Sebastian Striegel (GRÜNE):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Putsch gegen Grundrechte“ las ich und dachte mir: Naja, wenn sich irgendjemand mit einem gewaltsamen Versuch, mit einer militärischen oder paramilitärischen Gruppierung eine Regierung zu stürzen, auskennt, dann die rechtsextreme Truppe der AfD hier im Hause.
(Lachen bei der AfD - Zuruf von Jan Scharfenort, AfD)
Denn gegen Putsche haben Sie ja eigentlich gar nichts; Sie führen ja jeden Tag den Kampf gegen demokratische Werte und unsere Verfassung.
(Zuruf von der AfD)
Ich darf erinnern: Eine ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete, die vor einer Woche noch auf dem Wahlzettel zur Wiederholungswahl des Deutschen Bundestags stand, sitzt aktuell in Untersuchungshaft,
(Zuruf von der AfD)
weil sie durch den Generalbundesanwalt beschuldigt wird, mit weiteren Rechtsextremisten unter Inkaufnahme von Toten einen Putsch geplant zu haben. Das ist besuchswürdig - finden drei Mitglieder Ihrer Bundestagsfraktion. - Was ist das denn? Der Arbeitskreis der Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige in der AfD-Fraktion?
Falls Sie nach historischen Begebenheiten für einen Putsch suchen, schauen Sie auf die Ereignisse im März 1920, als im Kapp-Putsch Mitglieder der Reichswehr die noch junge Republik umzustürzen suchten, oder auf das Jahr 1923 - hier schon erwähnt - als am 8. und 9. November Hitler und Ludendorff erfolglos versuchten, vom Bierkeller an die Macht zu gelangen. Das waren Umsturzversuche.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Ihr Versuch, die notwendige Debatte um staatliche Maßnahmen gegen Rechtsextremisten zu diffamieren, erinnert an ein kleines Kind am Holzsteckwürfel - die Kindergartenkinder waren heute schon ein Thema , wenn es versucht, das rechteckige Holz durch die dreieckige Öffnung zu drücken: Es wird nicht klappen, meine Damen und Herren.
Sie müssen sich einmal entscheiden: Wollen Sie wieder einmal empört aufstehen und rumschreien, wenn jemand die AfD - Meinung oder überprüfbare Tatsachenbehauptung - als rechtsextrem bezeichnet oder sich in gespielter Empörung auf die Bundesinnenministerin stürzen, die endlich ihren Job macht und staatliche Instrumente gegen Verfassungsfeinde schärft?
Meine Damen und Herren, Nazi sein heißt, Probleme kriegen - dahin müssen wir endlich wieder kommen.
(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)
Ihr rechtsextremer Kampf gegen die verfassungsmäßige Ordnung kann sich nicht auf den Schutz der selbigen stützen. Demokratie in unserem Land ist wehrhaft. Der nun vorgestellte Maßnahmenkatalog der Bundesministerin ist die schnelle, weil auch in Teilen gleiche Antwort aus dem Jahr 2022 auf die stetig wachsende Gefahr durch Rechtsextremisten. Ich halte ihn grundsätzlich für richtig, und es ist wichtig, dass wir konkrete Fortschritte im Kampf gegen Verfassungsfeinde machen. Das betrifft insbesondere ihre Finanzierung.
Ich weiß, das ist heute auch sehr deutlich geworden: Die AfD ist in diesen Tagen nervös. Denn gerade stürzt ihr über Jahre sorgsam aufgebautes Lügengebäude in sich zusammen. Das Volk steht gar nicht hinterlegt Ihnen,
(Lachen bei der AfD - Zuruf von Oliver Kirchner, AfD)
nicht einmal, wenn sie AfD-Demos bei Tiktok erfinden.
Mehr als 3,7 Millionen Menschen sind seit den Veröffentlichungen von „Correctiv“ überall in Deutschland gegen Ihre Deportationspläne auf die Straßen gegangen.
(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Zuruf von der AfD)
Überall, auch in Sachsen-Anhalt, haben sie für unsere Demokratie demonstriert: in Salzwedel, in Gardelegen, in Tangerhütte, in Burg, in Magdeburg, in Schönebeck, in Osterode, in Stapelburg, in Wernigerode, in Halberstadt, in Blankenburg, in Quedlinburg, in Aschersleben, in Dessau, in Wittenberg, in Bitterfeld, in Halle, in Sangerhausen, in Schkopau, in Schnellroda, in Weißenfels, in Naumburg und in Zeitz. Am Wochenende werden wir in Merseburg auf die Straße gehen.
(Unruhe bei der AfD - Zuruf von Daniel Roi, AfD)
Immer dabei auch die von Ihnen so geschmähten Kirchen, Christinnen und Christen, die mehr Sorge - unser Bischof hat es gesagt -
(Zuruf von Oliver Kirchner, AfD)
vor Entmenschlichung haben als vor einer scheinbaren Überfremdung.
(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)
3,7 Millionen Menschen - eine Demokratiebewegung, die überall zeigt: Von einer rechtsextremen Minderheit werden wir unser Land nicht kaputtmachen lassen;
(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Lachen bei der AfD)
eine Demokratiebewegung, die zeigt: Deutschland ist ein vielfältiges Land; eine Demokratiebewegung, die nicht hinnimmt, dass politische Ideen von der Ungleichheit der Menschen wieder Fuß fassen. Deutschland hat von Nazis immer noch genug und wird auch immer genug haben.
(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)
Unsere Demokratie ist neutral gegenüber den unterschiedlichsten politischen Überzeugungen. Sie sichert jedem und jeder das Recht zu, sich politisch zu betätigen und für seine oder ihre Interessen zu streiten. Doch auch diese weitgehenden Freiheitsrechte gelten nicht grenzenlos.
Der Staats- und Verfassungsrechtler Karl Löwenstein, der selbst vor den Nationalsozialisten in die Vereinigten Staaten floh, drückt es so aus ich zitiere :
„Bei dem Versuch, der totalitären Bedrohung seiner eigenen Werte und seiner Existenz schlechthin zu begegnen, sieht sich der konstitutionell-demokratische Staat vor das größte Dilemma seit seiner Entstehung gestellt. Entschließt er sich, Feuer mit Feuer zu bekämpfen und den totalitären Angreifern den Gebrauch der demokratischen Freiheiten zur letztlichen Zerstörung aller Freiheiten zu verwehren, handelt er gerade den Grundsätzen der Freiheit und Gleichheit zuwider, auf denen er selbst beruht. Hält er aber an den demokratischen Grundwahrheiten auch zugunsten ihrer geschworenen Feinde fest, setzt er seine eigene Existenz aufs Spiel.“
Ende des Zitats.
Er begründete damit die Idee der wehrhaften Demokratie. Die Demokratie zeigt sich intolerant gegenüber denen, die versuchen, sie zu beseitigen. Es ist ein absolutes, ein illiberales Element in einer ansonsten liberalen Demokratie.
Doch es ist eben keine Begrenzung der politischen Meinung; es ist eine Begrenzung illiberaler Auffassungen, nach denen die Menschenwürde, eines unserer Grundrechte, in ihrem Menschenwürdekern abgeschafft, nach denen unser föderaler Staatsaufbau abgeschafft, nach denen die grundlegendsten Prinzipien unseres Staates, das Demokratieprinzip und das Rechtsstaatlichkeitsprinzip, angetastet werden sollen. Die wehrhafte Demokratie schützt nicht per se ihre Institutionen. Sie schützt die grundlegendsten Elemente, die eine Demokratie für ihre Existenz benötigt.
Zum Positionspapier der Bundesinnenministerin möchte ich noch anführen: Ich teile ihr Ansinnen, die Resilienz der Demokratie zu stärken. Da, wo zentrale Verfassungsorgane offen und ungeschützt vor einer möglichen Aushöhlung liegen, müssen wir diese stärken und schützen.
Neben dem Aufstand der Anständigen braucht es eben auch den Anstand der Zuständigen. Es braucht eine Kultur des Hinschauens und Handelns im öffentlichen Dienst. Unsere Regelwerke und Gesetze bieten hier bereits eine Vielzahl von Möglichkeiten, auch Verfassungsfeinden zu begegnen. Wir müssen sie aber konsequent nutzen.
Auch als Land sollten wir unsere kommunalaufsichtsrechtlichen Möglichkeiten nutzen und stärken, um einerseits einem allgemeinen Laissez-faire und andererseits rechtswidrigem Fehlverhalten im Einzelnen entgegenzutreten.
Rechtsextreme mögen - ich glaube, das zeigen die Ereignisse der letzten Wochen - keine Mehrheit in der Bevölkerung haben. Unter libertären Millionären und in Putins Russland scheint es aber doch den einen oder anderen Unterstützer zu geben.
