Henriette Quade (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was liegt uns hier eigentlich vor? - Formal ist das einfach zu beantworten: Es ist ein Antrag der extremen Rechten auf eine Aktuelle Debatte, der einem Herr Erben hat es richtig ausgeführt altbekannten Muster folgt:
(Jan Scharfenort, AfD: Richtig!)
Es wird vermeintliche Sorge um Demokratie vorgetäuscht, jene Demokratie, welche die AfD zerstören will.
(Jan Scharfenort, AfD: Wir wollen mehr Demokratie! Gucken Sie einmal ins Parteiprogramm, bevor Sie Angst haben vor dem Souverän!)
Dazu wählt die AfD Formulierungen, die sonst in Reden und Texten genutzt werden, um ihr Agieren zu analysieren, und bringt sie gegen ihre politischen Gegnerinnen und Gegner in Stellung. Dann wird ein Mitglied der Bundesregierung und eine Sozialdemokratin wie Nancy Faeser Faschistin genannt, wie es der AfD-Bundestagsabgeordnete Ziegler jüngst getan hat.
(Zuruf von Oliver Kirchner, AfD)
Dann wird, wer den Rechtsextremismus benennt, zum Demokratiefeind erklärt. Das ist nicht nur eine Strategie, die wir hier schon zigfach erlebt haben, es ist auch eine sehr einfache Strategie. Es ist die Strategie, die jedes Kindergartenkind anwendet, wenn es im Streit sagt: Nein, du!
(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Nur, meine Damen und Herren, dass sich Kindergartenkinder in aller Regel nicht wünschen, dass die Kinder um sie herum deportiert werden,
(Oh! bei der AfD - Daniel Roi, AfD: Leute!)
dass Kindergartenkinder grundsätzlich sympathisch sind und dass sich Kindergartenkinder nicht bewaffnen und der AfD anschließen, um einen Putsch zu planen.
(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)
Das nur am Rande bemerkt weist schon darauf hin, dass dieser Landtag von der Anwesenheit von Kindergartenkindern deutlich mehr profitieren würde als von der Anwesenheit der AfD-Fraktion.
(Beifall und Lachen bei der LINKEN - Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Dr. Katja Pähle, SPD, lacht)
Aber das ist gar nicht mein Punkt. Schauen wir uns noch einmal den Titel dieser Aktuellen Debatte an. Wir lesen von einem „Faeser-Putsch“, der Name der Bundesministerin für Inneres und Heimat verbunden mit dem Wort „Putsch“.
(Lothar Waehler, AfD: Genau!)
In der jüngsten Geschichte finden wir vergleichbare Verbindungen prominent zweimal.
(Guido Kosmehl, FDP: Röhm!)
Historikerinnen und Historiker beschreiben unter anderem mit „Hitler-Putsch“ den Versuch von Nationalsozialisten im Jahr 1923, die Regierung in Berlin zu stürzen. Eben jene Nationalsozialisten erfanden und prägten in ihrer Propaganda elf Jahre später die Rede vom „Röhm-Putsch“, um die Ermordung von mindestens 90 Mitgliedern der nationalsozialistischen Führung vermeintlich zu rechtfertigen.
(Daniel Rausch, AfD: „Rollator-Putsch“ haben sie in der Presse geschrieben!)
Wer heute den Namen eines Politikers oder einer Politikerin mit einem Bindestrich mit dem Begriff „Putsch“ verbindet, der weiß das natürlich. Die extreme Rechte weiß das allemal.
Wir haben die Rede von Herrn Kirchner gehört. Was soll denn hier angedeutet werden? Jede Bezugnahme, jede denkbare Lesart dieses Begriffes ist infam und geschichtsrevisionistisch.
(Beifall bei der LINKEN)
Genau darum geht es. Genau das ist gemeint, wenn wir über Diskursverschiebung reden.
Diese zwei Worte im Titel zeigen die rechtsextreme Propaganda des gesamten Antrags, die er ist. Das allein wäre ein erneuter Tiefpunkt für dieses Parlament, aber das ist ja nicht alles.
