Tagesordnungspunkt 3

Beratung

Präventionstag Arbeits- und Gesundheitsschutz: Gesundheitsförderung für Lehrkräfte - Keine zusätzlichen Belastungen für Schüler und Eltern!

Antrag Fraktion AfD - Drs. 8/3723

Alternativantrag Fraktionen CDU, SPD und FDP - Drs. 8/3780


Die Einbringung des Antrages übernimmt - deshalb steht er hier - Herr Tillschneider. Bitte.


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD): 

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist allgemein bekannt, durch Studien und Statistiken überreich belegt: Lehrer werden immer öfter psychisch und physisch krank. Fast 80 % der Lehrer geben in einer Studie aus dem Februar 2022 an, unter Rückenproblemen, Kopfschmerzen, Magenschmerzen oder Erschöpfungszuständen zu leiden. 65 % der Befragten leiden unter Schlafproblemen und depressiven Verstimmungen.

Eine große Studie aus dem Jahr 2015, die sich auf Daten der Krankenkassen stützt, belegt, dass psychische und psychosomatische Erkrankungen bei Lehrern deutlich häufiger vorkommen als in anderen Berufen, ebenso unspezifische Beschwerden wie Erschöpfung, Müdigkeit, Kopfschmerzen und Angespanntheit. Lehrer leiden auch häufiger als der Bevölkerungsdurchschnitt unter Bluthochdruck. 

Fakt ist: Viele Lehrer leiden so sehr unter ihrer Arbeit, dass sie krank werden. Die Schule macht die Lehrer krank. Das wollen wir mit unserem Antrag nicht in Abrede stellen. Das erkennen wir an und das nehmen wir ernst. Trotzdem denken wir, dass es das Beste wäre, den Präventionstag als Pflichtveranstaltung abzuschaffen. Weshalb? 

Um zu verstehen, weshalb die Schule krankmacht, müssen wir grundsätzlich zwischen gutem Stress, sogenanntem Eustress, und negativem Stress, sogenanntem Distress, unterscheiden. Guter Stress ist eine Belastung, die zwar auch anstrengt, die uns aber in der Anstrengung Freude macht und Kraft aufbaut und uns dazu bringt, dass wir besser werden, uns also weiterbringt und bildet. Positiver Stress ist gesund. Positiver Stress ist das Geheimnis jeden Erfolgs. Negativer Stress dagegen ist eine Belastung, die uns krank macht, unsere Kräfte aufzehrt und dazu führt, dass wir körperlich und geistig abbauen. Negativer Stress entsteht durch Überforderung, wenn einem zu viel zugemutet wird. Meistens aber ist negativer Stress nicht das Ergebnis einer einfach nur zu hohen, sondern vor allem einer falschen Belastung. 

Zu den Faktoren, die an der Schule schlechten Stress auslösen, gehören konkret alle schulfremden und bildungsfernen Belastungen der Lehrer, wie etwa die überbordende Bürokratie oder - als Folge der Inklusion - die Notwendigkeit, ein und dieselbe Unterrichtsstunde auf unterschiedlichen Niveaustufen vorzubereiten. Zu dem krank machenden Schulstress gehört weiterhin die Erwartung an die Schule, sie solle zur Integration von Flüchtlingen beitragen. 

Was die Lehrer krank macht, das ist generell der Umstand, dass die Schule nicht mehr als pädagogischer Schutzraum gesehen wird, nicht als Hortus conclusus, als abgeschlossener Garten, den unsere Kinder brauchen, um zu gedeihen, sondern als Labor für allerlei perverse Gesellschaftsexperimente. Was krank macht, das ist der Umstand, dass politische Auseinandersetzungen nicht aus der Schule herausgehalten, sondern in die Schule hineingetragen werden. Die Tyrannei der politischen Korrektheit macht mittlerweile auch vor dem Schultor nicht mehr Halt. All dies sind Dinge, derentwegen niemand Lehrer geworden ist. Es sind Tätigkeiten und Belastungen, für die sich kein Lehrer mit seiner Berufswahl entschieden hat, die er deshalb nicht als selbst gewählt annimmt und die ihn deshalb krank machen. 

