bis zu 42 % zu - oben bei 100 000 € Einkommen. Bei der Kapitalertragsteuer ist man mit 25 % raus - egal, ob es um 3,50 € für das Sparbuch geht oder ob man zwölf Häuser in Frankfurt am Main hat. 

(Eva von Angern, DIE LINKE: Ja, das ist doch ungerecht! - Stefan Gebhardt, DIE LINKE: Ja!)

Das ist doch irre. 

(Zustimmung bei der SPD)

Das ist doch eine Steuerregelung, die doch kein Mensch für normal halten kann - außer man ist im Bund der Steuervermeider. 

(Wulf Gallert, DIE LINKE: Wer hat es erfunden? - Gerhard Schröder!)

Ich lade Sie gern dazu ein, an dieser Stelle über Steuerpolitik zu reden. Dann müssen wir uns über Schulden keine Sorgen machen. 

(Eva von Angern, DIE LINKE: Sie könnten das ändern!)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Jetzt kommt Herr Kosmehl an die Reihe, der sich nämlich auch für eine Nachfrage gemeldet hat. 


Guido Kosmehl (FDP):

Wir machen einen kleinen Geschichtsrückblick, also nicht jetzt bei der Frage. Aber das können wir einmal machen und die Frage stellen, wer in den 1990er-Jahren den Spitzensteuersatz gesenkt hat. 

(Eva von Angern, DIE LINKE: Wer hat mitgemacht?)

Aber ich würde Sie gern einmal etwas fragen, weil Sie immer so ein bisschen behaupten, dass Deutschland kein Einnahmeproblem hätte bzw. - andersherum gesagt - dass Deutschland nicht genügend Steuern einnehmen würde, um das zu bezahlen, was es will. Laut der aktuellen Steuerschätzung werden dem Bund, den Ländern und den Gemeinden im Jahr 2025 mehr als 1 000 Milliarden € Steuereinnahmen, so viel Steuereinnahmen wie noch nie, zur Verfügung stehen. 

(Wulf Gallert, DIE LINKE: Ja, das ist bei einer Inflation so!)

Warum wollen Sie für konsumtive Ausgaben noch weitere Schulden machen? 

(Holger Hövelmann, SPD: Das will er doch gar nicht machen!)

Zu investiven Ausgaben haben Sie ausgeführt. Aber es verbleibt trotzdem noch die 1 Milliarde €, die Sie an konsumtiven Ausgaben für den Landeshaushalt berechnet haben. Die müssen wir auch noch finanzieren. Die muss irgendwo herkommen. 

Vielleicht können Sie mir noch einmal erklären, warum man nicht wie jeder von uns zu Hause mit einem bestimmten Einkommen auskommen muss. Wenn man sich irgendetwas dauerhaft anschaffen möchte, dann muss man dafür sparen. Man kann nicht immer zur Bank gehen und Kredite aufnehmen. Das muss man ja zurückzahlen. 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Dr. Schmidt.


Dr. Andreas Schmidt (SPD):

Noch einmal: Meine Partei ist dafür, für Investitionen Steuern zu machen. Der Finanzpolitiker Andreas Schmidt ist dafür, überhaupt keine Schulden zu machen, sondern heute über die Finanzierung der öffentlichen Aufgaben mithilfe von Steuern zu reden. Damit das im Protokoll steht und nicht so verwischt ist. 

Nun sprechen wir über 1 000 Milliarden € Steuereinnahmen - eine beeindruckende Zahl. Diese wächst jedes Jahr um ein paar Prozent. Das hört sofort auf, beeindruckend zu sein, wenn wir wissen, dass die Ausgaben auch wachsen, und zwar auch um ein paar Prozent, und zwar ohne, dass irgendeine öffentliche Leistung ausgeweitet wird, weil die Dinge nämlich teurer werden. 

(Guido Heuer, CDU: Was ist mit Bürgergeld? - Stefan Ruland, CDU: Kindergrundsicherung und der ganze Quatsch!)

Der Umstand, dass unsere Bediensteten nach einem Tarifabschluss mehr kosten, weitet die Leistung der öffentlichen Hand in Sachsen-Anhalt nicht aus. Sie haben einfach einen Anspruch darauf, dass sie einen Verdienstzuwachs haben. Sie wünschen sich das mindestens in Höhe der Inflation. Und das ist berechtigt. Das mit den Tarifen ist übrigens eine Sache, die wir Sozialdemokraten erfunden haben. Damals gab es die Freien Demokraten noch gar nicht. 

(Guido Kosmehl, FDP: Wer hat es erfunden?)

Wenn ich das habe, müssen die Steuereinnahmen wachsen; denn ich muss dann jedes Jahr mehr Geld haben, ohne dass ich die Leistung ausweite - nur aufgrund dieser Tatsache. 

(Zuruf von Stefan Ruland, CDU)

Die Steuereinnahmen wachsen übrigens tatsächlich jedes Jahr, nämlich wenn die Wirtschaft wächst. 

(Guido Kosmehl, FDP: Ja!)

Das setzt übrigens voraus, dass in diesem Land soziale Sicherheit und gesellschaftlicher Frieden herrschen. Deswegen investieren wir dort hinein, damit die Wirtschaft wächst. Wenn wir aber diese Argumentation akzeptieren, dann müssen wir einmal aufhören, immer so zu tun, als wäre der Euro in jedem Jahr das Gleiche wert oder als wäre er so viel wert wie vor 300 Jahren der Goldtaler. Das ist er nämlich nicht. Dass das nicht so ist, habe ich schon als junger Stadtrat beim halleschen Haushalt gelernt. Dann müssen wir aber auch aufhören, das Märchen zu erzählen, dass ständig wachsende Steuereinnahmen für ständig größere Spielräume sorgen. Das tun sie nicht. 

(Guido Kosmehl, FDP: Doch!)

Im Gegenteil: Die Spielräume werden kleiner. Wir werden auch in diesem Jahr beim Erstellen eines Landeshaushaltes zusammensitzen und feststellen, dass die Spielräume uns gewaltig in den Hintern beißen werden.