Ulrich Thomas (CDU): 

Herr Henke kann auch ruhig erst nach den ersten Sätzen drücken. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie schön, dass wir uns heute wieder über das Handwerk unterhalten. Das Handwerk hat eine wichtige Bedeutung in Sachsen-Anhalt. Wenn Sie sich mit einem Handwerksmeister unterhalten, der im Jahr 1999 oder davor einen Betrieb gegründet hat, dann kann er ihnen Geschichten erzählen, was hier so los war, meine Damen und Herren. Deswegen muss man einmal sagen: Respekt für alle Handwerker, die von damals bis heute ihr Gewerbe durchgehalten haben und trotz aller Probleme, die es in den letzten Jahrzehnten gab, immer noch am Markt sind.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustimmung von Lothar Waehler, AfD)

Das werde ich deutlich voranstellen.

Wenn Sie sich heute mit Handwerkern unterhalten, dann werden immer drei Problemzonen genannt. Das sind erstens natürlich die überbordenden Energiepreise; über die haben wir gestern diskutiert. Das ist zweitens die überbordende Bürokratie, über die wir immer sprechen und bei der wir uns sehr schwertun, Dinge abzubauen oder zu vereinfachen. Auch an dieser Stelle, denke ich, besteht Handlungsbedarf. Und drittens ist es die Situation der Fachkräfte, das Thema Nachwuchs im Handwerk.

Natürlich kennen wir alle die Phasen, in denen wir diesen Wettbewerb Fachkraft versus Akademiker hatten. Wir alle kennen die Diskussionen - das kann man alles nachlesen  , in denen ein Studium als das wichtigste angesehen wurde und die Fachkräfte im Handwerk nicht als solche tituliert wurden. Es gab sogar Zeiten, in denen wurde gesagt: Das Handwerk ist nicht so das Wahre, das ist zweite, dritte Wahl; studier mal lieber, dann wird etwas Ordentliches aus dir.

Gott sei Dank, meine Damen und Herren, hat sich das verändert. Der Arbeitsmarkt hat sich verändert. Wir können erfreut feststellen, dass das Handwerk wieder an Bedeutung gewonnen hat. Das ist auch gut so. Jeder, der einen Handwerker braucht, der weiß mittlerweile, wie lange es dauert, bis er denn kommt, weil er gut zu tun hat. Das gönnen wir den Handwerkern natürlich auch.

Nun haben wir das Problem der Nachwuchsgewinnung. Die jungen Leute nehmen natürlich war, dass es ein Bürgergeld gibt, bei dem man für Nichtstun eine Menge Geld bekommt. Es gibt einen Mindestlohn, durch den man ohne Ausbildung verhältnismäßig viel Geld verdienen kann. Meine Damen und Herren! Die Frage ist doch, ob das die richtigen Anreize sind, um eine Ausbildung zu beginnen. Ich bin der Meinung: Nein, das sind zu hohe Vergütungen, das ist kein Anreiz, um eine Ausbildung im Handwerk zu beginnen. Deswegen ist es wichtig, dass man nachjustiert und dass man das immer wieder kontrolliert.

Bevor wir, Kollegen von der AfD, hier Pilotprojekte durchführen, schauen wir uns doch einmal an, was wir haben. Wir haben den Praktikumsgutschein, der übrigens ganz einfach funktioniert, ohne Lotsen, ohne irgendwelche Unterstützung von außen. Der Schüler geht zu einem Handwerksbetrieb und sagt, er möchte ein Praktikum machen, für das er auch noch Geld bekommt. Und dann entscheidet der Schüler selbst, ob er das macht oder ob er das nicht macht. Das ist doch der Idealfall: Dort gibt es den Kontakt, dort gibt es die Lebenserfahrung. Er kann überlegen, ob das etwas für ihn ist oder nicht. Besser kann es doch nicht laufen.

Wenn wir feststellen, dass mehr als 30 % derjenigen, die ein Praktikum gemacht haben, dann in diesem Handwerksbetrieb eine Lehre beginnen, dann ist das doch wohl das beste Mittel, das wir in Sachsen-Anhalt derzeit haben, meine Damen und Herren. Darauf können wir zu Recht stolz sein; 

(Zustimmung bei der CDU)

denn das ist bundesweit mittlerweile Benchmark. Andere Bundesländer fragen uns schon: Wie macht ihr das? Wie geht das? Können wir so etwas auch tun? 

