Matthias Redlich (CDU):
Werte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! An unseren Schulen werden junge Menschen zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat erzogen und zu eigenständiger Meinungsbildung befähigt. Dies bittet die AfD den Landtag unter Punkt 1 ihres Antrags festzustellen.
Die AfD erkennt also an, dass die Kinder an unseren Schulen und durch unsere Lehrkräfte bisher demokratisch und auch ausgewogen ausgebildet werden. Dafür hätte es diesen Antrag nicht gebraucht. Der Landtag muss das auch nicht feststellen.
Dem hätte man sogar zustimmen können, wenn nicht unter Punkt 2 des Antrags die Landesregierung zu Handlungen aufgefordert würde, die genau dieser Ausgewogenheit entgegenstehen. Etwas überspitzt formuliert fordert die AfD unter Punkt 2, den Unterricht auf das ideologische Weltbild der AfD zu begrenzen und „Schulen ohne Rassismus“ in Sachsen-Anhalt abzuschaffen.
Die AfD fordert im Antrag also genau das, was sie vermeintlich kritisiert. Ausgewogenheit und Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Kontroversen sollen an Schulen abgeschafft, demokratische Strukturen geschwächt und mündige Entscheidungen der Heranwachsenden verhindert werden.
In einer Demokratie kann man so etwas fordern. Doch warum wollen Sie das? Warum wollen Sie denn nicht, dass Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler wie bisher selbst gemeinsam und demokratisch über eine Mitgliedschaft im Netzwerk von „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ entscheiden? Warum sollen sie an der Schule nicht über die Programme und das, was dort gemacht wird, verständigen und dort Entscheidungen dazu treffen?
Schauen wir doch einmal, womit die Schülerinnen und Schüler angeblich indoktriniert und psychisch manipuliert werden: Häufig sind es Fahrten zu Gedenkstätten, Workshops zu Themen wie Stress, Mobbing und Konfliktmanagement oder aber auch Informationsveranstaltungen, wie demnächst in der Altmark zur Bücherverbrennung unter den Nationalsozialisten. Es geht aber auch immer wieder um Themen, die den Umgang mit Hass und Hetze im Netz - damit kennen Sie sich ja aus -
(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Das war jetzt aber hart!)
und mit Extremismus bearbeiten.
Ich verstehe, dass sich die AfD davon provoziert fühlt und lieber keine Heranwachsenden, wie Herr Tillschneider es gesagt hat, mit Courage hätte, keine jungen Menschen, die sich gegen Hass, gegen Hetze und gegen Extremismus einsetzen. Das mag den Extremisten in den Reihen der AfD nicht gefallen, aber auch Schule darf sich gegen diktatorische und demokratiefeindliche Bestrebungen von links und von rechts wehrhaft zeigen.
(Olaf Meister, GRÜNE, lacht)
Ganz allgemein muss einem dabei auch nicht jede inhaltliche Ausrichtung von einem Programm und jede Position gefallen. Die AfD stellt im Antrag selbst fest: Im Mittelpunkt steht die objektive Vermittlung politischer Bildung zur eigenständigen Meinungsbildung der Schüler im Sinne ich wiederhole: im Sinne der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Der vorliegende Antrag steht dem aber entgegen und deshalb werden wir diesen ablehnen. - Vielen Dank.
(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Vielen Dank, Herr Redlich. Punktgenau. - Es gibt eine Intervention von Herrn Dr. Tillschneider. - Herr Dr. Tillschneider, bitte.
Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):
Herr Redlich, Sie wissen nicht, worum es bei diesem Programm geht. Sie haben an der Realität vorbeigeredet.
(Frank Otto Lizureck, AfD, lachend: Ja!)
Die Sammlung der Unterstützungsunterschriften, 70 % der Mitglieder der Schule - wie geht das wohl vonstatten? Hat da jeder Schüler die Freiheit, sich wie bei einer Wahl dafür oder dagegen zu entscheiden?
(Zuruf von Wolfgang Aldag, GRÜNE)
Nein, es sind einschlägige Aktivisten unterwegs, es wird Druck gemacht.
(Daniel Rausch, AfD: Genau! Genau so ist es!)
So werden die Stimmen eingetrieben
(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Eingetrieben! Genau!)
und dann präsentiert man auf dem Papier: 70 %. - Das ist das eine.
(Daniel Rausch, AfD Das stimmt!)
Das Zweite. Ich gebe Ihnen jetzt einmal ein ganz konkretes Beispiel, und dann frage ich Sie, wie Sie dazu stehen. Im Saalekreis gibt es in Mücheln eine Adolf-Holst-Schule. In Zusammenarbeit mit diesem unseligen Programm wurde dort seit Jahren seit Jahren! systematische Propaganda gemacht für eine Umbenennung der Schule.
Die Gründe sind lächerlich. Adolf Holst war kein Widerstandskämpfer im Nationalsozialismus; er soll vielleicht Parteimitglied gewesen sein, man weiß es nicht, ist egal. Er war kein NS-Autor. Seine Schriften sind gute Kinderbuchliteratur und waren in der DDR und der BRD im Schulkanon. Aber nein, man meint jetzt, man müsse die Schule umbenennen.
Jahrelang wird dort, gefördert durch dieses Programm, Propaganda für eine Umbenennung gemacht. Man erzählt den Kindern: Der Namenspatron eurer Schule war ein böser Nazi. Und dann kommt dort ein Antrag auf Umbenennung zustande. Und der scheitert im Kreistag krachend, weil die politischen Vertreter, die dort sitzen, noch einen kühlen Kopf haben, sogar die von der CDU und von der SPD, und das mit großer Mehrheit ablehnen. Wie bewerten Sie das, dass hier gegen alle Vernunft
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Nein, nein, nein, Herr Dr. Tillschneider, das ist keine Nachfrage, sondern eine Kurzintervention. - Herr Redlich, es ist Ihnen aber unbenommen zu reagieren.
Matthias Redlich (CDU):
Herr Dr. Tillschneider, es wurde von der Ministerin schon angesprochen: Sie sind eigentlich benannter Vertreter im Kuratorium, aber Sie kommen nicht.
(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Er war ja nie da!)
Sie könnten es sich dort anhören und Sie hätten den Bericht - ich habe den gerade noch einmal geöffnet - und wüssten, wer dort - das war die Frage, die Sie gestellt haben - mitentscheidet, wie das gemacht wird. Es sind natürlich die Schülerinnen und Schüler dabei, es ist der Schulelternrat vertreten. Es sind nicht alle Klassen; das Interesse nimmt irgendwann ab, auch bei den Schülern. Es sind vor allem die sechsten, siebten, achten und neunten Klassen, die sich beteiligen, bis hin zur zehnten, die dort mitentscheiden.
Und ja, das sind Gremien, in denen auch Lehrer sitzen. Jetzt kann man natürlich überlegen: Welchen Einfluss haben die dort? Aber ich glaube, Sie setzen sich doch auch dafür ein, dass wir eine starke Schülerschaft haben, die ihre Meinung artikulieren kann. Das sind eben auch demokratische Prozesse, die dort erlernt werden, und die sind eben auch wichtig. - Vielen Dank.