Cornelia Lüddemann (GRÜNE): 

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Lieber Kollege Heuer, ich habe so ein bisschen das Gefühl, dass die Aktuelle Debatte heute hier aufgesetzt wurde, um von eigenen Verfehlungen und Versäumnissen aus der Vergangenheit abzulenken. 

(Zuruf von der CDU)

Man darf ja nicht vergessen: Das, was die Ampelregierung vorgefunden hat, beruht auf 16 Jahren mehr oder weniger erfolgreicher oder nicht erfolgreicher Arbeit der CDU.

(Zuruf von der CDU)

Und schauen wir uns an, wo wir heute stehen: niedrigste Arbeitslosenquote seit der friedlichen Revolution, höchste Quote an erneuerbaren Energien, Gasspeicher trotz Krieg und Diktaturen gefüllt. 

(Zuruf von der CDU: Genau so ist es!)

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz und die Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes sind der Beginn eines zukunftsorientierten Umgangs mit der Realität, einer Realität, die CDU-Regierungen so lange verdrängt haben, nämlich dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Des Weiteren gibt es eine Wahlrechtsreform, an der Regierungen vorher gescheitert sind, sowie ein neues Selbstbestimmungsgesetz. Ich könnte noch vieles erzählen, ich will aber noch auf zwei Punkte, hier in Sachsen-Anhalt wirkend, hinweisen, die mir auch persönlich sehr wichtig sind, nämlich die gesicherte Förderung von Intel und das gesicherte Wasserstoffprojekt für alternative Flugantriebe in Leuna sowie die Wiederaufnahme der Förderung für Wärmepumpen. Das sind Fakten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Schauen wir auf die B-Note, dann haben wir eine Bundesregierung, die es uns allen, glaube ich, in der Performance nicht immer einfach macht. Das ist unübersehbar. Mehr Transparenz, mehr erklären, mehr kommunizieren, das würde vielen vieles leichter machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mal ehrlich: Es nervt uns doch alle, wenn Verabredungen und Einigungen innerhalb der Ampel oft schon nach wenigen Stunden wieder aufgekündigt werden, gern vom Bundesfinanzminister.

(Zurufe)

Und ja, auch Inhalte, die ich mir persönlich wünsche, bspw. mehr Geld für Schiene und Nahverkehr statt neuer Straßen und Autobahnen, kommen zu kurz.

(Zurufe von der CDU und von der AfD)

Doch nicht vergessen: Ein Koalitionsvertrag ist immer auch ein Kompromiss. Wer wüsste das besser als wir Parlamentarier hier in Sachsen-Anhalt.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zurufe)

Aber im Grunde haben wir doch eine Regierung, die sich in sehr schwieriger Konstellation zusammengefunden hat und Stück für Stück den gemeinsamen Koalitionsvertrag abarbeitet. Die Erfolgskommunikation könnte besser sein; keine Frage. 

Aber - das darf man redlicherweise nicht unter den Tisch fallen lassen -: Das alles geht nicht im geordneten, verabredeten Verfahren. Das kann es auch gar nicht. Denn wer hätte bei der Bildung dieser Bundesregierung vorhersehen können, dass das Undenkbare geschieht und dass wir hier in Europa Krieg haben - die größte Herausforderung seit der Wiedervereinigung, der sich eine Bundesregierung stellen muss.

(Zuruf: Ach was!)

Dadurch bedingt wurden unterbrochene Lieferketten, eine existenzielle Energiekrise, Umstrukturierung des Haushaltes, um die Zeitenwende finanziell abzusichern - das alles vor dem Hintergrund, dass wesentliche Bereiche in Deutschland 16 Jahre lang brach lagen. Das gehört zur Wahrheit dazu. Und das muss in diese Debatte auch eingebracht werden.

Es ist ja nicht so, dass Sie als CDU das nicht hätten wissen können. Seit Jahren warnen Wissenschaftler vor übergroßer Abhängigkeit von Russland und China, zwei Staaten, die sich im Zweifel bedingungslos gegen uns, Deutschland, stellen. Wir haben es im Fall von Putin-Russland erlebt.

