Nicole Anger (DIE LINKE):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich gebe es ja zu: Meine Erwartungen waren relativ hoch, als ich die Überschrift Ihres Antrags las. Ich dachte: Wow, da passiert jetzt richtig was mit innovativen Maßnahmen für das Land.
Aber leider bleibt der Antrag doch hinter den Erwartungen zurück, die meine Fraktion und die ich an der Stelle haben. Aber nichtsdestotrotz sind wir uns darin einig, dass wir entsprechende Anstrengungen in diesem Land unternehmen müssen, um etwas gegen den Fachkräftemangel in der Pflege zu tun. Wir brauchen in der Tat sowohl motivierte Pflegefachkräfte als auch Pflegehelfer*innen in den Einrichtungen - ob ambulant oder stationär.
Doch da, meine Damen und Herren, geht es für mich schon los: Wir müssen aufhören, diese Bereiche immer wieder getrennt voneinander zu denken und auch getrennt voneinander zu finanzieren. Denn wenn Träger sowohl ambulante als auch stationäre Angebote haben, müssen die Fachkräfte in beiden Bereichen einsetzbar sein. Die Trennung der Bereiche trägt nicht zu einer ganzheitlichen Pflege bei - und ebenso wenig zu guten Rahmenbedingungen.
Wenn es in einem Bereich einen Personalengpass gibt, darf das aus dem anderen Bereich nicht kompensiert werden. - Das ist doch bürokratischer Unsinn. Da lässt man lieber Menschen unterversorgt, anstatt die bürokratischen Schranken in der Pflege abzubauen.
(Beifall bei der LINKEN)
Aber lassen Sie mich doch noch einmal einen Blick auf einzelne Punkte Ihres Antrags werfen. In Punkt 2 fordern Sie einen Abschluss Pflegeassistenz, und zwar dann, wenn die Prüfung zur Pflegefachkraft nicht bestanden wurde. Vielleicht sollten wir stattdessen auch noch einmal deutlich eruieren - meine Kollegin Monika Hohmann hat es gerade angesprochen -, warum ein Drittel den Abschluss nicht besteht. Wir verlieren viele junge, motivierte Menschen bereits auf dem Wege der Ausbildung. Dazu habe ich Fragen und darüber würde ich gern weiter diskutieren.
Ich habe Sie auch schon gefragt: Was unterscheidet die Pflegeassistenzen von den Pflegehelfer*innen? - Frau Dr. Schneider hat das dankenswerterweise auch noch einmal betont in ihrer Rede und gesagt: Wir brauchen eine andere Durchlässigkeit. Damit wir keine Doppelstrukturen aufbauen, sollten wir aber auch noch einmal über andere Punkte reden.
Mich würde an der Stelle interessieren, wie wir Pflegehelfer*innen ganz konkret weiterqualifizieren können - also nicht nur die Ausbildung anpassen, sondern diese auch aufwerten, bspw. indem Pflegehelfer*innen den sogenannten Spritzenschein erlangen können, damit sie z. B. bei der Vergabe von Insulin unterstützen können. Das dürfen sie momentan nicht und das erschwert den Berufsalltag in der Pflege.
Und wie stellen Sie sich unter Punkt 4 das Nachholen der Praxiseinsätze vor? Auch dazu habe ich Fragen: Was mache ich in dem Zeitraum, nachdem ich meine Abschlussprüfung gemacht habe und auf das Nachholen meiner Pflichteinsätze warte? Arbeiten darf ich in dem Beruf dann noch nicht, denn die Zulassung fehlt, und ich hänge in der Luft. Das ist keineswegs zu Ende gedacht; da braucht es noch eine Klärung.
Meine Damen und Herren! Daran kann man arbeiten. In den einzelnen Punkten muss man noch Verbesserungen herbeiführen, damit es am Ende auch ein Boost wird.
Aber das, was sie unter Punkt 6 - Zeitarbeitsfirmen - einen Boost nennen, ist keine Verbesserung der Pflege. Das ist ein Affront gegen alle, die die Pflege wirklich verbessern wollen.
(Ulrich Siegmund, AfD: Da sind Sie bei der AfD!)
Das Leitbild der Pflege ist Beziehungsarbeit. Sie ist bedarfsorientiert und stark mit Vertrauen und Interaktion verbunden. Beziehungsarbeit ist mit Zeitarbeit in keinster Weise zu vereinbaren, es sei denn - und so passiert es häufig in der Realität , dass die bei den Pflegeeinrichtungen angestellten Pflegefachkräfte im Nebenjob über die Zeitarbeitsfirma wieder in das eigene Haus kommen und sich etwas hinzuverdienen. Das ist eine völlig absurde Situation, die wir hier in der Pflege haben, die aber leider real ist.
Die Praxis - auch das haben wir heute Morgen gehört - spricht sich für Springerpools aus. Aber für solche innovativen Modelle fehlt ein Absatz in Ihrem Antrag und es fehlt auch eine entsprechende Förderung und Unterstützung durch das Land. Springerpools sind eine gute Alternative zur Zeitarbeit.
Ich will unbedingt noch einmal darauf hinweisen, dass es bereits einige Einrichtungen gibt, die sogenannte Elternschichten einführen. Da werden Eltern aus Nachtschichten oder Feiertagsschichten herausgenommen, damit sie bei ihrer Familie sein können. Diese Sachen funktionieren in einigen Einrichtungen und das sollten wir stärker unterstützen.
Meine Damen und Herren! Wir haben einen Mangelberuf. Wir reden darüber, wie wir Pflegekräfte für die Pflege gewinnen und in der Pflege halten wollen. Pflegefachkräfte beklagen sich über die schlechten Rahmenbedingungen, die auch durch die Zeitarbeit weiter verschlechtert werden. Denn Pflegekräfte der Zeitarbeitsfirmen arbeiten nicht nachts, an den Wochenenden und an Feiertagen. Das geht alles zulasten der Festangestellten.
Das wird auf deren Rücken ausgetragen und es treibt die Kosten für die Bewohner*innen in die Höhe. Daran verdienen einzig und allein nur die Zeitarbeitsfirmen. Sie wollen diese Zeitarbeit verstetigen. Das nenne ich einen arbeitsmarktpolitischen Irrsinn. Zeitarbeit hat in der Pflege nichts zu suchen. Zeitarbeit macht die Pflege kaputt. Deswegen bitten wir um die Zustimmung zu unserem Änderungsantrag.
Um es kurz zu sagen: Bei der Abstimmung über den Antrag der Koalitionsfraktionen werden wir uns der Stimme enthalten; er geht uns sich weit genug. Liebe Kolleg*innen der GRÜNEN, Ihren Antrag werden wir ablehnen. Der Akademisierungsoffensive stehen wir äußerst skeptisch gegenüber. -Vielen Dank.