Dr. Falko Grube (SPD):
Herr Präsident! Hohes Haus! Ich hatte letztens einen kleinen Versicherungsfall, nichts Schlimmes, und habe dann die Rechnung bei meiner Versicherung eingereicht. Ich habe das nicht per Brief gemacht, sondern per E-Mail und habe dann per Brief die frohe Kunde bekommen: Du kriegst Geld. Dann gab es noch den kleinen, nicht sehr dezenten Hinweis per Flyer: Wir haben übrigens auch eine App. Diese habe ich jetzt auch. Ich habe sie mir freischalten lassen. Ich schicke also nie wieder eine E-Mail dorthin. Und sie schicken mir auch nie wieder einen Brief.
Solche Briefe haben wir zu Hause auch von der Elterngeldstelle bekommen. Ein Flyer bezüglich einer App lag jedoch nicht dabei und dort ist es auch mit einer E-Mail relativ schwierig. Das ist etwas, das alle Bürgerinnen und Bürger in diesem Land erleben. Wir haben eine Digitalisierung mit zwei Geschwindigkeiten, auf der einen Seite der private Bereich und der Wirtschaftsbereich, auf der anderen Seite die öffentliche Hand.
(Zuruf von der AfD: Das stimmt!)
Nun ist die spannende Frage: Woran liegt das? Nun gibt es die, die den Staat sowieso verächten und sagen: Der Staat ist zu blöd. Aber die Antwort wäre falsch.
(Zuruf)
Wir als Sachsen-Anhalt haben gezeigt - unter anderem bei der Auszahlung der Energiepauschale an die Studierenden , dass es anders und schnell geht.
(Beifall bei der SPD)
Im Übrigen: Die, die dabei gescholten werden, die das umsetzen, sind dieselben Unternehmen, die das auch für die private Wirtschaft programmieren. Die öffentliche Verwaltung hat keine Menschen, die Sachen programmieren. Die können das bewerten. Aber die Programmierleistung und die technische Umsetzung funktionieren auch in der Wirtschaft, die das auch für die Versicherungen programmiert.
Deshalb ist die spannende Frage: Woran liegt das? Die Ministerin hat das schon beantwortet. Das liegt nicht daran, dass der Staat zu blöd ist, sondern es ist an der Stelle zu komplex. Es liegt an unserem Föderalismus. Der ist uns lieb, teuer und heilig; denn es ist richtig, das Subsidiaritätsprinzip ist nicht nur eine Frage von Bund und Ländern, sondern - das haben auch verschiedene Vorredner schon gesagt - eine Frage des Verhältnisses von Land und Kommune. Das ist uns lieb, wichtig und teuer. Auch für die Operation „Digitalisierung“ macht es das Ganze einfach tierisch kompliziert.
Einige Ausschüsse waren in dieser Wahlperiode schon in Estland in Tallinn. Mein Ausschuss war in Irland. Dort haben wir die gleiche Frage gestellt: Wie macht ihr das? Bei uns dauert das eine Weile. Sie haben gesagt: Das, was Sie kommunale Selbstverwaltung nennen, haben wir nicht. Wir drücken hier in Dublin oder in Tallinn auf einen Knopf und dann machen das alle. Bei uns - das ist Teil des Problems - müssen wir, bevor sich irgendein Programmierer oder irgendeine Programmiererin hinsetzt und eine Zeile Quellcode schreibt, erst einmal die Zuständigkeiten klären.
(Zuruf: Ja!)
Das ist nicht nur eine Frage von Nerven und von Komplexität. Die Ministerin hat das aus ihrer Perspektive völlig zu Recht beschrieben. Das kostet übrigens auch mehr Geld. Auch ist es fehleranfälliger, weil wir ganz viele Schnittstellen brauchen. Also, an der Stelle haben wir ein strukturelles Problem; das werden wir aber tatsächlich nicht mehr ändern. Insofern ist der IT-Planungsrat gut. Er ist auch ein Symptom, er ist auch ein Instrument. Und, meine Damen und Herren, er ist auf jeden Fall dringend nötig.
Dann komme ich zu den EfA-Leistungen. Da komme ich zum OZG, zum Onlinezugangsgesetz. Das ist kein Erfolgsmodell. Im Jahr 2017 ist es beschlossen worden. Bis zum Jahr 2020 sollten die zentralen Leistungen da sein; das sind sie bis heute nicht. Deswegen haben wir das Gesetz im IT-Planungsrate noch einmal, damit das tatsächlich ein bisschen schneller vorangeht. Diese Geschwindigkeit, diese Beschleunigung brauchen wir.
Ich habe es ja schon einmal gesagt: Ich würde gern, wenn ich das nächste Mal einen Brief an die Verwaltung schreibe, und zwar egal an welche, den Hinweis kriegen: Wir haben eine App. Bitte nimm doch die, vorzugsweise mit der Bundes-ID.
Die Frage ist: Wofür machen wir das? Denn Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Ich erinnere mich noch gut an das, was sie uns in Estland erzählt haben. Sie haben schon sehr viel früher angefangen. Wie gesagt, sie haben das strukturelle Thema Föderalismus nicht. Aber sie haben Mitte der 90er-Jahre gesagt: Wir geben Geld dafür aus, dass die Bürgerinnen und Bürger möglichst wenig mit öffentlicher Verwaltung zu tun haben. Ich finde, das ist ein lohnendes Ziel. Ich finde, das ist etwas, das auch hinter unseren Anstrengungen für Digitalisierung stecken muss: dass es für Bürgerinnen und Bürger mit dem Papierwust vorbei ist, dass man sich tatsächlich vor den Rechner setzt und mit ein paar Klicks die Leistungen, die einem zustehen, am Ende auch erhält.
Wir werden diesen Gesetzentwurf überweisen. Wir werden ihm am Ende zustimmen; denn eines ist unser gemeinsames Ziel: Es muss in Sachsen-Anhalt schneller digital werden. - Vielen Dank.
(Zustimmung bei der SPD)