Jetzt muss ich einmal etwas sagen, was ich schon lange in diesem Hohen Hause sagen wollte. Auch in krisenhaften Zeiten erwarte ich von einer konstruktiven Opposition, dass sie kritisiert - das ist die Aufgabe, das ist das Wesen von Opposition  , dass sie kritisiert und kontrolliert, aber in einem sachlichen Ton, und nicht unser Heimatland immer in Grund und Boden schlechtredet. Das ist genau das, was die CDU in Person von Friedrich Merz jeden Tag tut: unser Land schlechtreden. Das ist insbesondere in diesen Zeiten der Systemkriege - Demokratie auf der einen Seite, Diktatur auf der anderen Seite -fahrlässig.

Wo sind die großen, weltbewegenden Vorschläge Ihrer CDU, Kollege Heuer? Ich höre nur, dass Sie die Ampelgewinne und -erfolge so schnell wie möglich zurückdrehen wollen,

(Zurufe von der CDU und von der AfD)

angefangen beim Bürgergeld, was ja die deutliche Botschaft vom Wirtschaftsforum der CDU vom Beginn dieser Woche ist. Oder wenn Sie sinnvolle Gesetze, die sich Bürgermeister, die sich Kommunalpolitiker, egal welcher Farbe, in diesem Land sehnlichst wünschen, wie z. B. die Novelle der Straßenverkehrsordnung, aus rein parteitaktischen Gründen blockieren.

Und, meine Herren, auch der Ton macht die Musik. Ich kann Ihnen empfehlen: Schauen Sie sich einmal die letzten Videos Ihres Bundestagsabgeordneten Sepp Müller an. Die Art und Weise, wie er der Ampel vorwirft, gegen die Demonstrationsfreiheit zu sein und den Schuss nicht gehört zu haben, ist für eine sachliche Debatte ungeeignet. Das trägt zur Spaltung in der Gesellschaft bei, auch zu weiterem Aufheizen der Debatte. Das müssen wir alle, die wir uns Demokratinnen und Demokraten nennen, verhindern; denn wohin das führt, haben wir heute Morgen hinlänglich diskutiert.

Ich und die GRÜNEN stehen für ein Deutschland, in dem freier Meinungsaustausch unter Menschen und Politikerinnen und Politikern geführt wird, mit Argumenten, Rede und Gegenrede. 

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das, was die CDU mit unsachlichem Auftreten macht, zahlt allein auf das Konto derer ein, die längst keine Rechtspopulisten mehr sind, sondern Faschisten, wie die Deportationspläne klar bezeugen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zum Kronzeugen der angeblich verfehlten Ampelpolitik haben Sie, Kollege Heuer, und die CDU sich die Landwirtschaft erkoren,

(Zuruf von der CDU: Was ist denn das für ein Quatsch?)

ein bei Bereich, der allein in den letzten 40 Jahren 31 Jahre lang von Ihnen, der CDU/CSU, verantwortet wurde.

(Unruhe)

Ich will fünf Punkte nennen, was Sie dort nicht geschafft haben. Erstens die Tierhaltungs-Kennzeichnung. Drei ehemalige CDU- und CSU-Landwirtschaftsminister und  ministerinnen, Ilse Aigner, Christian Schmidt, Julia Klöckner, haben sich daran versucht, aber rein gar nichts auf die Reihe gebracht. 

(Unruhe bei der CDU)

Erst Cem Özdemir, der Landwirtschaftsminister der aktuellen Regierung,

(Beifall bei den GRÜNEN - Unruhe bei der CDU)

hat geliefert. Seit August 2023 ist das Gesetz zur verpflichtenden Tierhaltungskennzeichnung in Kraft. Es ist also mehr als Hohn, wenn Sie das jetzt hier kritisieren.

(Zuruf von der CDU: Nee! Überhaupt nicht!)

