Tagesordnungspunkt 16

Beratung

a)    Einsetzung eines Ausschusses zur Überprüfung der Abgeordneten auf eine Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der DDR

Antrag Fraktionen CDU, SPD und FDP - Drs. 8/3438

b)    Besetzung des Ausschusses zur Überprüfung der Abgeordneten auf eine Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der DDR

Wahlvorschlag Fraktionen CDU, SPD und FDP - Drs. 8/3439

Wahlvorschlag Fraktion AfD - Drs. 8/3049

Wahlvorschlag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/3057


Den Antrag auf die Einsetzung eines entsprechenden Ausschusses wird der Abg. Herr Kurze einbringen. - Herr Kurze, bitte. 


Markus Kurze (CDU): 

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mehr als 29 000 Bürgeranträge, davon ca. 19 600 Erstanträge, auf Akteneinsicht beim bundesweiten Stasiunterlagenarchiv im Jahr 2022 zeigen: Das Interesse an der Aufarbeitung der 40-jährigen Aktivitäten der Stasi ist nach wie vor sehr hoch. 

Inoffizielle Mitarbeiter gewinnen und führen, Abhörmethoden, Isolationshaft, Dunkelhaft, Essensentzug bei Inhaftierten, das gehörte zu den abscheulichen Arbeitsmethoden des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR.

Wer politisch als nicht opportun galt, z. B. die SED-Linie nicht mittragen wollte, der musste mit vielem rechnen: Verleumdung, Berufsverbot, Enteignung, Beschränkung seines Rechts auf Bildung, Verdienstabzug durch seinen Betrieb, von der Stasi beeinflusste Gerichtsurteile, Zerstörung privater Beziehungen, Inhaftierung. Selbst Tötungen wurden durchgeführt. Opfer der Stasi wurden psychologisch unterdrückt bis hin zur Inkaufnahme ihres eigenen Suizids. 

Bis zu 250 000 politische Häftlinge hat es Schätzungen von Opferverbänden zufolge in der DDR gegeben. Zusammengenommen wurden sie zu 1 Million Jahre Gefängnis in den Stasi-eigenen Untersuchungshaftanstalten verurteilt. 

Verschiedenen Recherchen zufolge sind bis zu 3 000 Menschen in der Stasi-Haft ums Leben gekommen. Letztlich sind der schrecklichen Stasi-Bilanz auch die mindestens 327 Toten an der 1 400 km langen innerdeutschen Grenze hinzuzufügen, die der Forschungsverbund SED-Staat recherchiert hat. Sie sind ertrunken, erschossen oder durch Minen getötet worden. 

(Unruhe)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Kurze, Sie drehen sich nicht zu Unrecht um. - Es ist ein wirklich sehr, sehr ernstes Thema. Ich wäre Ihnen verbunden, wenn Sie den Geräuschpegel im Plenum etwas senken könnten.

(Zustimmung bei der LINKEN, bei der SPD und bei der FDP)


Markus Kurze (CDU): 

Als größte und in ihren Methoden erbarmungsloseste Spionageorganisation beschrieb Siegfried Dombrowski die Stasi 1959 nach seiner Flucht in den Westen. Er musste es wissen; denn er kannte die DDR-Geheimdienstszene. Er war zuvor unter anderem stellvertretender Stabschef der Verwaltung Aufklärung. 

Bei ihrer Auflösung im Jahr 1989 hatte die Organisation mehr als 91 000 feste und 180 000 inoffizielle Mitarbeiter. Die Stasi durchzog das Alltagsleben der Menschen im Überwachungsstaat DDR. Sie unterrichtete die Staatsführung, wenn sich Menschen über Missstände in der DDR beschwerten. 

Noch heute sind viele Betroffene nicht über die geltende Rechtslage und ihre Ansprüche informiert und haben keinen Zugang zu psychosozialer Betreuung. Das Engagement der Opferverbände kann in diesem Zusammenhang gar nicht genug geschätzt werden. Sie informieren die Betroffenen über die Thema Rehabilitierung und Entschädigung, z. B. über die Opferrente. 

An die Verbände will der Landtag mit der erneuten Einsetzung eines Ausschusses zur Überprüfung der Abgeordneten auf eine Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der DDR ein deutliches Signal senden. 

Das geschehene Unrecht, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist nicht vergessen.

(Zustimmung bei der CDU, bei der AfD und bei der FDP)

Daher bitte ich um Zustimmung zur Einsetzung des Ausschusses und zu den Wahlvorschlägen der Fraktionen, damit der Ausschuss seine Arbeit aufnehmen kann.

Wie Sie sicherlich wissen, ist es die letzte Möglichkeit, um diesen Ausschuss noch einmal ins Leben zu rufen. Das haben wir unter den Fraktionen so vereinbart. Wir wollen ihn heute einsetzen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das sind wir den Opfern und auch ihren Familien schuldig.

(Beifall bei der CDU, bei der AfD und bei der FDP - Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Nutzen Sie heute alle Ihre Stimme, um den Ausschuss einzusetzen und um ihn mit der Zustimmung zu den einzelnen Wahlvorschlägen auch arbeitsfähig zu gestalten. Es reicht nicht aus, dass nur die Regierungskoalition im Ausschuss sitzt. Wir brauchen auch die Opposition mit am Tisch. Eine Oppositionspartei, die SED-Nachfolgepartei DIE LINKE, wird sich der Mitarbeit verweigern. Das haben sie so ankündigt.

(Zurufe von der AfD: Oh! - Was! - Pfui!)

- Ja, man kann es kaum glauben, aber es ist so.

(Hendrik Lange, DIE LINKE: Ach so!)

Jede Einzelne hier hat es heute selbst in der Hand, ob wir den Opfern und ihren Familien noch einmal Rechnung tragen und diesen Ausschuss einsetzen. 

Nutzen Sie bitte alle Ihre persönliche Stimme, um den Ausschuss arbeitsfähig zu gestalten. Jeder muss es mit seinem Gewissen vereinbaren. Sich abzuwenden, wird den Opfern nicht gerecht. Deshalb hat es jeder heute in der Hand.

(Beifall bei der CDU, bei der AfD und bei der FDP - Zustimmung von Dr. Falko Grube, SPD)

Wir brauchen keine politischen Spielchen. Wir brauchen einen funktionierenden Ausschuss. Jeder Einzelne von Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat es in der Hand. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, bei der AfD und bei der FDP - Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)