Hinzu kommt, dass die Politik eine technokratische Hektik und Oberflächlichkeit verbreitet, was echte Bildung nahezu unmöglich macht. Bevor eine Reform ihre Auswirkungen entfalten kann, kommt schon die nächste. Eine Reform jagt die nächste, wobei Reform der falsche Begriff ist; denn Reform würde bedeuten, dass etwas besser wird. So kommt die Schule nicht zur Ruhe und steht unter dem nervtötenden Strom permanenter Veränderungen. Keine Kontinuität, keine Praxis, die sich einspielen kann, nichts, was sich setzen kann.

Anstelle der ausdauernden, konzentrierten und kontemplativen Beschäftigung mit Bildungsgütern tritt dann das bildungsfeindliche Zerhacken von Zusammenhängen, ein Hin-und-Her von Projekten und Projekttagen, bei denen einfach nur Zeit vertan und nichts mehr wirklich gelernt wird. Es werden Hausaufgaben erteilt, die nicht mehr Ruhe und Konzentration erfordern, sondern bspw. als Rechercheaufgaben im Internet geradezu das Bulimielernen provozieren. Ein oberflächliches Hantieren mit Informationen - davon in der Tat manchmal zu viele - hat die Bildung ersetzt und zersetzt. Statt ein in die Tiefe gehendes, wahrhaft bildendes Verstehen zu pflegen, surfen Lehrer und Schüler nur auf der Oberfläche herum. Das ist unbefriedigend. Das stresst. Das macht krank.

(Beifall bei der AfD)

All diese Faktoren und Umstände haben die Schule von einer Bildungsanstalt in eine krank machende Stumpfsinnsanstalt verwandelt. Das ist das Ergebnis der engstirnigen, technokratischen und bildungsfernen Bildungspolitik der Altparteien.

(Beifall bei der AfD - Zuruf von der AfD: So ist es!)

Wenn die Schule nicht mehr krank machen soll, brauchen wir mehr positiven, weniger negativen Stress. Positiver Stress an Schulen ist Anstrengung, die in Bildung mündet. Positiver Stress für Lehrer ist die Herausforderung, eine geeignete Schullektüre auszuwählen, die begeistert und das Weltbild der Schüler bereichert. Positiver Stress ist der schwere Doppelgang der klugen pädagogischen Vereinfachung und des langsamen Komplexitätsaufbaus. Positiver Stress ist der Ehrgeiz, Mathematikaufgaben so nach Schwierigkeit zu ordnen, dass die ersten Aufgaben so leicht sind, dass der Einstieg gelingt, aber nicht so simpel, dass die Aufgabe langweilt, sondern ihre Lösung immer noch ein Erfolgserlebnis bereitet, aus dem der Schüler die Lust zieht, sich an die schwereren Aufgaben zu machen. Positiver Stress ist das tastende Herausfinden, wie viel Druck die Schüler brauchen, um sich bestmöglich zu entwickeln. 

Ein junger Mensch entscheidet sich, Lehrer zu werden, weil er sich zu solchen Dingen berufen sieht. Und nur das darf und soll die Schule von ihm verlangen. Stattdessen wird er mit einer Fülle sachfremder und bildungsferner Ansprüche konfrontiert. Wir haben viel zu viel Politik in der Schule, von der politischen Erwartung, die Schule solle Ihren Beitrag zu Integration und Inklusion leisten, über den Druck, sich an der Schule politisch zu bekennen, bis hin zur politisch verantworteten Bürokratie.

Wenn wir wollen, dass die Schule nicht mehr krank macht, sondern Freude macht, brauchen wir als allererstes weniger Politik an der Schule, damit die Schule das sein kann, was sie ihrem Wesen nach ist: eine Bildungsanstalt.

(Beifall bei der AfD)

Wir brauchen mehr Eustress, weniger Distress und müssen die strukturellen Fehlbelastungen der Institution Schule beenden. Die Altparteien sind dazu nicht in der Lage. 

(Zuruf von der AfD: Genau!)

Sie sehen das Desaster. Die Statistiken über den Krankenstand unter den Lehrern sind nicht zu verleugnen. Aber anstatt die Ursachen zu bekämpfen und die Schule von ihren schulfremden politischen Aufgaben zu entlasten, verlangen die Altparteien immer mehr, was mit Bildung nichts zu tun hat. Dann führen sie als Zeichen ihrer Besorgtheit um das Wohl der Lehrer einen Präventionstag ein, der die Gesundheit der Lehrer fördern soll. Das ist an Scheinheiligkeit nicht mehr zu überbieten.

