Stefan Gebhardt (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit Jahren haben wir in regelmäßigen Abständen aufgeregte Debatten um den Rundfunkbeitrag, wie auch jetzt wieder, wenn es, wie von der KEF vorgeschlagen, um Erhöhungen im Centbereich geht. Ich würde mir einmal wünschen, dass Debatten mit einer solchen Vehemenz geführt werden, wenn es bspw. um Kita-Beiträge, um kostenfreie Bildung, kostenfreies Schulessen usw. geht.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN - Ulrich Siegmund, AfD: Habt ihr doch abgelehnt! Zweimal!)

Dann ist es allerdings sehr still in der CDU-Fraktion, was ich ausdrücklich bedauere. 

Aber jetzt haben wir eine Aktuelle Debatte, angeregt von der CDU-Fraktion. Erstaunlich ist allerdings auch die Begründung zum Antrag der Aktuellen Debatte. Begründet wird es damit, dass - Kollege Markus Kurze hat darauf in seinem Redebeitrag abgestellt  , eine repräsentative Umfrage ergeben hat, dass 92 % gegen eine Beitragserhöhung sind. Ich schlage vor, machen Sie einmal mit den gleichen Leuten eine Umfrage zur Diätenerhöhung. Ich bin gespannt, ob Sie zu dem Ergebnis dann auch eine Aktuelle Debatte beantragen.

(Beifall bei der LINKEN - Hendrik Lange, DIE LINKE: Empörung bei der CDU!)

Aber mal ernsthaft. Ich gebe der CDU recht, wenn sie sagt, wir hätten aktuell schlechtere bzw. sinkende Werte, was das Vertrauen in unseren öffentlich-rechtlichen Rundfunk betrifft, und auch was die Bereitschaft betrifft, dafür jeden Monat mehr als 18 € zu zahlen. Vor allem haben die zahlreichen Skandale dazu beigetragen. Denn sie haben natürlich das Bild des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der zurückliegenden Zeit geprägt. Natürlich hat die gesamte Geschichte beim RBB Vertrauen beschädigt und auch zerstört.

Dennoch sage ich klar und deutlich: Ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist für eine Demokratie unerlässlich. Er soll die Rundfunkfreiheit und damit die Medien- und Pressefreiheit garantieren. Er soll staatsfern und marktunabhängig sein und unterliegt einem klaren gesetzlichen Auftrag. Deshalb stehen wir als LINKE auch klar zur Existenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland.

(Beifall bei der LINKEN - Guido Kosmehl, FDP: Auch des RBB!)

Aber wie nun weiter mit der aktuellen Beitragsdebatte? Die Erfahrungen vom letzten Mal, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollten eigentlich uns allen eine Lehre sein. Denn unterm Strich kam außer Getöse und noch mehr Kosten für die Allgemeinheit nichts dabei heraus.

Zur Erinnerung: Der Ministerpräsident hat damals den Gesetzentwurf nicht in den Landtag eingebracht; das parlamentarische Verfahren ist seinerzeit ausgeblieben. Daher gab es auch keine Zustimmung zum Beitragsstaatsvertrag, zumindest nicht im Landtag von Sachsen-Anhalt. Aber die Beitragserhöhung kam trotzdem, und zwar aufgrund einer klaren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Glauben jetzt ernsthaft alle, dass man mit dieser Nummer noch einmal durchkommt?

Auch wenn der Ministerpräsident oder sogar mehrere Ministerpräsidenten den Staatsvertrag nicht unterzeichnen und es kein parlamentarischen Verfahren gibt, werden die Anstalten wieder vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Weshalb sollte es diesmal anders ausgehen als beim letzten Mal, noch dazu, wo die KEF in ihrer Bewertung sehr klar war?

Herr Kollege Kosmehl, Sie waren Zeuge, als der Intendant des MDR Herr Ludwig in der letzten öffentlichen Debatte im Rundfunkrat zum KEF-Bericht ausgeführt hat. Auf die Nachfrage aus dem Rundfunkrat hin sagte er sehr deutlich: Ja, wenn es keine Beitragserhöhung durch die Politik gibt, habe ich gar keine andere Chance, als nach Karlsruhe zu gehen.

Die Ankündigung hat er sehr klar ausgesprochen. Das sind die Tatsachen; nach denen müssen wir uns richten. Es gibt - das wissen wir - kaum Abweichmöglichkeiten; diese gibt es nur in sehr engen Grenzen. Das ist juristisch bereits entschieden worden. Alle Länder müssen sich einig sein und zudem gemeinsam gravierend fachliche Einwände gegen die Ergebnisse der KEF vorbringen.

