Kathrin Tarricone (FDP):
Ganz herzlichen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Proteste der Bauern gegen die Politik der Bundesregierung sind keinesfalls ein neues Phänomen dieser Legislaturperiode. Auch gegen die Politik der Ministerin Klöckner rollten die Traktoren nach Berlin. Aber: Neu ist der Umfang der Proteste, der zeigt, dass das Maß für viele Bauern eben nicht mehr nur gestrichen voll ist.
Autobahnblockaden sind trotzdem das falsche Mittel. Auch wenn sie anders als bei den Klimaklebern meist angemeldet sind, trifft man besonders diejenigen, die auf dem Weg zur Arbeit sind und als Steuerzahler unser Gemeinwesen finanzieren. Selbst wenn die stufenweisen Kürzungen der Agrardieselrückerstattung vermutlich nicht zurückgenommen werden, können aber die Proteste größere Erfolge an anderer Stelle erzielt haben.
Der Bundesfinanzminister und die Bundestagsfraktion der Freien Demokraten arbeiten bspw. an einer Neuauflage der Tarifermäßigung in der Einkommensteuer. Ich möchte daran erinnern, dass ein Anschluss für die befristete Regelung von 2016 trotz einer Initiative unter anderem aus Sachsen-Anhalt im Jahr 2022 keine Mehrheit im Bundesrat gefunden hat. Auch in die Debatte um eine steuerfreie Risikorücklage kommt nun wieder Leben - gut so.
Nun zum Antrag der GRÜNEN. Das, was Sie hingegen in Ihrem Antrag fordern, würde dem Großteil der sachsen-anhaltischen Landwirtschaft alles andere als nutzen, eher im Gegenteil.
(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)
Der Antrag bedient im Wesentlichen die Interessen einer kleinen Anzahl von Betrieben. Deren Nische hat eine Existenzberechtigung, wenn Sie Verbraucher finden, die bereit sind, für ein vermeintliches Bullerbü zu bezahlen.
(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU - Zuruf von Olaf Meister, GRÜNE)
Eine Förderung bestimmter Betriebsformen am Markt vorbei ist aber genauso falsch, wie es ungerecht wäre, ihnen durch staatliche Maßnahmen bessere Wettbewerbsbedingungen zu verschaffen.
(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Ach, das stimmt doch gar nicht! - Guido Kosmehl, FDP: Doch das stimmt! - Zuruf: Was stimmt nicht?)
Das wollen die GRÜNEN aber. Mit einem Agrarstrukturgesetz sollen kleine Betriebe günstiger an Flächen kommen, indem diese den großen Betrieben verwehrt werden. Wir Freien Demokraten beteiligen uns nicht am Ausspielen von Klein gegen Groß
(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)
und von konventionell gegen ökologisch.
(Sebastian Striegel, GRÜNE: Das ist die Ursache für die Schwierigkeit aller Bauern! - Zuruf von Olaf Meister, GRÜNE)
- In aller Ruhe. - Wir wollen landwirtschaftliche Betriebe, die verantwortungsvoll mit allen Ressourcen umgehen, einen Beitrag zur Versorgungssicherheit der Bevölkerung leisten und sich am hart umkämpften Markt behaupten können. Wenn neue Züchtungsmethoden de facto aber verboten bleiben und der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln noch weiter eingeschränkt würde, wie das die GRÜNEN wollen, reduziert das zwar den Wirtschaftsnachteil derjenigen, die solche Technologien sowieso nicht einsetzen wollen, aber sie schadet allen anderen Betrieben und benachteiligt sie gegenüber der europäischen Konkurrenz.
(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)
Wir wollen ganz im Gegenteil die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln und die Zulassung moderner Züchtungsmethoden, nämlich damit die Bauern mit weniger Aufwand einen ordentlichen Ertrag erzielen können, etwa indem sie weniger Treibstoff für Bodenbearbeitung benötigen und Pflanzen anbauen können, die per se weniger Wasser und weniger Schutz durch Pflanzenschutzmittel brauchen.