Natürlich würde ich anregen, dass wir mit dem Sozialministerium und auch dem Bildungsministerium diesen Praktikumsgutschein stärker bewerben. Wir müssen den Schülern in jeder Schule sagen: Es gibt die Möglichkeit dieses Praktikums, geht dorthin, kümmert euch. 

Wir machen das, aber wir machen es noch nicht ausreichend. Ich könnte mir vorstellen, dass ein Flyer auf der Schulbank liegt, bevor die Schüler in die großen Ferien gehen, oder besser noch vier Wochen vor den großen Ferien, damit die Leute wissen, wie das funktioniert. Die erste Antwort, wenn ich frage, ob sie den Praktikumsgutschein kennen, ist immer: Nein, das ist uns völlig neu; gut, dass wir das jetzt wissen. An dieser Stelle haben wir noch Reserven, meine Damen und Herren.

Ich möchte einen zweiten Punkt ansprechen, die kostenlose Ausbildung. Herr Meister, Sie haben das nicht verstanden, deswegen sage ich Ihnen das noch einmal: Einen Meisterbrief kann natürlich nur derjenige machen, der vorher ein Geselle war. Je mehr diesen Praktikumsgutschein nutzen und je mehr Gesellen wir haben, desto mehr Meister werden wir auch haben. Deswegen steht das auch in diesem Kontext darin. Ich sage Ihnen das nur, weil Sie es nicht verstanden haben.

(Olaf Meister, GRÜNE: Das steht nicht drin!)

- Das steht so drin. Ich habe es Ihnen auch noch einmal erklärt. Ich sage zu Protokoll: Das steht das so drin und das ist auch richtig so, Herr Meister.

Dann haben wir festgestellt, dass wir viele Meister haben, die den Meisterbrief machen, dann aber keinen Betrieb gründen. Das Verhältnis in Deutschland ist etwa bei 1 : 5. Von fünf Meistern gründet oder übernimmt nur einer ein Unternehmen. Das ist natürlich wenig. Trotzdem müssen wir diejenigen honorieren, die einen Meisterbrief erwerben. Wir sollten nicht die Ausbildung honorieren, wir müssen den Abschluss honorieren, meine Damen und Herren, damit sie auch motiviert sind. Und genau das werden wir tun mit einer Meisterbriefprämie und mit einer Gründungsprämie, um hierdurch zusätzlich Anreize zu schaffen. Ich glaube schon, dass wir damit eine Menge tun.

Die Landwirtschaft kopiert bereits die Praktikumsgutscheine. Das finde ich gut. Viele Branchen sagen auch: Was ihr für das Handwerk macht, das hätten wir auch gern. Dienstleistungsbetriebe fragen uns schon danach. Dann kommen natürlich irgendwann an das Ende der Fahnenstange, an das Ende dessen, was wir leisten können. Deswegen will ich noch einmal sagen, Kollege Meister: Wir machen das nicht lustlos, wir machen das mit voller Inbrunst, weil wir als CDU-Fraktion wissen, was wir am Handwerk in Sachsen-Anhalt haben. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von Olaf Meister, GRÜNE)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Vielen Dank, Herr Thomas. Es gibt eine Nachfrage von Herrn Lizureck und eine zweite Nachfrage von Herrn Rausch. Lassen Sie sie zu, Herr Thomas?


Ulrich Thomas (CDU): 

Ich lasse sie zu, Frau Präsidentin.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Dann beginnt Herr Lizureck.


Frank Otto Lizureck (AfD): 

Herr Thomas, Sie haben verschiedene Probleme aufgezeigt, mit denen das Handwerk heutzutage klarkommen muss. Ein Problem, das Sie auch benannt haben, ist die Bürokratie. Nun haben Sie in Ihrem Regierungsprogramm auch ganz klar den Bürokratieabbau definiert. Bisher ist aber nichts passiert. Wir haben dazu einen Antrag gestellt, der hier einhellig, also im Zusammenschluss aller, mit Ausnahme meiner Fraktion, abgewiesen wurde.

