Sebastian Striegel (GRÜNE):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Beschlussempfehlung des Innenausschusses lässt den ursprünglichen Antrag der Fraktion DIE LINKE nicht mehr erkennen. Sie schiebt die Verantwortung zur Bundesregierung und zur EU und ist dabei nicht einmal aktuell. Sie begrüßt nur bereits umgesetzte Regelungen. Mein Lehrer hätte dazu gesagt: Und dafür mussten Bäume sterben?
Migrationsdebatten in diesem Land kranken regelmäßig daran, dass sie Realitäten nicht zur Kenntnis nehmen. Ich sage es sehr deutlich: Migration findet statt. Zu allen Zeiten haben sich Menschen auf den Weg in eine bessere Zukunft gemacht. Im Übrigen gibt selbst dieser Landstrich beredt Zeugnis davon, dass nicht einmal Mauern Menschen aufhalten konnten.
Unsere Aufgabe ist es, Migration so zu regulieren, dass aufnehmende Gesellschaften nicht überfordert werden und gleichzeitig die Menschenwürde von Schutzsuchenden gesichert wird. Unsere Gesetzgebung löst bisher weder das eine noch das andere ein. Ich bin überzeugt davon, dass es uns nicht hilft, immer wieder und immer wieder nach mehr Repressionen zu rufen, von denen jedenfalls keine erwiesene Wirkung ausgeht, die mit Ausnahme davon immer mehr Leid bei Betroffenen verursachen. Denn dadurch wird an einer Stelle Handlungsmacht suggeriert, die, wenn die entsprechende Wirkung dann nicht eintritt, als Handlungsohnmacht verstanden wird.
Bei diesem fatalen Bild bleibt es ja nicht, sondern im Laufe der Debatte zu immer stärkeren Repressionen gegenüber Migrant*innen verschiebt sich auch ganz grundlegend etwas: Fundamentale internationale Errungenschaften aus den Erfahrungen des Nationalsozialismus kommen infolgedessen ins Wanken. Der Blick auf unsere Mitmenschen mit Migrationsgeschichte droht sich aufgrund der Debatte auch ohne jegliche Differenzierung zu verschlechtern.
Deshalb meine ich, hier auch noch einmal die grundsätzlich von uns befürwortete Einführung einer Geldkarte für Asylbewerber*innen als Verwaltungsentlastung für die Kommunen und als Verbesserung für die Asylbewerberinnen zu sehen und eben von zweifelhaften Restriktionen mit zweifelhafter Wirkung abzusehen. Eine Geldkarte kann ohne Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes unmittelbar umgesetzt werden. Neben der großen Politik bleibt es auch für uns in Sachsen-Anhalt relevant, dass wir zu echten Verbesserung vor Ort kommen. Neben der begrüßenswerten Einigung über die Pro-Kopf-Pauschale ist vor allem die Landesregierung gefragt, weiterhin an guten Lösung zu arbeiten. - Herzlichen Dank.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Als letzter Redner der Debatte spricht für die CDU-Fraktion
Sebastian Striegel (GRÜNE):
Die Kollegin Pähle hatte sich gemeldet.
Vizepräsident Wulf Gallert:
Es tut mir leid, Frau Pähle. Sie haben die Chance, eine Frage zu stellen. Herr Striegel will sie offensichtlich beantworten. - Bitte sehr.
Dr. Katja Pähle (SPD):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrter Kollege Striegel, wie schätzen Sie ein, dass bei dem Thema Gesetzesänderung auf Bundesebene die Idee zu dieser Gesetzesänderung wohl aus den Gesprächen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe entstanden ist, bei der insbesondere die Bundesländer gegenüber dem Bund signalisiert haben, dass es die Schaffung einer rechtlichen Grundlage aus ihrer Sicht vereinfachen würde, sodass auf Bundesebene quasi eine Hilfestellung zur Umsetzung auch auf Länderebene gegeben wird?
Sebastian Striegel (GRÜNE):
Ich erläutere das gern noch einmal, Frau Kollegin Pähle, und will das an der Stelle sehr deutlich sagen. Eine Bezahlkarte, vielmehr eine Geldkarte, die tatsächlich zu einer Verwaltungsentlastung führt, die aber nicht zusätzliche Restriktionen beinhaltet - das ist meiner Fraktion auch im Deutschen Bundestag sehr wichtig , benötigt keine Gesetzesänderung. Im Übrigen ist das auch eine Einschätzung, die auf der Bundesebene umfassend geteilt wird. Diejenigen, die jetzt für eine Gesetzesänderung streiten, sind diejenigen, die tatsächlich mehr Restriktionen wollen. Das lehnt meine Fraktion ab.