Am meisten wäre den Bauern aber sicherlich damit geholfen, wenn Auflagen und Bürokratie - das haben wir schon mehrfach gehört - auf das unbedingt notwendige Maß zurückgeführt würden. Es ist kein Wunder, dass sich gestandene Landwirte gegängelt fühlen und sich einem ständig wachsenden Misstrauen gegenübersehen. Um das übergelaufene Fass sukzessive zu leeren, sollten wir in Deutschland auf europäische Vorgaben nicht noch eines daraufsetzen, sondern - im Gegenteil - in Brüssel auf eine Verringerung der Belastung drängen.
Ich bin nicht nur Christian Lindner außerordentlich dankbar, sondern auch Ihnen, lieber Herr Minister Schulze, weil Sie effektiv in Ihrem Zuständigkeitsbereich überprüfen lassen, welche Möglichkeiten wir bei der Entbürokratisierung haben.
(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU - Minister Sven Schulze, nickt)
Es nützt aber nichts, wenn wir als Fraktionen mit dem Finger auf Berlin, Brüssel und Sachsen-Anhalt zeigen und immer die Schuld dem anderen zuschieben. Vielmehr müssen wir jeder in seinem Bereich das Problem lösen; denn wir wollen nämlich eines: Wir wollen Lösungen, die Haarwasser mit Duft sind.
(Beifall und Lachen bei der FDP - Zustimmung und Lachen bei der CDU)
Ich nehme Bezug - das können Sie auf der Tribüne leider nicht verstehen; hier haben es alle verstanden - auf eine Rede von Herrn Schulenburg. Das wollen wir also. Wonach soll denn das Haarwasser duften?
(Zuruf von der CDU: Da gibt es viele!)
- Nach Vertrauen in die Landwirte, nach verbesserten Chancen im Wettbewerb, nach Marktwirtschaft und nach leeren Fässern.
Aus diesem Grund können wir den vorliegenden Antrag nur ablehnen.
(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Frau Tarricone, einen Augenblick.
(Olaf Meister, GRÜNE: Welcher Duft wird es denn?)
Kathrin Tarricone (FDP):
Landwirtschaft!
(Zurufe: Oh!)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Wir haben zwei Fragen und eine Intervention -zuerst eine Frage von Herrn Roi.
Daniel Roi (AfD):
Vielen Dank. - Die Debatte heute ist vielleicht ein Stück weit eine Gelegenheit, um Klarheit hineinzubringen, wer wofür steht. Ich habe eine konkrete Frage zu der öffentlichen Debatte um eine Aussage Ihres Fraktionsvorsitzenden. Herr Silbersack hat, als die Proteste der Bauern auch in unserem Bundesland spürbar zu sehen waren, gesagt, dass er dafür kein Verständnis hat. Er sagte: Wo ist der Unterschied zu den Klimaklebern? Er stellte die Bauern also mit den Klimaklebern in eine Reihe.
(Sebastian Striegel, GRÜNE: Physikalisch ist das tatsächlich dasselbe!)
Er sprach auch von Nötigung. Er hat daraufhin starke Kritik bekommen, nicht nur aus der Bauernschaft, sondern auch aus der FDP selbst. In der „Mitteldeutschen Zeitung“ sowie in der „Volksstimme“ wurde der Sohn von Ihrem leider verstorbenen Kollegen Johann Hauser zitiert, der das deutlich zurückgewiesen hat.
Meine Frage ist: Wie sehen Sie das? Sind Sie der Meinung Ihres Kollegen Silbersack? Oder stehen Sie an der Seite der Bauern? Vielleicht würden Sie das heute einmal klarstellen, wie die FDP-Fraktion das hier im Landtag sieht.
Kathrin Tarricone (FDP):
Herr Roi, das habe ich doch in meiner Rede gemacht.
(Zurufe bei der CDU: Ja! - Richtig!)
