Andreas Silbersack (FDP): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Büttner, was Sie gerade wieder gemacht haben, war nicht wirklich überraschend, aber es war Ihr Gemischtwarenladen aus Angst, den Sie quasi täglich bei sich tragen,

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU - Zuruf von Matthias Büttner, Staßfurt, AfD)

und mit dem Sie versuchen, diese Angst im Land weiterhin zu schüren. Ich halte das für unredlich. Ich halte das auch für unsozial; das muss ich ganz klar sagen. Ich verstehe das, ehrlich gesagt, auch nicht. Sie sagen auf der einen Seite, wenn das Agrardieselthema gelöst ist, dann ist alles schick. Im nächsten Satz sagen Sie, das Land wird gegen die Wand gefahren. Sie üben sich grundsätzlich in Endzeitstimmung.

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Ich sage nur, was ist!)

- Doch, das ist Ihr Geschäftsmodell. Das können Sie tun. Aber dann müssen Sie wissen, was Sie mit den Menschen machen. Das ist das Problem.

Deshalb haben Sie wirklich gar nichts mit der Weltoffenheit der Liberalen zu tun. Das war ohne inhaltlichen Tiefgang, das war einfach die Plattitüden herausgeblasen, damit wieder klar wird, was Ihre Punkte sind: Agrardiesel, Migration, Entwicklungshilfe. Es ist immer dasselbe. Im Grunde genommen, kann man einen Trailer machen, und das jedes Mal wieder von neuem abspielen.

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Also die Politik ändern!)

Das ist aber nicht das, was wir im Landtag brauchen, meine Damen und Herren.

(Zurufe von der AfD)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Ampelkoalition in Berlin stellt seit zwei Jahren die Bundesregierung und hat einen strukturellen Reformbedarf geerbt. Das wurde schon mehrfach gesagt. Es war die CDU-geführte Bundesregierung unter Angela Merkel, die in den letzten Jahren für den Stillstand im Land sorgte,

(Guido Heuer, CDU: Ihr wart auch dabei!)

auch in der Landwirtschaft.

(Marco Tullner, CDU: Wer war denn da noch dabei?)

Ich erinnere an Frau von der Leyen in der EU, Green Deal,

(Marco Tullner, CDU: 13 Jahre Sozialdemokraten! Nicht vergessen, bitte!)

Chemikalienverbot - all das kommt auch aus Richtung CDU. Insofern ist es, glaube ich, gut und wichtig, wenn wir hier im Land Sachsen-Anhalt 

(Unruhe)

als Deutschlandkoalition die Dinge sehr gut machen, aber nie vergessen, dass vor den zwei Jahren in Berlin die CDU über viele Jahre mitregiert hat. Das ist ein Gebot der Fairness, das gehört dazu.

(Marco Tullner, CDU: Ihr aber auch! - Unruhe)

Wir haben die Bauernproteste, die letztendlich Ausfluss der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sind. Dass die Sorgen und Nöte bei den Bauern, bei den Landwirten da sind, ist völlig richtig, ist in Ordnung. Das ist nicht nur das Thema Agrardiesel. Das ist überbordende Demokratie, 

(Guido Heuer, CDU: Demokratie? - Dr. Katja Pähle, SPD: Demokratie?)

- Entschuldigung, Bürokratie, das ist diese Fördersystematik.

(Unruhe)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Silbersack, einen Augenblick. - Wenn Sie vielleicht im Plenum etwas mehr Aufmerksamkeit und Konzentration aufbringen könnten. Es wird langsam mit dem Geräuschpegel ungemütlich. - Herr Silbersack, bitte.


Andreas Silbersack (FDP):

Selbst wenn wir die Kürzungen, die in Berlin beschlossen wurden, zurücknehmen würden, dann würden trotzdem, glaube ich, Fragestellungen bleiben. Wichtig ist, dass man gemeinsam Lösungen sucht.