Ich muss ganz ehrlich auch im Namen meiner Fraktion sagen: Ich habe großen Respekt vor der Leistung der KEF und ich habe keinen Grund, an ihren Empfehlungen grundsätzlich zu zweifeln.

(Beifall bei der LINKEN)

Also was tun, wenn man es wirklich ernst meint mit einem ausfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk und der Verhinderung einer Beitragserhöhung? Das klingt erst einmal nach der Quadratur des Kreises.

In meiner Fraktion werden die Anhörungen und Expertengespräche der Enquete-Kommission unter den Abgeordneten sehr intensiv diskutiert. Wir haben in der Enquete-Kommission schon eine große Bandbreite erleben dürfen. Eine Position finden wir sehr diskussionswürdig, nämlich eine Umstellung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Gemeinhin wird es als Grundsatz angesehen, dass das nötige Finanzaufkommen durch Beiträge der potentiellen Nutzerschaft erbracht wird.

Als Argument hierfür führen die meisten Befürworter das Gebot der Staatsferne an. Einige Fachleute, die wir auch in der Enquete-Kommission erleben durften, Verfassungsrechtler und Medienrechtler, schließen jedoch auch die Möglichkeit nicht aus, die öffentlich-rechtlichen Anstalten aus dem allgemeinen Steueraufkommen zu finanzieren. Darüber, meine Damen und Herren, sollten wir tatsächlich sehr nachdenken und wir regen an, dass wir uns damit intensiver auseinandersetzen und befassen.

Ein Übergang zum steuerfinanzierten System war auch schon einmal zu Beginn der zurückliegenden Debatte zur Beitragsreform mit im Gespräch. Aber auf einen ersten und zugegebenermaßen sehr flüchtigen Blick hin wurde damals behauptet, es würde gegen das Gebot der Staatsferne verstoßen. 

Aber genauso wie die politische Umsetzung der Finanzierung per Beitrag und Staatsvertrag den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht automatisch politischer Willkür unterwirft, wäre das auch bei einer Steuerfinanzierung gewährleistet, sofern - und das ist die Bedingung - die zentrale, unabhängige und bestimmende Rolle der KEF als unabhängige Kommission nicht angetastet wird. Diese legt dann nicht mehr die Höhe des Beitrags fest, sondern den Betrag, der notwendig ist, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in seinem Auftrag, den wir ihm per Gesetz gegeben haben, finanzieren zu können.

Das Verfahren bliebe also vom Grundsatz her das gleiche. Die Politik beschließt im Staatsvertrag den Auftrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Hierzu melden die Anstalten ihren Bedarf öffentlich und transparent bei der KEF an. Die KEF prüft die Anmeldung und gibt dann eine verbindliche Empfehlung über die Summe, die Bund und Länder aus dem allgemeinen Steueraufkommen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufbringen müssen. Das Gebot der Staatsferne wäre also genauso eingehalten wie bisher; denn auch das Klagerecht der Anstalten bliebe natürlich unberührt.

Meine Damen und Herren! Ich will zugeben: Der Teufel steckt oftmals im Detail. Aber grundsätzlich ist das eine Variante, über die wir nachdenken und entscheiden müssen, wenn wir einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch in Zukunft sichern wollen. Denn wenn wir uns mal ein bisschen ehrlich machen, ist das Modell, nach dem jeder und jede fast 20 € monatlich für etwas bezahlt, was er oder sie nicht oder nur wenig nutzt, vielleicht auch etwas aus der Zeit gefallen. Im Streamingzeitalter muss man einmal konstatieren, 

(Guido Kosmehl, FDP: Dafür bezahlen sie!)

dass der klassische lineare Rundfunk auf dem Rückzug ist, und diese Entwicklung wird weitergehen. Demjenigen, der schon ein Abo für einen Streamingdienst bezahlt und dort bemerkenswerterweise auch öffentlich-rechtliche Inhalte zu sehen bekommt, deren Produktion er über seinen Rundfunkbeitrag eigentlich schon mitbezahlt hat, muss man einmal erklären können, dass die 20 €, die er vorher bezahlt hat, gut angelegt sind.

Das wird im Zeitalter dieser Diversität natürlich immer schwieriger. Deswegen, so glaube ich, ist es höchste Zeit, dass wir uns hierüber Gedanken machen und wirklich den Mut haben, auch neue Wege zu gehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Das Gebot der Staatsferne muss sich aber nicht nur in der Finanzierung und in der Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks widerspiegeln, sondern auch im Programm. Es geht eben nicht, dass sich die Koalitionspartner bei den politischen Formaten im MDR gegenseitig die Klinke in die Hand drücken und der Ministerpräsident quasi eine Dauerwerbesendung bekommt. Solche programmlichen Entscheidungen sind Wasser auf die Mühlen derjenigen, die konsequent vom Regierungs- oder Staatsrundfunk sprechen.