Zweitens das Agrarstrukturgesetz. Seit 50 Jahren verschwinden kleine Agrarbetriebe nach dem Prinzip „Wachse oder weiche!“. Das Höfesterben läuft ungebremst, insbesondere in den westdeutschen Bundesländern. Der Bauernverband sperrt sich. Auch hier im Hohen Hause sind wiederholt Anläufe gescheitert, außerlandwirtschaftliche und überregionale Bodenspekulationen einzudämmen, gescheitert an der CDU, die jetzt hier ein Fass aufmachen will.

Drittens der Tierschutz-Cent. Die Debatte ist nicht neu. Früher war es das Tierwohl-Label. Tatsächlich, die Debatte ist sinnvoll. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher wünschen sich auch, dass hierbei etwas passiert. Es gibt hierzu einen Vorstoß - ebenfalls vom Bundeslandwirtschaftsminister -, der erneut am Widerstand der CDU zu scheitern droht. Der Tierschutz-Cent ist aber geeignet, genau das einzulösen, was Sie vorhin hier verlangt haben, nämlich eine dauerhafte Finanzierung sicherzustellen und den Betrieben Planungssicherheit zu geben. Machen Sie mit! Die Vorschläge sind da. 

Viertens Verbesserung für Milchviehbetriebe. Es kann doch nicht wahr sein - als Fachfremde wollte ich das nicht glaube, als ich mich vor Jahren dieser Debatte näherte  : Milcherzeuger geben heute Milch ab und erfahren erst Wochen später, für welchen Preis sie diese Milch verkauft haben. Das kann doch nicht wahr sein. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Hierbei müssen wir alle die Marktmacht der Erzeuger über verbindliche Verträge zwischen Milchviehbetrieben und Molkereien stärken. Aber ich sehe auch an dieser Stelle keine Unterstützung der CDU.

(Zuruf von Stefan Ruland, CDU)

Fünftens das Düngerecht. Hierzu ist festzustellen, dass das Düngerecht der damaligen CDU-Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner unzureichend war. Es war so unzureichend, dass es ein Vertragsverletzungsverfahren der EU mit der Androhung von Strafzahlungen in Milliardenhöhe gab.

(Guido Heuer, CDU: Wie im Bundeshaushalt!)

Kurz vor der Katastrophe - anders kann man es nicht nennen - konnten die grünen Ampel-Minister Steffi Lemke und Cem Özdemir diesen Fehler heilen,

(Minister Sven Schulze: Zulasten der Bauern!)

die Düngeverordnung auf den Weg bringen, die von der Kommission akzeptiert wird. 

Ich kann zusammenfassend nur empfehlen, konzentrieren wir uns in der großen politischen Auseinandersetzung auf den Feind, der uns alle, die wir es ernst mit der Demokratie meinen, nicht mehr als Demokratinnen und Demokraten in diesem Hohen Hause und in der Debatte haben will. 

Bekämpfen wir gemeinsam die AfD. Konzentrieren wir uns auf die Verteidigung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung in einem geeinten und freien Europa. Streiten wir mit sachlichen Argumenten, mit Fakten. 

(Nadine Koppehel, AfD: Lügen haben kurze Beine!)

Ganz ehrlich, Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich sehe Sie dabei in einer besonderen Verantwortung. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

16 Jahre lang haben Sie im Bund den Ausbau der erneuerbaren Energien verschleppt, den Kampf gegen die Klimakrise nicht geführt, die Landwirtschaft nicht modernisiert, 

(Zuruf von Dietmar Krause, CDU)

das Einwanderungsrecht verstauben lassen und Gleichstellungspolitik nur mit spitzen Fingern angefasst.

Sie sollten an Ihrer Performance arbeiten und sich doppelt in Konstruktivität üben, anstatt destruktive Oppositionsarbeit zu liefern.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Sie sind fertig, Frau Lüddemann? - Sie sind fertig. Es wurden eine Intervention von Herrn Scharfenort angezeigt, eine Frage von Herrn Heuer und eine weitere Intervention von Herrn Ruland. - Lassen Sie diese zu? - Ja. Dann fängt Herr Scharfenort an, bitte. 