Am meisten wäre den Bauern geholfen, wenn die Auflagen und die Bürokratie auf ein erträgliches Maß zurückgeführt würden. Darunter leiden die Landwirte seit Jahrzehnten. Das muss man ganz deutlich sagen. Dadurch ist in den letzten Jahrzehnten ein Förderpopanz entstanden, der für die Landwirte einfach unerträglich ist.

Auch bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln kann dafür gesorgt werden, dass Bauern mit weniger Aufwand einen ordentlichen Ertrag erzielen können - wir hatten das Thema Glyphosat  , indem sie weniger Treibstoff für die Bodenbearbeitung benötigen. Deshalb wäre es keineswegs zum Schaden der Republik, wenn die Bauern ihre Belange wieder mit größerem Selbstbewusstsein vortragen. Wir unterstützen das Ganze auch. Es ist richtig, dass man sich damit auseinandersetzt, aber eben im demokratischen Diskurs.

Wir werden sehen, dass diese Proteste, denen sich Handwerker und andere Unternehmer angeschlossen haben, dazu führen werden, dass man sich austauscht. Aber es bedarf des demokratischen Austauschs. Es darf nicht gegen das Übermaßverbot verstoßen werden.

Was die Bauern aber auch brauchen, ist das Thema eines freien Marktes. Wenn wir eine freie Marktwirtschaft in dem Bereich hätten, wäre den Bauern sehr stark geholfen. Das ist etwas, was wir in den letzten Jahrzehnten unter verschiedenen Regierungen nicht in dem Maße berücksichtigt haben.

Global bedeutet das - das ist das Thema des Bürokratieabbaus, der Subventionen und Handelsbarrieren  , dass 87 % der Agrarsubventionen wettbewerbsverzerrend sind und der Umwelt oder kleineren Unternehmen schaden. Die derzeitigen Agrarsubventionen werden meist über Zölle oder Fördergelder verteilt, die an die Herstellung und den Anbau bestimmter Produkte geknüpft sind. Diese sind ineffizient, verfälschten Preise, schaden der Gesundheit, zerstören die Umwelt und führen zu Chancenungleichheit.

Eine vollständige Handelsliberalisierung würde die größten globalen Wohlfahrtsgewinne bringen. Fakt ist, die Subventionspolitik im Bereich der Landwirtschaft sollte grundsätzlich überdacht werden. Es ist dringend notwendig, aus der Subventionsabhängigkeit herauszukommen. Dies sollte zumindest das längerfristige Ziel sein.

Wir brauchen daher mehr Mut für Marktwirtschaft, und d. h. auch weniger Subventionen für die Landwirtschaft. Wir erkennen aber die Realitäten an und haben verstanden, gemeinsam an fairen Wettbewerbsbedingungen zu arbeiten.

Als FDP-Fraktion haben wir ein Zehnpunkteprogramm für die Landwirtschaft auf den Weg gebracht, um konstruktiv mit den Landwirten für die besten Lösungen für die Landwirte im Land Sachsen-Anhalt zu streiten und diese voranzubringen.

(Zuruf von der AfD: Wann setzen Sie das um?)

Wir stehen für machbare Lösungen und brauchen eine konstruktive Debatte und Gestaltungswillen für die zukünftige Landwirtschaft. Das ist unser Ansatz und das werden wir umsetzen. Wir stehen als Liberale fest an der Seite der Landwirte, der Handwerker, der Unternehmen insgesamt. Das steht in unserer DNA.

Aber ich will auch allgemein etwas zu den multiplen Krisen sagen, die wir derzeit haben. Sicherlich hat die Ampel in Berlin nicht alles richtig gemacht,

(Zuruf von Marco Tullner, CDU)

aber als der Koalitionsvertrag im Jahr 2021 geschlossen wurde, war die Geschäftsgrundlage noch eine andere. Wir hatten Energiepreise, die aufgrund des billigen russischen Gasis günstig waren. Wir hatten das Thema Klimawandel, wir haben das Thema Corona. Das heißt, wir haben multiple Krisen. Wir haben das Thema Inflation, das heißt, wir haben einen bunten Blumenstrauß.

