Tagesordnungspunkt 9

Beratung

Interkollegialer Ärzteaustausch

Antrag Fraktionen CDU, SPD und FDP - Drs. 8/3437


Diesen Antrag wird der Abg. Herr Krull einbringen. 


Tobias Krull (CDU):

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Wir beschäftigen uns heute mit einem Antrag zur Thematik Kinderschutz. In unserer Verfassung ist dieser in Artikel 11 verankert. Dabei hat das Thema nicht nur für die CDU, sondern für die gesamte Koalition einen hohen Stellenwert. Das wird nicht nur allein dadurch deutlich, dass sich im Koalitionsvertrag die Kapitelüberschrift „Kinderschutz und Familie“ findet. Darüber hinaus beschäftigen sich viele weitere Akteure mit dem Thema, z. B. das Netzwerk gegen Kinderarmut, welches zum Thema Kinderschutz hier in den Räumen des Hohen Hauses einen eigenen Fachtag unter dem Titel „Baustelle Kinderschutz“ veranstaltet hat. 

Die kinderschutzpolitischen Sprecher der Unionsfraktion setzen sich unter Anleitung meiner hochgeschätzten Landtagskollegin Christina Schulze Föcking aus Nordrhein-Westfalen schon seit geraumer Zeit mit den verschiedenen Möglichkeiten des Kinderschutzes auseinander. Neben Tim Teßmann, der diesen Antrag federführend erarbeitet hat, gehöre ich diesem Netzwerk an. Ich möchte auf die Dimension dieser Problematik aufmerksam machen. 

In Deutschland gab es im Jahr 2022 den Rekordwert von 60 000 Fällen der Kindeswohlgefährdung. Beim sexuellen Kindesmissbrauch wurden in der Bundesrepublik 15 500 Anzeigen registriert. Das Dunkelfeld ist vermutlich weitaus größer. Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht davon aus, dass es in Deutschland bis zu 1 Million Fälle geben kann. Konkret bedeutet das, dass davon in jeder Schulklasse ein bis zwei Kinder betroffen sind. An dieser Stelle möchte ich nicht weiter auf die Zahlen der Verbreitung sogenannter Kinderpornografie eingehen. Dieser Begriff ist übrigens aus meiner Sicht falsch. Es handelt sich um die übelste Form des Kindesmissbrauchs und sollte auch so benannt werden. 

(Zustimmung bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Ich hatte die Gelegenheit, mit anderen CDU-Abgeordneten beim LKA Nordrhein-Westfalen die Zentrale Auswertungs- und Sammelstelle Kinderpornografie zu besuchen. Ohne Details zu nennen, möchte ich nur kurz mein Fazit nennen: Es ist unglaublich, was Menschen Kindern und Jugendlichen antun können.

Dabei sind die Täter häufig nicht die Fremden, vor denen wir unsere Kinder warnen. In ca. 25 % der Fälle kommen sie aus dem familiären Umfeld und in rund 50 % aus dem sozialen Nahraum. Natürlich erregen die großen aufgedeckten Missbrauchsfälle wie in Lügde oder in Münster vermehrt öffentliches Interesse. Der Großteil der Fälle passiert aber unter den geschilderten Umständen. Davon sind alle gesellschaftlichen Schichten betroffen - ohne Ausnahme. 

Es sollte unser gemeinsames politisches Ziel sein, alles dafür zu tun, unsere Kinder und Jugendlichen vor sexueller, physischer und psychischer Gewalt zu schützen. 

(Zustimmung von Stephen Gerhard Stehli, CDU, von Kerstin Godenrath, CDU, und von Konstantin Pott, FDP)

Mit dem eingereichten Antrag wollen wir erreichen, dass der interkollegiale Ärzteaustausch ermöglicht wird,

(Unruhe)

  es ist übrigens sehr schade, dass der AfD-Fraktion offensichtlich das Wohl unserer Kinder und Jugendlichen nicht sehr wichtig ist; denn ansonsten würden Sie mehr Konzentration an den Tag legen -

(Zustimmung - Zurufe von Felix Zietmann, AfD, von Daniel Rausch, AfD, und von Nadine Koppehel, AfD)

damit sich Ärztinnen und Ärzte im Verdachtsfall austauschen können.

Unter der damaligen unionsgeführten Bundesregierung wurde das Gesetz zur Stärkung des aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen - Bundeskinderschutzgesetz - im Jahr 2021 auf den Weg gebracht. Damit wurde den Ländern die Option geschaffen, diesen interkollegialen Ärzteaustausch zuzulassen. Diese Möglichkeit sollten wir nutzen. Nordrhein-Westfalen und Bayern haben dies bereits getan. 

Gerade wenn die Täter und Täterinnen aus der Familie stammen, insbesondere wenn der Missbrauch durch die Eltern selbst erfolgt, könnte durch sogenanntes Ärzte-Hopping - also, der Wechsel der Arztpraxis - versucht werden, diesen Missbrauch zu verschleiern. Dann werden Lügen aufgetischt. Wenn die Nachfragen zu viel werden, dann wird einfach die nächste Arztpraxis aufgesucht. Wenn sich Ärztinnen und Ärzte heute über diesen Fall austauschen würden, dann begingen sie einen Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht. Darüber hinaus wäre ggf. § 203 Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuches, der die Verletzung von Privatgeheimnissen beinhaltet, relevant und damit strafbedroht. 

An dieser Stelle wollen wir den Ärztinnen und Ärzten Rechtssicherheit geben, in der Hoffnung, dass Verdachtsfälle schnellstmöglich aufgeklärt werden, um den Schutz von Kindern und Jugendlichen zu stärken. 

Unabhängig davon obliegt es der Ärzteschaft, bei einem Missbrauchsfall das zuständige Jugendamt zu informieren. Selbstverständlich wollen wir den Datenschutz nicht aushebeln. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, Datenschutz darf nicht zum Täterschutz werden. 

(Zustimmung von Stephen Gerhard Stehli, CDU)

In diesem Sinne wäre eine Verlängerung der Speicherfristen für IP-Adressen zum Schutz vor Missbrauch von Kindern und Jugendlichen im Internet wünschenswert. Der Präsident des Bundeskriminalamtes Holger Münch hat hierzu eine Fristverlängerung von vier Wochen vorgeschlagen. 

In die Überarbeitung des Gesetzes über die Kammern für Heilberufe Sachsen-Anhalt wollen wir die Ärztekammer und andere Interessensvertreter selbstverständlich mit einbinden.

Im Namen der Antragsteller bitte ich im Sinne der Stärkung des Kinder- und Jugendschutzes in unserem Land um Zustimmung zu unserem Antrag. 

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, und bei der FDP)