Ich halte es für zentral, rechtsextremistischen Netzwerken die Geldhähne abzudrehen und sie zu zerschlagen. Verzweigte Stiftungen, die Geldverschleierungsmaschine Schanze Eins oder der Verein „Ein Prozent“ - es zeigt sich doch immer wieder, dass große Geldsummen hinter den rechtsextremen Netzwerken stecken, die Desinformation finanzieren mit dem Ziel, unsere Demokratie zu destabilisieren. Dass die AfD bei diesen Punkten laut aufschreit, kann ich nachvollziehen. Sie sind ja Teil, originärer Teil dieser Netzwerke.
(Zustimmung von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE - Zuruf von der AfD)
Erstens. Offenbar sind diese rechtsextremen Vorfeldorganisationen auch wichtige Netzwerke, um Geldgeberinnen für Sie zu akquirieren. Das zeigen auch die Recherchen zu dem Treffen in Potsdam. Dort soll der Vorsitzende Ihrer Fraktion um Spenden in Höhe von 1,3 Millionen € für den Wahlkampf in Sachsen-Anhalt geworben haben.
Zweitens. Rechtsextreme Vereinigungen wie die „Identitäre Bewegung“, „die Heimat“, „die freien Sachsen“ oder die Reichsbürgerbewegung sind trotz formalistischer Unvereinbarkeitserklärung reger Anlaufpunkt für Ihre Parteimitglieder.
(Zuruf von der AfD)
Und wir müssen ergänzen, dass auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk und die Kultureinrichtungen in unserem Land weiterhin die ausreichende Sicherung für die Erfüllung ihres Auftrags und die Gewährleistung ihrer Freiheit bekommen. Wenn ich höre, dass die AfD dem Theater in Eisleben die öffentliche Förderung streichen will,
(Zuruf von der AfD: Ja!)
weil Mitarbeiter*innen auf einer Demonstration ein Banner hochhalten, auf dem „Demokratie, Toleranz, Vielfalt und Menschenwürde“ steht, dann lässt das doch tief blicken.
(Beifall bei den GRÜNEN - Unruhe bei der AfD)
Dieses Plakat ist nicht mehr, aber auch nicht weniger als das Bekenntnis zu den Grundwerten unseres Landes. Daraus lässt sich noch nicht einmal eine politische Meinung erkennen. - Entschuldigen Sie einmal, wovon fühlen Sie sich denn hier bedrängt? Wo fängt denn bei Ihnen die Intoleranz gegenüber unseren Institutionen an? Wo hört bei Ihnen denn Ihre Betroffenheit eigentlich auf?
Sie gleichen einer Mimose im Wind, die sich bei der leichtesten Berührung verletzt gibt und sich verschließt. Sie haben Ihr ständiges Opfernarrativ überzogen; es verfängt nicht mehr; es ist auserzählt. Durch unser Land geht momentan ein frischer Wind des Aufbruchs, des gestärkten demokratischen Bewusstseins und der Besinnung auf unsere Freiheitsrechte. Machen wir die Fenster auf! Lassen wir ihn herein! Nie wieder ist jetzt!
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Offensichtlich gibt es dann doch noch eine Intervention von Herrn Tillschneider. - Bitte, Herr Tillschneider.
Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):
Zu dieser Theatergeschichte noch einmal ganz grundsätzlich: Es besteht kein Anspruch darauf, gefördert zu werden. Nur, weil man die Förderung versagen will, greift man noch nicht in die Kunstfreiheit ein. Wenn ein Theater als Institution - ich spreche nicht davon, dass die als Privatpersonen auf einer Demo waren - sich bei dieser Demonstrationswelle gegen die AfD beteiligt - das können sie ja machen , dann soll es doch bitte nicht erwarten, dass wir uns für dessen Förderung aussprechen. Wenn man uns sozusagen vor das Schienbein tritt, dann kann man doch nicht erwarten, dass wir dann sagen, wir schmeißen euch das Geld hinterher.
(Beifall bei der AfD)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Sie können antworten, Herr Striegel.
Sebastian Striegel (GRÜNE):
Sehen Sie, Herr Tillschneider, Sie haben das mit der Kunstfreiheit nicht verstanden.
(Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD: Doch!)
Es gibt in diesem Land eine Menge Theater, die vermutlich auch kritisch auf grüne politische Vorhaben gucken,
(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP: Nee! - Lachen bei der AfD - Zurufe von der AfD)
die die SPD oder die CDU für Dinge kritisieren. All denen steht diese Freiheit zu. Ich bin froh, dass wir Theater finanzieren und dort keine Inhaltskontrolle durchführen. Das zeichnet nämlich einen freiheitlichen Staat aus. - Herzlichen Dank.