Das, was man sicherlich sagen und auch von Berlin erwarten kann, ist, dass man den Menschen reinen Wein einschenkt, dass man ehrlich ist, dass man sich ehrlich macht, dass man nicht von den Menschen etwas abverlangt.

Ich glaube, dass die Menschen im Land gut mit Ehrlichkeit umgehen können. Diese Ehrlichkeit muss tatsächlich - auch aus Berlin heraus - noch stärker in das Land hineingetragen werden.

Wir haben nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine einfach eine Situation, dass sich, auch was die Frage des Green Deal, die Frage der erneuerbaren Energien, der Umstellung auf erneuerbaren Energien, das Ganze eben fundamental verändert. Das muss man einfach so deutlich sagen. Man kann nicht so tun, als wenn das nicht so wäre. Deshalb muss man sich möglicherweise für das eine oder andere mehr Zeit nehmen. Deshalb ist es erforderlich, technologieoffen alle Energieträger mit hineinzunehmen, einschließlich der Atomkraft bzw. moderner Kernkraftunternehmen. -Das musste an der Stelle einmal gesagt werden.

Eines ist auch klar - und es ist auch zutreffend; das besagen auch die Umfragen  : Wir haben in der Bevölkerung Abstiegsängste. Diese Abstiegsängste werden auch dadurch hervorgerufen, dass Ängste geschürt werden. Es gilt, diesen Abstiegsängsten tatsächlich mit Offenheit, mit Klarheit und mit Transparenz zu begegnen.

Fakt ist aber - das muss den Menschen im Land gesagt werden  : Wir haben ein Jahrzehnt erlebt, welches für Deutschland wirtschaftlich so erfolgreich war wie selten zuvor. Wir haben eines der reichsten Länder der Welt. Das muss den Menschen auch gesagt werden. Wir fahren das Land nicht gegen die Wand. Wir haben die Situation, dass sich jeder ernähren kann. Wir haben die Situation, dass jeder sozial aufgefangen wird. All diejenigen, die hier wieder den Untergang beschreien, die schreien, wir erleben das Ende der Welt, die vergehen sich an der Gesellschaft; das muss man klipp und klar sagen.

(Zuruf)

Ich möchte Ihnen eines sagen: Jetzt werden immer die Vergleiche mit der Zeit vor hundert Jahren gewählt. Wer sich ein Stück weit mit der Geschichte befasst und schaut, wie es in den Jahren 1923/1924 aussah, der sieht, da ist man mit einer Schubkarre zum Bäcker gefahren und hat sich ein Brot gekauft, da war die Entwertung der eigenen Grundstücke da. Wir sind nicht in dieser Situation. Das müssen wir den Menschen sagen. Wenn hier von Aufstand geredet wird, wenn gesagt wird, wir müssen den Volksaufstand gegen all das, was hier ist, leisten - nee, in der Situation sind wir nicht. Wir als Politik haben die Verantwortung, die Menschen mitzunehmen, aber eben auch zu sagen: Wir sind nicht in der Situation wie 1925 oder 1924. Wir haben hier keine Rentenmark.

(Unruhe)

Insofern vergehen Sie sich - da gucke ich auch in Richtung AfD -an den Leuten, wenn Sie einen solchen Eindruck vermitteln. Sie müssen den Leuten auch einmal sagen: Uns geht es gut. Wir haben Probleme. Die Ampel macht nicht alles richtig. Wir müssen demütiger werden. Aber trotzdem gilt es, hier liberale gemeinsame Politik insgesamt für das Land zu betreiben; das ist tatsächlich unsere Aufgabe. 

Die Hyperinflation der 20er-Jahre des letzten Jahrhunderts haben wir nicht und die wollen wir auch nicht haben. In dieser Situation, in der Menschen unsicher sind, wo sie psychisch belastet sind - man braucht sich ja nur einmal die Anzahl der Leute anzuschauen, die sich psychiatrisch behandeln lassen  , belastet sie das alles, diese Grenzgänge, das Auseinanderdriften in der Gesellschaft, das Spalterische. Deshalb ist es wichtig, dass die politische Mitte gestärkt wird. Die Menschen wollen Sicherheit. Sie wollen politische Führung. Sie wollen Ausgeglichenheit. All das ist etwas, was wir als Politik lernen und leisten müssen.