Dieser Präventionstag ist weniger als der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein. Er ist eine bloße Symptomkuriererei in homöopathischer Dosierung. Er bringt gar nichts, stiehlt aber unseren Kindern einen Unterrichtstag. Damit ist er abzuschaffen.

Abgesehen davon ist es einfach ein Freizeittag, was der Erlass auch offen eingesteht, indem er die Steigerung der Lebensqualität zum Ziel des Präventionstages erklärt. Mit „Steigerung der Lebensqualität“ aber lässt sich alles vom Saunabesuch bis Tantramassage rechtfertigen. Das erregt natürlich den Unmut der Lehrer.

(Zurufe)

Zu Recht, wie wir meinen. 

(Zuruf: Was soll denn das?)

Ich verstehe auch nicht, wie man die Lehrer auf der einen Seite zu einer Zusatzstunde pro Woche verdonnern kann, um den Lehrermangel zu lindern, und auf der anderen Seite einen durchschnittlichen Schultag, also immerhin sechs Unterrichtsstunden, für einen sinnlosen Präventionstag verpulvern kann. Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Seien Sie doch konsequent und schaffen Sie jetzt auch noch den Präventionstag ab. Einfacher kann man kaum etwas gegen den Unterrichtsausfall in unserem Lande tun.

Bei einer Onlineumfrage des „Deutschen Schulportals“ im November 2023 wurde danach gefragt, von welchen Verwaltungsaufgaben die Lehrer sich besonders belastet sähen. 30 % der Befragten haben die Gremienarbeit angegeben, 32 % die Koordination von Projekten, 54 % das Ausfüllen von Formularen und Statistiken. 85 % der Lehrer beurteilen solche unterrichtsfernen Aufgaben, die sie zusätzlich zu ihrer Tätigkeit als Fach- und Klassenlehrkräfte bewältigen müssen, als unangemessen und belastend. Hier sollte ansetzen, wer wirklich etwas für die Gesundheit der Lehrer tun will. 

Würden Sie, statt den Lehrern einen kreuzüberflüssigen Präventionstag zu schenken, das pseudodemokratische Konferenzunwesen an den Schulen zurückdrängen, würden Sie die Datensammelwut des Ministeriums zügeln und die Dokumentationspflichten reduzieren und würden Sie so manchen unsinnigen Projekttag durch regulären Unterricht ersetzen, hätten Sie nicht nur die Lehrer von fachfremden Verwaltungsaufgaben entlastet und damit mehr für die Lehrergesundheit getan als mit Ihrem Präventionstag, sondern schlagähnlich auch Unterrichtsausfall reduziert und dafür gesorgt, dass in den Schulen wieder mehr und besser gelernt wird.

(Beifall bei der AfD)

Genau das ist die Absicht, die wir mit unserem Antrag verfolgen. Ich bitte mit Nachdruck um Zustimmung dazu. Ach ja, dieser Alternativantrag, der uns gestern, mit heißer Nadel gestrickt, vorgelegt wurde, taugt wie immer nichts. 

Sie wollen, dass der Termin des Präventionstags unter Mitbestimmung des Personalrats von der Schulleitung festgelegt wird, wobei der Präventionstag dann auch auf einen Schultag fallen kann; nur auf arbeitsintensive Hochphasen soll er nicht fallen. - Das bringt gar nichts; denn Unterrichtszeit wird so immer noch ausfallen. Anders als vorher wäre dann aber durch die Mitbestimmung des Personalrats wieder etwas mehr Bürokratie geschaffen worden. So geht es nicht. Das ist wieder typische Altparteienpolitik. Das kann es nicht sein. Wir werden deshalb den Alternativantrag ablehnen.

(Zustimmung von Oliver Kirchner, AfD)

Wir brauchen nicht mehr, sondern weniger Bürokratie. Deshalb noch einmal die Aufforderung: Seien Sie vernünftig und stimmen Sie unserem Antrag zu.

(Beifall bei der AfD - Zuruf von der AfD: Jawohl!)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke, Herr Tillschneider. - Passend zum Thema gestatten Sie mir, mit Ihnen gemeinsam Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule „Maxim Gorki“ in Schönebeck zu begrüßen. Herzlich willkommen im Hohen Haus!

(Beifall im ganzen Hause)