Sebastian Striegel (GRÜNE):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Herbst letzten Jahres traten Jesidinnen und Jesiden in Deutschland in einen lang andauernden Hungerstreik und demonstrierten vor dem Reichstagsgebäude in Berlin. Haben Sie davon etwas mitbekommen? Sie nahmen dabei sogar körperliche Schädigungen in Kauf und mussten zum Teil ins Krankenhaus gebracht werden. Haben Sie davon etwas mitbekommen? - Nein.
Hat nicht der Bundestag erst vor einem Jahr - es ist gesagt worden - die Verbrechen an den Jesidinnen und Jesiden durch den Islamischen Staat im Irak als Völkermord anerkannt? Die weltweit größte jesidische Exilgemeinschaft befindet sich in Deutschland. Mehr als 200 000 Jesidinnen leben hier. Diese Menschen haben hier bei uns Schutz vor Vertreibung, Vergewaltigung und Tod gesucht. Haben wir diesen Menschen ein sicheres Dach über dem Kopf gegeben? - Ja. Reißen wir es nun wieder ab? - Ich meine, wir sollten das nicht tun.
Im Jahr 2023 ist die Zahl der Abschiebungen in den Irak stark angestiegen. Wurde in den Jahren 2021 und 2022 noch niemand aus Sachsen-Anhalt in den Irak abgeschoben, begann die Landesregierung im Jahr 2023, mehrere Personen in den Irak abzuschieben. Es bleibt zu befürchten, dass darunter auch Jesidinnen und Jesiden waren oder es in Zukunft sein werden, wenn wir jetzt nichts ändern.
Meine Damen und Herren! Jesidinnen und Jesiden sind als Überlebende des Völkermordes im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention als Flüchtlinge anzuerkennen. Deswegen schließen wir uns den Forderungen nach Schutz an und meinen, das auch mit guten Gründen für Sachsen-Anhalt einfordern zu können.
Nehmen Sie sich ein Beispiel am CDU-geführten Innenministerium Schwarz-Grün in NRW und verhängen Sie einen befristeten Abschiebestopp in den Irak, bis das Bundesinnenministerium aktiv wird und den entsprechenden Abschiebestopp auch für Jesidinnen und Jesiden beschließt.
Derzeit läuft im Bereich des Auswärtigen Amtes - auch das ist schon gesagt worden - die Neubewertung der Sicherheitslage für den Irak. Ich meine aber, dass wir neben einem Abschiebestopp den Jesidinnen und Jesiden auch insgesamt eine sichere und langfristige Aufenthaltsperspektive geben müssen.
Ich komme zu einer grundsätzlichen Bemerkung zum Themenkreis Migration. Wir müssen uns an dieser Stelle miteinander ehrlicher machen. Wenn jemand hier ist, wenn jemand gut integriert ist, dann gibt es gute Gründe, ihm am Ende auch einen Spurwechsel zu ermöglichen und zu sagen: Leute, es mag sein, dass jetzt sogar eine sichere Sicherheitslage im Irak vorhanden ist, und trotzdem kann es sinnvoll sein, dass Menschen hierbleiben.
Ich werbe dafür, dass wir zu einem flexibleren und uns ehrlich machenderen Migrationsrecht kommen. Die Ampel hat dafür gut vorgelegt. Ich glaube, wir sind einige wichtige Schritte gegangen, aber wir sind noch lange nicht am Ziel. - Herzlichen Dank.
(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Einen Augenblick, Herr Striegel. Es gibt eine Frage von Herrn Dr. Tillschneider, wenn Sie diese zulassen.
(Sebastian Striegel, GRÜNE: Nein!)
- Herr Striegel lässt die Frage nicht zu.
Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):
Dann interveniere ich halt, ich habe mich ja hingestellt.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Sie haben sich erst gemeldet gehabt. Das war deutlich eine Frage. Sie haben sich eben erst hingestellt. Es tut mir leid.