Tagesordnungspunkt 25
Erste Beratung
Dorfläden 2.0 im Ladenöffnungszeitengesetz des Landes berücksichtigen
Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/3871
Herr Meister, Sie haben das Wort.
Olaf Meister (GRÜNE):
Danke, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben uns in der Vergangenheit schon wiederholt mit der Einzelhandelsversorgung im ländlichen Raum und den dort bestehenden Problemen befasst. In den vergangenen Jahrzehnten ging infolge wirtschaftlicher Entwicklungen im Einzelhandel die Zahl kleinerer Geschäfte dramatisch zurück. Der Trend zur Konzentration auf wenige Anbieter und, hinsichtlich der Verkaufsfläche, immer größer werdender Einzelhandelsstandorte führte in der Konsequenz dazu, dass die in den ländlichen Räumen gelegenen kleineren Standorte weitgehend verschwanden.
Der Einkauf im eigenen Dorf, also um die Ecke, ist heutzutage selten. Ein Verlust an Leben in den Dörfern und an Lebensqualität ist die Folge. Es gibt dagegen eine vielfältige Bewegung und Menschen, die sich für ihre Orte und die Rückkehr des kleinen Geschäfts ins Dorf einsetzen. Die Modelle sind vielfältig. Häufig ist es die des Dorfgemeinschaftsladens, der auch andere soziale Funktionen mit sich bringt und Bürgerbüro, Dienstleistung etc. mit einbezieht. Leider ist das im jüngsten Haushalt nicht mehr mit einer Anschubfinanzierung versehen. Das stand in der Vergangenheit durchaus auf der Agenda.
In der jüngeren Zeit gibt es aber auch neue Modelle, die in eine andere Richtung denken und die durch das weitgehende Einsparen von Personalkosten die Schwelle zur Wirtschaftlichkeit erreichen wollen. Es sind Läden, die ein recht breites Sortiment anbieten, aber weitgehend auf Personal verzichten und im Prinzip wie ein begehbarer Automat funktionieren. Das Interesse verschiedenster Anbieter und Kommunen ist vorhanden. Wir haben auch in Sachsen-Anhalt entsprechende Ansätze zur Ansiedlung. Soweit es funktioniert, bringt auch dieser Weg die Einkaufsmöglichkeit zurück ins Dorf.
Bei der Ansiedlung solcher Geschäfte tritt die Frage auf, ob dieses Geschäft eigentlich am Sonntag öffnen darf, wo doch zumindest vor Ort niemand arbeitet. Für die Frage der Wirtschaftlichkeit kann dieser Vorteil entscheidend sein. Aus anderen Bundesländern mit mehreren Betreibern und zahlreichen solcher vollautomatisierten Läden ist zu hören, dass tatsächlich gerade der Sonntag für die Rentabilität des jeweiligen Objekts entscheidend ist.
Die Rechtslage ist eindeutig, auch wenn viele überrascht den Kopf schütteln. Das Sonntagsöffnungsverbot soll tatsächlich nicht nur das Personal vor Sonntagsarbeit schützen, sondern auch den Sonntag als Ruhetag bewahren. Die von Unternehmen, aber auch von den Leuten vor Ort angefragten Behörden äußern dann zur Begründung des Öffnungsverbots ganz merkwürdige und von den Menschen als leere Worthülsen empfundene Bemerkungen wie: Ja, das dient dem Schutz der seelischen Erbauung. - Das finden viele Leute eher wenig erbaulich. Diese Entscheidungen treffen auf Unverständnis und haben keine Akzeptanz.
Die Frage ist, ob diese Bewertung des Gesetzes und darauf fußend der Behörden heute noch zeitgemäß ist und den Ansprüchen gerecht wird. Den Sonntag als anderen Tag halte ich auch weiterhin für gerechtfertigt. Es ist auch jenseits der religiösen Bedeutung sinnvoll, dass ein Tag anders funktioniert, dass die meisten Menschen frei haben, dass Familien zusammenkommen und dass die Woche einen Rhythmus erhält. Es ist ein gesamtgesellschaftliches Kulturgut, das wir bewahren sollten. Dieses Anliegen, also die Bewahrung des Sonntages, steht aber nicht isoliert für sich, sondern muss sich natürlich der Abwägung stellen.
Dann kommt man also zur Frage, ob der Schutz des Sonntags diesen Eingriff in die Rechte der Menschen tatsächlich rechtfertigen kann. Ist der sonntägliche Gang in das personallose Geschäft im Dorf ernsthaft ein relevanter Eingriff in die sonntägliche Ruhe? Ist nicht vielleicht der entspannte Einkauf von benötigten Dingen im Vorfeld des sonntäglichen Familienkaffees nicht sogar eher eine gute Ausgestaltung der Sonntagsruhe und führt eigentlich zu mehr Entspannung als zu weniger? Gerade auch mit Blick auf die zugelassenen Ausnahmen zur Sonntagsruhe in mit Personal besetzten Tankstellen und Bahnhöfen sind die Verbote für vollautomatisierte Dorfläden auf den Prüfstand zu stellen. In Magdeburg haben wir jetzt noch eine andere Merkwürdigkeit. Dort hat jemand einen Container aufgestellt, der keine Tür hat. Darin sind viele Automaten. Es ist natürlich auch sonntags geöffnet, klar. Es ist aber kein Geschäft; denn es hat ja keine Tür.
Ich meine, diese Beschränkung, also das Verbot der Öffnung solcher Geschäfte im ländlichen Raum ist nicht sinnvoll. Diese Beschränkung ist zu eng. Sie ist den Menschen auch nicht zu vermitteln und passt so nicht zu den Anforderungen unserer Zeit.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Die tatsächliche Störung der Seelen- und Sonntagsruhe scheint innerhalb des Toleranzbereiches des Ruhegebots zu liegen. Da es sich unserer Auffassung nach auch nur um kleine Läden im ländlichen Raum handeln sollte, ist auch nur eine äußerst geringfügige die Sonntagsruhe störende Außenwirkung zu erwarten. Wir wollen daher die aktuelle Regelung um eine zusätzliche Ausnahme erweitern. Wir zielen dabei ganz konkret auf den anfangs von mir beschriebenen Sachverhalt ab, also Geschäfte im ländlichen Raum ohne am Sonntag vor Ort eingesetzte Belegschaft bis zu einer näher zu bestimmenden Größe, weil wir uns dort einen großen positiven Effekt vor Ort bei wenig Störung der sonntäglichen Ruhe versprechen. Welche Größe es sein soll und wie man es abgrenzen will, sollte dann in einem Gesetzgebungsverfahren diskutieren und geregelt werden.
Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. - Danke schön.