Jan Scharfenort (AfD):

Erst einmal weise ich den Faschismusvorwurf hiermit zurück. Zweitens. Wenn Sie einmal an der Wahrheitsfindung interessiert wären - ich kann es nur empfehlen, auch hier im Haus und allen Parlamentariern  : Ein wirkliches journalistisches, investigatives Netzwerk, nämlich „Tichys Einblick“ - das übrigens auch die Wahlfälschung in Berlin aufgedeckt hat  , hat sehr gründlich zu „Correctiv“ recherchiert. 

(Lachen bei den GRÜNEN - Dr. Falko Grube, SPD, lacht)

Ich kann es jedem nur empfehlen, diesen Beitrag über die Machenschaften der Protagonisten, die dahinterstehen, welche Zahlungsströme da fließen, zu lesen, weil Sie sich allein auf dieses Netzwerk berufen und dessen Lügen, dessen Hass und dessen Hetze verbreiten. Das lasse ich mir nicht gefallen. 

(Zustimmung bei der AfD - Zurufe von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE, und von Guido Kosmehl, FDP)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

So    


Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

Ich hatte zugesagt, die Frage des Kollegen zu beantworten. 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Die Frage von Herrn Heuer. 


Guido Heuer (CDU):

Danke, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Kollegin Lüddemann, ich könnte zu so vielem Stellung beziehen, aber auf eines will einmal ich hinaus: Sie haben gesagt, die CDU hat die Bundesrepublik in eine Abhängigkeit von China und Russland geführt. Dazu frage ich mich ernsthaft - denn die SPD hat sich zur Causa Schröder positioniert  : Wie ist denn Ihre Position zur Causa Joschka Fischer in der Zeit?

(Guido Kosmehl, FDP: Joseph Fischer! - Zuruf: Das wäre einmal interessant!)


Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

Es geht um Entscheidungen, die in Regierungsverantwortung getroffen wurden. 

(Guido Kosmehl, FDP: Genau! Von 1998 bis 2005!)

Sagen Sie mir, an welcher Stelle Joschka Fischer dahin gehend Entscheidungen getroffen hat, die uns in eine solche Abhängigkeit geführt haben. 

(Zurufe: Steinewerfer! - Genau, Steinewerfer!)

Ich nehme nicht zu dem Stellung, was er nachher privatwirtschaftlich unternommen hat. 

(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP - Nadine Koppehel, AfD: Steinewerfer!)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Ruland, bitte. 


Stefan Ruland (CDU):

Geschätzte Frau Kollegin Lüddemann, ich möchte nur feststellen, Sie sind meisterlich darin, die Unzulänglichkeiten anderer festzustellen. Ich habe das Gefühl, dass Sie im Rahmen des Pflückens vom Baum der Erkenntnis über Ihre eigenen Unzulänglichkeiten, über Regierungshandeln, das einfach eins zu eins auf die CDU übertragen. 

Sie beanspruchen die Erfolge, die in 16 Jahren Merkel erzielt wurden - denn die Frau hat nicht nur Schlechtes geleistet, sondern auch viele, viele gute Sachen - als Ergebnis von zweieinhalb Jahren Ampelpolitik. Sie wollen aber alle faulen Früchte, die bei der Ernte immer einmal anfallen, auch wegen Schädlingsbefall, uns in den Korb legen. 

Wenn das redlich ist; wenn es das ist, was Sie an konstruktiver Zusammenarbeit erwarten, sollten Sie erst einmal vor der eigenen Haustür kehren und dann noch einmal auf uns zukommen. - Vielen Dank. 

(Zustimmung bei der CDU)


Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

Vielleicht ein Satz zur Kommentierung, wenn es erlaubt ist, Frau Präsidentin. - Das würde voraussetzen, dass Sie nicht uns etwas anlasten - „uns“ sage ich bewusst mit Blick auf den Dreierbund, der die Bundesregierung stellt  , 

(Marco Tullner, CDU: Das haben Sie gesagt!)

was auf Entscheidungen beruht, die Sie vorher, nicht Sie als Person, aber die die CDU in der hauptsächlichen Verantwortung in 16 Jahren getroffen haben. Das ist keine Grundlage für eine solche Debatte, die Sie sich offensichtlich wünschen. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN)