Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der Schutz von Kindern und Jugendlichen ist gesamtgesellschaftliche Verpflichtung. Kinderschutz ist ein hohes Gut, zu dessen Verwirklichung Staat und Gesellschaft gleichermaßen beizutragen haben. Auch daher wird der Schutz von Kindern und Jugendlichen mit einer Verankerung in Artikel 11 Abs. 1 unserer Landesverfassung besonders hervorgehoben.
Danach ist es zugleich Recht und Pflicht der Eltern, ihre Kinder zu erziehen. Körperliche oder seelische Misshandlungen dürfen Eltern selbstverständlich nicht anwenden und ihre Kinder solchen auch nicht aussetzen. Meine Damen und Herren Abgeordneten, insbesondere dort, wo Eltern dies missachten, muss zum Schutz der Kinder frühzeitig durch Staat und Gesellschaft gehandelt werden.
Situationen, bei der Misshandlungen oder Vernachlässigungen von Kindern und Jugendlichen anderen Personen außerhalb der Eltern-Kind-Beziehung bekanntwerden, sind ärztliche Untersuchungen. Neben Vorsorgeuntersuchungen für Kinder eignet sich als Mittel zur Vorbeugung und Erkennung von Kindesmisshandlungen ein sogenannter interkollegialer Ärzteaustausch.
Damit können Ärztinnen und Ärzte durch den rechtzeitigen Dialog mit ihren Kolleginnen und Kollegen helfen, eine Kindesmisshandlung treffsicher und frühzeitig festzustellen. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn Erziehungsberechtigte, die ihre Kinder misshandeln, häufiger den Arzt wechseln, um ihre Handlungen zu vertuschen. Die Fachwelt spricht vom Phänomen des Doktorhopping.
Ärztinnen und Ärzte können, wenn sie durch den interkollegialen Austausch eine Kindesmisshandlung sicher festgestellt haben, unter den Voraussetzungen des Kinderschutzgesetzes Sachsen-Anhalt das Jugendamt informieren, damit diese Schutzmaßnahmen für das Kind treffen kann.
Meine Damen und Herren Abgeordneten! Für einen interkollegialen Austausch bedarf es selbstverständlich einer gesetzlichen Grundlage, allein schon vor dem Hintergrund der Regelungen zur ärztlichen Schweigepflicht. Zwar können die Ärztin oder der Arzt von der Schweigepflicht entbunden werden, jedoch wird diese Erklärung bei Kindern und Jugendlichen im Regelfall nur von den Eltern als Erziehungsberechtigte abgegeben.
Sofern die Eltern ihre Kinder misshandelt haben, muss damit gerechnet werden, dass ihr Einverständnis verweigert wird. Dem begründeten Verdacht auf Misshandlung könnte dann nicht weiter nachgegangen werden. Das Kind oder der Jugendliche wäre weiterhin Misshandlungen ausgesetzt.
Neben der Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht kann es auch gesetzliche Offenbarungsbefugnisse für Ärztinnen und Ärzte geben. Zum Schutz der Kinder sollte hierfür eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden, damit sich Ärztinnen und Ärzte bei hinreichendem Verdacht auf Kindesmisshandlungen untereinander austauschen dürfen. Strafrechtliche Sanktionen sollen Ärztinnen und Ärzte hierfür nicht befürchten müssen.
Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich bin für den Antrag der Koalitionsfraktionen sehr dankbar, weil mein Haus zur Verbesserung des Kinderschutzes bereits an einer entsprechenden Ergänzung des Gesetzes über die Kammern für Heilberufe arbeitet, die wir in Kürze vorlegen werden. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der FDP)