Wir haben eine gesellschaftliche Verantwortung. Die haben wir in Sachsen-Anhalt natürlich auch. Ich bin dankbar, dass wir als Deutschlandkoalition mit CDU, SPD und FDP genau das liefern, dass wir den Menschen im Land sagen: Wir wissen um unsere Probleme, aber wir bieten auch Lösungen an.

Wir sollten auch mit der Ampel in Berlin einen Weg finden, um konstruktiv die Dinge anzugehen und nicht als ersten Reflex schreien, die Ampel muss weg. Wir werden das nicht tun. Wir sind an konstruktiver inhaltlicher Politik interessiert.

(Zuruf)

Insofern möchte ich mit den Worten von Kant schließen; denn das Wichtigste, was wir haben, ist eben die Freiheit. 

(Unruhe - Zuruf: Ja!)

Er einmal gesagt hat: „Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des anderen beginnt“. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Silbersack. - Es gibt eine Frage von Herrn Roi. Wollen Sie die beantworten? Zulassen? Beantworten? - Sie kommen wieder zum Rednerpult. Dem entnehme ich, dass Sie die zulassen. Dann kann Herr Roi seine Frage stellen. - Bitte.


Daniel Roi (AfD): 

Danke. - Sie haben gesagt, Sie stünden fest an der Seite der Landwirte. Als die Proteste auch hier in Sachsen-Anhalt waren, wurden Sie ja in der „Mitteldeutschen Zeitung“ auf Seite 1 zitiert und haben die Landwirte mit den Klimaklebern gleichgestellt. Da wäre jetzt meine Frage: Haben Sie das wirklich so ernst gemeint? Denn jemand, der das macht, der steht nicht an der Seite der Landwirtschaft.


Andreas Silbersack (FDP): 

Das lässt sich einfach erklären. Das, was ich gesagt habe - das wurde letztendlich aus dem Zusammenhang gerissen - ist: Eine Nötigung kennt in unserem Rechtssystem keinen Unterschied in der Person desjenigen, der die Nötigung begeht. Das heißt, es wird personenunabhängig gemacht. Das habe ich als Vertreter des Rechtsstaates gesagt, wobei ich der Auffassung bin - ich hoffe, Sie auch  , dass es keinen Unterschied macht, wer einen anderen nötigt. 

Der Fall, dass ein Rechtfertigungsgrund durch eine Genehmigung vorliegt, was wir in dem Fall haben, ist damit nicht gemeint. Das habe ich damit auch nicht gemeint.

Insofern ist für mich hier die Aussage bezogen auf den Rechtsstaat gewesen. Dazu sollten wir alle hier in dem Raum die gleiche Auffassung haben.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Gut.


Daniel Roi (AfD): 

Nur noch einmal kurz dazu. Es soll ja jetzt wieder eine Demonstration hier am Domplatz stattfinden. Stellen Sie sich doch dort auf die Bühne und sagen Sie, uns geht es gut, und verhalten Sie nicht wie die Klimakleber. Machen Sie das einmal. Dann werden Sie die Reaktion der Landwirte und der Handwerker mitkriegen. Was Sie gemacht haben, geht aus meiner Sicht überhaupt nicht. Das wollte ich Ihnen an dieser Stelle nur sagen.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Das ist aber jetzt keine Nachfrage.


Daniel Roi (AfD):

Solche Politiker brauchen die Landwirte nicht an ihrer Seite, die sie mit den Klimaklebern gleichsetzen.

(Zurufe)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Silbersack, wollen Sie noch antworten?


Andreas Silbersack (FDP): 

Nein. Was soll ich dazu sagen?


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Das war ja auch keine Nachfrage mehr.