Ich habe eindeutig Stellung bezogen dazu. Herr Silbersack ist dort falsch zitiert worden. Er ist verkürzt zitiert worden und hat sich dazu mittlerweile erklärt.
(Oliver Kirchner, AfD: Das kenne ich! - Zuruf von der AfD: Ich auch! - Daniel Roi, AfD: Ach so etwas gibt es wirklich?)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke. - Die nächste Frage stellt Frau Frederking.
Dorothea Frederking (GRÜNE):
Frau Tarricone, Sie bezeichnen marktwirtschaftliche Ansätze als Bullerbü.
(Guido Kosmehl, FDP: Nein! Ihre Ansätze sind Bullerbü! - Weitere Zurufe: Nein!)
Kathrin Tarricone (FDP):
Nein.
Dorothea Frederking (GRÜNE):
Das verstehe ich nicht ganz. Sie sind doch sonst immer so für die Kräfte der Märkte. Ich verstehe nicht, wieso Sie Bedenken haben, dass eine verbindliche Kennzeichnung bei tierischen Lebensmitteln über die Haltungsbedingungen der Tiere nicht die Kräfte am Markt entfalten soll. Die Verbraucherinnen und Verbraucher können dann doch entscheiden, was sie kaufen möchten. Wieso möchten Sie dieses Vorhaben denn vereiteln und warum wollen Sie das nicht wirken lassen am Markt?
Kathrin Tarricone (FDP):
Sie haben das ganz schön gesagt. Ich würde das super gern wirken lassen am Markt. Wenn Verbraucher tatsächlich darauf reagieren, dass sie sich ausweislich und klar definiert Haltungsbedingungen angucken und an der Supermarktkasse sagen: In Ordnung, ich bezahle mehr dafür, weil ich diese Haltungsbedingungen möchte, dann sehen Sie in mir eine Partnerin. Ich bin niemand, der das verhindern will. Ich will nur verhindern, dass man so etwas am Markt vorbei regelt. Das, was wir erleben, ist quasi immer ein: Ja, natürlich wollen wir mehr Tierschutz. Wer will denn erzählen: Ich will nicht mehr Tierschutz? Aber an der Supermarktkasse habe ich den Igel in der Tasche.
(Zuruf von Olaf Meister, GRÜNE)
Dann kaufe ich doch wieder, weiß ich nicht, das billige Schweinefleisch von sonst wo.
(Guido Kosmehl, FDP: Guck mich dabei nicht an! - Lachen bei der FDP und bei der CDU)
- Nein! Ich muss doch irgendwo hingucken. - Das ist doch das: Wenn der aufgeklärte und interessierte Verbraucher tatsächlich seine Absichtserklärung in eine Kaufentscheidung überführt, bin ich die Glücklichste, die Sie sich vorstellen können.
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke, Frau Tarricone.
Dorothea Frederking (GRÜNE):
Ich habe eine Nachfrage.
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Ja, Sie haben eine Nachfrage. - Bitte.
Dorothea Frederking (GRÜNE):
Dann verstehe ich Sie also richtig, dass Sie das mit der Kennzeichnung gut finden und Sie wollen den Verbraucherinnen und den Verbrauchern auch die Chance dafür geben. Dann haben wir uns an dieser Stelle richtig verstanden.
Kathrin Tarricone (FDP):
Ja.
Dorothea Frederking (GRÜNE):
Das heißt, es gibt gar keine Regulierung, die Sie ablehnen würden?
Kathrin Tarricone (FDP):
Ich will nur nicht ein staatliches „Daraufpacken“ von Geld, das bei den Landwirten nicht ankommt. Ich möchte die Eins-zu-eins-Entscheidung: Ich zeige dir, wo das Stück Fleisch herkommt, wie das aufgewachsen ist und ich kaufe es.
(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Das ist doch genau das, was wir sagen! - Dorothea Frederking, GRÜNE: Das ist genau die Kennzeichnung, die jetzt eingeführt wird! - Zuruf von der CDU: Ja!)
- Das ist doch schön.