Ich frage mich jetzt, was Ihre Parteien in Zukunft an dieser Stelle besser macht. Denn mittlerweile muss ein Handwerker wirklich sehr viel Zeit investieren, um völlig unsinnige Bürokratievorgaben zu erfüllen. Das wird auch immer mehr. - Danke.

(Zustimmung bei der AfD)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Thomas, bitte.


Ulrich Thomas (CDU): 

Sie wissen, wir sind in einer Koalition. Und die Koalition hat sich auf die Fahnen geschrieben, Koalition abzubauen.

(Guido Kosmehl, FDP: Bürokratie!)

- Die Bürokratie abzubauen. - Das haben wir uns in der Koalition auf die Fahnen geschrieben. Das werden wir auch tun. Wir werden das auch prüfen.

(Daniel Roi, AfD: Wie denn?)

- Herr Roi, warten Sie es doch einmal ab; ich habe noch gar nicht zu Ende gesprochen.

Das Erstaunliche ist immer, wenn Sie zu einer konkreten Regel sagen, die könnte man fallen lassen, dann sagen Ihnen die Betroffenen hinter vorgehaltener Hand: Das lasst mal lieber. Es ist also in der Tat schwierig, konkrete Punkte auszumachen; denn wir unterliegen auch dem EU-Recht und dem Bundesrecht. Wir diskutieren gerade sehr ernsthaft darüber, die Unternehmen von bestimmten Nachweis- und Statistikpflichten zu entbinden. Das ist aber nicht so einfach, weil es recht komplex ist. Ich muss Ihnen auch sagen, das ist für mich als CDU-Mann recht ernüchternd: Nicht alle Forderungen, die wir als Partei haben, kriegen wir in einem Koalitionsvertrag unter. Das beste Beispiel dafür ist das Landesvergabegesetz. Das tragen wir mit, aber wenn die CDU allein regieren würde, würden wir es fallen lassen. Das brauchen wir nicht; es geht auch ohne ein Landesvergabegesetz in Sachsen-Anhalt.

(Zustimmung bei der CDU)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Als nächster Fragesteller hat Herr Rausch das Wort.


Daniel Rausch (AfD): 

Herr Thomas, wir haben in Sachsen-Anhalt die Meistergründungsprämie. Das ist richtig. Aber was machen wir denn mit denjenigen, die z. B. das Abitur gemacht haben, sich dann für einen Beruf entscheiden, Geselle werden, etwa im Elektrobereich oder Ähnliches, und anschließend gleich den Meister machen wollen, weil sie das erledigt haben wollen, die aber noch nicht die Erfahrung haben, um direkt im Anschluss einen Betrieb zu übernehmen? Denn, das wissen Sie doch selbst, die Erfahrung hat man noch nicht.

Sie sprachen jetzt von einer Meisterbriefprämie. Ist dazu irgendetwas geplant? Diesen Begriff haben Sie genannt: Meisterbriefprämie. Das haben Sie gesagt.

(Minister Sven Schulze: Die haben wir doch!)


Ulrich Thomas (CDU): 

Wir werden einen Meisterbrief grundsätzlich honorieren, also den Meisterabschluss; ich sage „Meisterbrief“, weil das zum Bild passt. Wir werden einen Meisterabschluss honorieren. Bisher war es nur eine Meistergründungsprämie, für diejenigen, die einen Betrieb gegründet haben. Wir werden das künftig aufteilen. Wir werden also zum einen den Meisterbrief honorieren und zum anderen noch eine Prämie zahlen, wenn ein Meister einen Betrieb gründet. 

(Zustimmung)

So ist das gemeint. Ich denke, damit treffen wir den Nerv der Zeit. Wir motivieren die Leute damit; das will ich deutlich sagen. Wir als CDU stehen für Fördern und Fordern. Wir fördern nicht die Ausbildung, wie Sie es wollen, sondern wir fördern den Abschluss. Damit ist natürlich die Motivation, einen Abschluss zu machen, eine andere, als nur eine Ausbildung mit ungewissem Ausgang zu durchlaufen. Damit sind wir durchaus motivierend unterwegs. Das ist genau das, wofür wir stehen.

(Zustimmung bei der CDU - Daniel Roi, AfD: Und wie bauen wir jetzt die Bürokratie ab?)