Gehen wir weg von der Propaganda und hin zu den Fakten, sehen wir unter anderem die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Malsack-Winkemann in Untersuchungshaft, weil sie mit einer terroristischen Vereinigung einen Staatsstreich vorbereitet haben soll.
(Lothar Waehler, AfD: Soll!)
Wo wird denn also tatsächlich ein gewaltsamer Umsturz geplant? Wo wird denn ein Putsch geplant? - In der extremen Rechten. Deren zentrale Kraft ist diese AfD.
(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)
Umsturzpläne, die Zusammenarbeit mit gewaltbereiten Neonazis, eine Konferenz zur Planung der millionenfachen Vertreibung von Menschen, die historischen Bezüge schafft die AfD nicht nur in Titeln. Sie schafft sie jeden Tag als Teil ihres Kampfs gegen die Demokratie, gegen die Freiheit, gegen soziale Gerechtigkeit.
Wer sich dagegen wehrt, der findet - und das ist mehr als ein historischer Bezug - Hakenkreuze an seinem Wohnhaus, wie zuletzt geschehen bei der Präsidentin des Landtags von Thüringen,
(Jan Scharfenort, AfD: Aus welcher Ecke das wohl kommt! Hakenkreuze!)
oder der wird mit einem Brandanschlag angegriffen, wie der Kollege von der SPD-Fraktion in Thüringen Michael Müller.
Der Kampf der extremen Rechten ist ein gewaltsamer, brutaler Kampf, immer. Volle Solidarität an dieser Stelle mit den Kolleginnen in Thüringen.
(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)
In den vergangenen Wochen haben wir aber noch etwas anderes gesehen. Wir haben gesehen, wie Hunderttausende Menschen in der gesamten Bundesrepublik und in Sachsen-Anhalt, ob in den großen Metropolen oder in den kleinen Dörfern, auf die Straßen gegangen sind, immer und immer wieder, gegen die extreme Rechte, gegen die AfD.
Die AfD hat einmal plakatiert: Vollende die Wende! Tatsache ist, wir haben erst kürzlich in Halle mit 16 000 Menschen die größte Demonstration seit dem Jahr 1989 gesehen, die größte Demonstration, weil kein anderes Anliegen seitdem so viele Menschen auf die Straßen gebracht hat wie die Verteidigung der Demokratie, die Verteidigung der Demokratie gegen die AfD.
(Beifall bei der LINKEN - Jan Scharfenort, AfD: Die Regierung ruft zu Demonstrationen auf! Junge, Junge! Das kennzeichnet autoritäre Regime!)
Viele der Demonstrationen haben auch die Forderung nach einer Prüfung des Verbotes der AfD beinhaltet. Ausgelöst wurden sie auch durch die für alle sichtbar gewordene Vernetzung von AfD, Konservativen und Mitgliedern der Identitären Bewegung. Wer richtigerweise über ein AfD-Verbot nachdenkt, der muss erst recht über ein Verbot der Identitären Bewegung nachdenken.
(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von Jan Scharfenort, AfD)
Die Bundesministerin muss handeln und die vorhandenen Instrumente auch anwenden; denn schauen wir nun auf das Papier, gegen das die extremen Rechten hier anreden, finden wir darin Punkt 8: rechtsextreme Netzwerke zerschlagen. Doch - und das ist insgesamt das Problem an diesem Papier - das ständige Ankündigen von Maßnahmen kann diese nicht ersetzen. Wo ist, Punkt 10 des Papiers, das Demokratiefördergesetz? Bis heute ist es nicht verabschiedet worden, obwohl wir spätestens seit den NSU-Untersuchungsausschüssen wissen,
(Jan Scharfenort, AfD: Oh!)
wie dringend es gebraucht wird.
Die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen bleiben weiter gefangen in einem Kampf mit der FDP,
(Guido Kosmehl, FDP: Oh!)
die nicht regieren will, sondern es als ihre wesentliche Leistung betrachtet, die anderen vom Regieren abzuhalten.
(Andreas Silbersack, FDP, lachend: Frechheit! - Jörg Bernstein, FDP: Frechheit, Frau Quade!)