(Guido Kosmehl, FDP: Na, na, na! Kollege! Kollege!)

Wenn Markus Kurze das MDR-Programm so herausgehoben lobt, dann kommt mir das ehrlich gesagt ein bisschen verdächtig vor.

(Beifall bei der LINKEN - Markus Kurze, CDU, und Guido Kosmehl, FDP, lachen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einen Punkt möchte ich für meine Fraktion noch kurz ansprechen, die Struktur- und Auftragsrefom beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Nennenswertes hat sich noch nichts getan. Das sehen wir angesichts der aktuellen KEF-Empfehlung. Laut unabhängiger Kommission sollen die Beiträge weiter steigen.

Zur Wahrheit gehört auch, dass keine Reform jetzt Auswirkungen auf die kommende Beitragsperiode hätte, sei sie auch noch so schnell herbeigeführt. Denn die KEF hat bereits gesprochen und das sehr deutlich. Aber wenn es uns nicht endlich gelingt, Reformen nicht nur anzukündigen und von anderen Anstalten einzufordern, wird das alles nichts.

Wir haben Vorschläge gemacht - ich weiß, Sie können es nicht mehr hören  , und zwar eine ostdeutsche Anstalt zu gründen, um damit eine starke Stimme im Osten zu haben 

(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)

und den vielstimmigen und zugegebenermaßen auch teuren Kanon, den wir erleben, zu beenden. Aus Thüringen gab den interessanten Vorschlag, ZDF und Deutschlandradio miteinander fusionieren zu lassen. Ich habe mich sehr gefreut, dass Herr Robra dem auch offen gegenübersteht.

(Guido Kosmehl, FDP: Wir brauchen keine Mainzelmännchen im Radio!)

Bisher kenne ich aus der Koalition dafür kein offensives Ja. 

Wir haben bisher leider noch nicht die Situation, dass sich die Koalition für solche Reformvorschläge offen zeigt. Dazu sage ich ganz klar: So wird es dann eben nichts mit einer fulminanten Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. So wird es auch nichts, wenn man die Leute bei der Beitragszahlung entlasten möchte.

Den Antrag der GRÜNEN würden wir gern in die Enquete-Kommission überwiesen, was gemäß der Geschäftsordnung aber nicht möglich ist. Wir sind trotzdem der Auffassung, dass alle Reformvorschläge auf den Tisch gehören und diskussionswürdig sind. Deswegen sind auch wir für eine Überweisung in den Europaausschuss.

Wenn es dafür heute keine Mehrheit gibt, bringen Sie, liebe Frau Frederking, die Vorschläge noch einmal konkret in die Enquete-Kommission ein, sodass wir darüber noch einmal diskutieren können. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 

Danke, Herr Gebhardt. - Herr Kosmehl hat in den letzten Sekunden noch eine Frage angemeldet. Wollen Sie diese beantworten?


Stefan Gebhardt (DIE LINKE): 

Gern.


Guido Kosmehl (FDP): 

Vielen Dank, Herr Kollege Gebhardt. - Der Vorschlag stammt nicht aus Thüringen, sondern das hat Herr Staatsminister schon häufiger gesagt.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

Als Mitglied des Fernsehrates verstehe ich, dass man das ZDF und Deutschlandradio zusammenlegen möchte, nämlich damit das ZDF auch ein vollwertiges trimediales Medienhaus wird. Ich persönlich brauche kein Mainzelmännchen aus dem Radio.

Jetzt ist seit Ihrem Vorschlag ein bisschen Zeit vergangen. Haben Sie mal nachgerechnet, was das konkret an Kosteneinsparungen bedeuten würde, wenn man rbb und MDR auch in der Unterhaltung der Gebäudestruktur zusammenlegt? Wie viel Mehrkosten entstehen dann?


Stefan Gebhardt (DIE LINKE):

Darf ich darauf antworten.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Ja.


Stefan Gebhardt (DIE LINKE):

In Euro kann ich Ihnen das jetzt nicht sagen, Herr Kollege Kosmehl. Aber ich kann hier schon mal sagen: Wir würden eine juristische Direktion sparen. Wir würden eine Verwaltungsdirektion sparen. Und wir würden uns einen gewaltigen Wasserkopf sparen und könnten das Geld komplett ins Programm investieren. Ich finde, das wäre eine Alternative zur jetzigen Variante.