Andreas Silbersack (FDP):

Unsere Frage richtet sich an den Wirtschaftsminister. Wir hören ja allerorten, zuletzt gestern Abend beim IHK-Neujahresempfang, dass der Fachkräftemangel in Sachsen-Anhalt vorhanden ist. Ich und wir als Fraktion würden einmal gern von Ihnen wissen: Wie schätzen Sie die derzeitige Lage ein und was müssen wir tun? 


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Herr Schulze, bitte. 


Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):

Vielen Dank. - Das, was Andreas Silbersack gerade gesagt hat, zeigt, dass man eigentlich bei fast jeder Veranstaltung, wo Wirtschaft am Tisch sitzt, wo Wirtschaft diskutiert, dieses Thema diskutiert. Deswegen antworte ich direkt auf die Frage: Ich schätze das schon als eines der wesentlichen Themen, als das wahrscheinlich am schwierigsten zu lösende Thema der nächsten zehn, 15 Jahre ein, auch für Sachsen-Anhalt.

Ich kenne noch die Zeit, als man in Sachsen-Anhalt über hohe Arbeitslosigkeit sprach. Heute haben wir eine Zeit, in der eigentlich keiner mehr arbeitslos sein muss. Deswegen gehe ich auf zwei Ebenen des Fachkräftemangels ein. Zum einen gehöre ich auch zu denjenigen, die sagen, dass wir in den verschiedenen Bereichen der Wirtschaft, in den nächsten Jahren nicht darum herumkommen werden, uns massiv darum zu kümmern, Menschen den Zuzug zu ermöglichen, und zwar auch von Menschen aus dem Ausland, die hier arbeiten wollen, die hier Steuern zahlen. Sie sind uns natürlich herzlich willkommen, weil wir sie brauchen.

(Unruhe)

Zum anderen nenne ich eine Zahl, die mich, was Deutschland angeht, sehr erschreckt hat. Wir haben ganz aktuell     Ich weiß ja nicht, die linke Seite hört kaum noch zu, aber es betrifft sie ja auch irgendwie. 


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Ich hatte auch gerade das Gefühl, dass es langsam ein wenig unruhig wird. 


Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):

Wir haben in Deutschland - das ist vielleicht nicht jedem bekannt - aktuell ca. 2,5 Millionen Menschen in einem Alter zwischen 18 und 34 Jahren, die keinerlei Ausbildung haben; die am Ende des Tages eigentlich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, die oft alimentiert werden oder werden müssen. Hierzu müssen wir sagen - das ist ein ganz wesentlicher Fakt  : Wir müssen schauen, dass wir uns nicht nur auf den Zuzug aus dem Ausland konzentrieren, sondern auch darauf, wie wir die Menschen, die dem Arbeitsmarkt theoretisch zur Verfügung stehen, in Arbeit bekommen.

Ich sage es ganz bewusst - das sage ich auch selbstbewusst als Wirtschaftsminister des Landes Sachsen-Anhalt  , bei uns gibt es genug offene Stellen. Für all jene, die arbeiten wollen, finden wir Entsprechendes. Aber natürlich ist die Herausforderung an der einen oder anderen Stelle nicht ganz einfach zu meistern. Man muss die Leute teilweise weiterqualifizieren. Zur Wahrheit gehört auch, dass im Moment an mancher Stelle gewisse Anreize dafür sorgen, dass nicht jeder arbeiten will. Deswegen werden wir uns mit dem Thema sehr eng befassen.

Sie können sich Statistiken des Statistischen Landesamts anschauen. Sie können sich eigentlich jegliche Statistik anschauen. Daraus wird ersichtlich, dass in Sachsen-Anhalt mehrere Hunderttausend Menschen in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen, den sie sich auch verdient haben, die hier viele Jahre, Jahrzehnte gearbeitet haben, die das Land aufgebaut haben. Aber diese Arbeitskräfte müssen ersetzt werden. Wir werden das nicht alles mit Automatisierung, mittels KI oder anderer Dinge hinbekommen.

Gleichzeitig sind wir alle gemeinsam stolz darauf, dass wir hier nicht nur Ansiedlungsprojekte massiv fördern, sondern das gerade in den letzten beiden Jahren so viele Unternehmen wie noch nie nach Sachsen-Anhalt in einer Größenordnung gekommen sind, wie wir sie vielleicht vor einigen Jahren noch gar nicht für möglich gehalten haben.

Es überrascht mich manchmal, wenn ich dann mit Unternehmensvertretern in meinem Büro an einem Tisch sitze, dass sie nicht sagen: Herr Schulze, wir reden über 30 oder 40 Arbeitsplätze, sondern dass sie sagen, wir reden über 300 oder 400 neue Arbeitsplätze. Wenn man dann einige Tage später die nächsten Unternehmensvertreter hat, die auch in der Größenordnung diskutieren, dann ist das schon sehr spannend.

Ich will aktuelle Beispiele für Ansiedlungen nennen, bei denen wir gerade ziemlich weit sind. Zum Beispiel reden wir bei Avnet in Bernburg über 700 Arbeitsplätze. Intel kennen Sie alle. Ich sehe auch, dass ein tolles Unternehmen aus Indien in Hoym gerade in ein Unternehmen investiert hat, das vor einigen Jahren noch insolvent war, sodass 60 Arbeitsplätze gerettet wurden und jetzt 100 weitere Arbeitsplätze von den Indern geschaffen werden.

Wenn ich Daimler Truck in Halberstadt sehe, dann stelle ich fest, dass das alles neue Arbeitsplätze sind, die wir auch zur Verfügung stellen müssen. Deshalb ist die Frage des Abg. Silbersack von der FDP absolut berechtigt und sie ist eine der wichtigsten Fragen für die nächsten Jahre. Ich gehe davon aus, dass das, was wir jetzt auf den Weg bringen, die Arbeitsministerin Petra Grimm-Benne zum einen, ich als Wirtschaftsminister zum anderen und gemeinsam mit der Landesregierung insgesamt, bitter nötig ist für Sachsen-Anhalt. - Vielen Dank. 

(Zustimmung bei der FDP)