Das gilt auch für Punkt 9 des Plans, die Entwaffnung von Rechtsextremisten. Es liegt seit mehr als einem Jahr ein Entwurf des Bundesinnenministeriums vor. Bis heute ist daraus kein Gesetz geworden.
(Guido Kosmehl, FDP: Ja!)
Während Hunderttausende Menschen bundesweit aus Sorge um die Demokratie und die Freiheit dieser Gesellschaft auf die Straße gehen,
(Jörg Bernstein, FDP: Braucht es dann überhaupt ein Gesetz, Frau Quade?)
können sich SPD, FDP und GRÜNE nicht einmal darauf einigen, der extremen Rechten kriegswaffenähnliche Halbautomatikwaffen wegzunehmen.
Meine Damen und Herren! Die Antwort auf diese Demonstrationen wäre nicht die Wiederholung von Ankündigungen überfälliger Maßnahmen durch die Bundesinnenministerin, sondern ihre Umsetzung.
Noch nötiger als Reden von Politikerinnen des Landtags auf den verschiedenen Demos wäre es, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, was hier im Land besser laufen muss, um rechte Gewalt zu ahnden und zu bekämpfen. Wenn z. B. die politische Motivation der schweren Angriffe in Seehausen und die Abwertung und Feindmarkierung der Betroffenen durch die Angreifenden als „Zecken“ vor Gericht nicht gewürdigt werden und wenn darin kein politisches Motiv gesehen wird, obwohl die Richtlinien zum Umgang mit politisch motivierter Gewalt genau das vorsehen, dann gibt es Handlungsbedarf.
(Zustimmung von Hendrik Lange, DIE LINKE - Jan Scharfenort, AfD: Austeilen und nicht einstecken können!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Hunderttausenden machen gerade richtigerweise deutlich, dass es mit der AfD schlichtweg nichts zu verhandeln gibt, dass sie gestoppt und dass ein Verbot ernsthaft geprüft werden muss. Eine adäquate Antwort von uns als Abgeordnete dieses Hauses wäre es auch, sich zu überlegen, ob es wirklich noch angemessen ist, über jede rechtsextreme Propaganda in diesem Haus ausführlich zu debattieren, wie wir es heute auch wieder getan haben.
(Beifall bei der LINKEN - Lothar Waehler, AfD: Was soll denn das für eine Demokratie sein! Wo gibt‘s denn so was!)
Mit der AfD gibt es nichts zu besprechen, schon gar nicht über den Schutz der Demokratie. - Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Frau Quade, es gibt eine Frage von Herrn Schumann. Wollen Sie sie beantworten?
(Henriette Quade, DIE LINKE, schüttelt den Kopf - Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE: Nein!)
- Nein.
Dann gibt es eine Intervention von Herrn Mertens. - Bitte sehr, Herr Mertens.
Christian Mertens (AfD):
Vielen Dank. Ich möchte einfach ganz kurz aus der „Neuen Zürcher Zeitung“ zitieren:
„Der deutsche Staat soll nach Faeser den Moment seines Einschreitens gegen die Bürger deutlich nach vorn verlegen. Der Verdacht, die falsche Gesinnung zu haben, soll ausreichen, um in sein Bankkonto zu schauen, ihm die legal besessene Waffe wegzunehmen oder ihn aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen. […] Die neue Herrschaft des Verdachts hat zudem eine politische Schieflage. Das ‘rechte Vorfeld’ wird genauestens vom Verfassungsschutz, dem deutschen Inlandgeheimdienst, beobachtet. Das linke Vorfeld bezieht unterdessen großzügige Förderung vom Staat.“
Frau Quade, uns ist allen bekannt, dass Sie eine großzügige Förderin und Unterstützerin des linken Vorfelds sind und dass Sie jeden, der das in irgendeiner Art und Weise bedenklich findet, als Rechtsextremisten oder dergleichen kritisieren, jeden, der versucht, den Diskurs zumindest ein wenig in die Mitte zurück zu verschieben, nachdem Leute wie sie jahrzehntelang darauf hingearbeitet haben, diesen in die linksextreme und linksradikale Ecke zu verschieben und auch den Staat in diese Richtung zu bewegen. Das verwundert mich tatsächlich in keiner Weise.