Guido Kosmehl (FDP):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das, was der Kollege Kirchner hier zum Schluss noch einmal gesagt hat, stimmt mich jetzt nicht milde; denn die Ampel sitzt zwar nicht in Magdeburg - das ist richtig , aber die Bundesregierung ist ein Verfassungsorgan.
(Zustimmung bei der SPD)
Ich bitte ernsthaft darum, darüber nachzudenken, ob wir über Verfassungsorgane mit Verachtung reden sollten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Striegel ist wieder einmal als Fake-News-Verbreiter unterwegs gewesen. Deshalb will ich die Gelegenheit nutzen, um darauf einzugehen. Sie haben wahrscheinlich wieder nur die Überschrift in der „Zeit“ gelesen, das Zitat des Herrn Ministerpräsidenten aber nicht. Denn Herr Haseloff sagte, er würde für das nächste Jahr eine Notlage ausrufen, um Schulden aufnehmen zu können; er hat nicht von einer Aussetzung gesprochen. Das steht nur in der Überschrift. Wahrscheinlich sind bei Ihnen schon Überschriften sozusagen ein Fakt.
(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)
Aber in dem Artikel, der in der „Zeit“ vorliegt, steht es eben nicht so.
Ich bitte wirklich darum, dass wir die Debatte auch sachlich führen. Das hat der von mir sehr geschätzte Kollege Dr. Schmidt zumindest angekündigt. Lieber Dr. Andreas Schmidt, so ganz ist die Ankündigung zumindest in meiner Erwartungshaltung nicht aufgegangen. Ich glaube, dass Finanzpolitiker das besser können. Also entweder reden wir über die Frage der Schuldenbremse - das ist eine spannende Diskussion , oder wir reden über das alte sozialdemokratische linke Thema der Verbesserung der Einnahmesituation durch Steuererhöhungen. Der Ansatz, mehr Schulden zu machen, um noch mehr Einnahmen zu generieren, damit man sozusagen aus den Vollen schöpfen kann,
(Unruhe bei der CDU)
wobei einem mittlerweile, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, nicht einmal mehr Projekte einfallen, um das Geld auch wirklich ankommen zu lassen, führt diese Diskussion aus meiner Sicht nicht weiter.
(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)
Ich bringe einmal ein ganz klassisches Beispiel: Ich wünsche mir, dass wir 100 Millionen € im Haushalt oben drauf packen beim Straßenbau, inklusive Radwege; der Kollege Gürth ist gerade nicht da.
(Zustimmung bei der CDU)
Wir wissen aber - weil wir bei unseren Entscheidungen auch die Realität und nicht nur das Herz berücksichtigen , dass wir das nicht umsetzen können. Also ist das ein Schaufensterbeitrag. Er hilft uns nicht weiter und sorgt dafür, dass an anderer Stelle wichtige Dinge vielleicht nicht gemacht werden, weil wir jetzt eine Priorität zugunsten der Freien Demokraten setzen würden, nämlich hin zu mehr Straßenbau. Deshalb besteht die Aufgabe der Politik darin, Prioritäten zu setzen und zunächst mit den Einnahmen auszukommen, die wir derzeit haben.
(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)
Herr Kollege Schmidt, Sie sind ja ein großer Freund der Zahlen. Deshalb habe ich mich ein bisschen vorbereitet. Das Ist betrug im Jahr 2022 für den Gesamtstaat 895,7 Milliarden €. Nach der letzten Steuerschätzung beliefen sich die für das Jahr 2026 erwarteten Steuereinnahmen auf 1 054,5 Milliarden €. Das ist ein Plus von 160 Milliarden €. Auf die Länder heruntergebrochen gehen wir von einer Erhöhung beim Ist von 384,5 Milliarden € auf 434,5 Milliarden € im Jahr 2026 aus. Im Jahr 2026 werden wir noch gemeinsam regieren. Das sind 50 Milliarden € mehr Einnahmen für die Länder.
Wer jetzt schon sagen kann, dass diese Einnahmen nicht ausreichen werden, um die Ausgaben der öffentlichen Hand finanzieren und um Prioritäten setzen zu können, dem kann man keine Summe recht machen, sehr geehrter Herr Kollege.
(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)
Wir alle schauen - an der Stelle will ich die Gelegenheit tatsächlich einmal dazu nutzen - wie gebannt auf den Einzelplan 60 des Bundeshaushaltes. Ich meine den Wirtschaftsplan des Klima- und Transformationsfonds (6092) Titel 892 10. Bei diesem sind 3,9 Milliarden € für das 2024 geplant. Davon sind 2,97 Milliarden € für eine Ansiedlung, die uns am Herzen liegt, vorgesehen. Aber auch die Investition in Dresden ist wichtig. Insgesamt 3,968 Milliarden € werden im Jahr 2024 notwendig, um alles, was den Bereich Chips betrifft, zu realisieren. Das sind bei einem Gesamthaushalt mit einem Volumen von weit mehr als 440 Milliarden € nicht einmal 4 %, die man umschichten kann, die man finden muss und finden wird im Bundeshaushalt
(Zustimmung von Jörg Bernstein, FDP)
und für die man eben keine zusätzlichen Steuern bzw. neue Kreditermächtigungen braucht.
(Zuruf von Olaf Meister, GRÜNE)
Zum Nachtragshaushalt. Anders als hier haben die GRÜNEN im Bundestag Verantwortung bewiesen und den Nachtragshaushalt 2023 mit auf den Weg gebracht. Da ist es übrigens gelungen, die Nettoneuverschuldung für das Jahr 2023 um 20 Milliarden € zu reduzieren. Also geplant war eine Nettoneuverschuldung in Höhe von etwa 45 Milliarden €, die um 18 Milliarden € reduziert worden ist.
Wenn man nämlich sieht, welche Maßnahmen man sich vornimmt, was realistisch ist und was tatsächlich abfließt, dann kann man die Ansätze durchaus auch realitätsnäher gestalten. Deshalb sage ich für die Freien Demokraten: Es gibt kein Rütteln an der Schuldenbremse. Die Schuldenbremse steht, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)
Solange niemand erklären kann, warum wir plötzlich ohne Schuldenbremse mehr Investitionen machen können als mit Schuldenbremse, brauche ich darüber, ehrlich gesagt, nicht in Details danach zu fragen, ob es jetzt die ganz wunderbaren grünen Projekte sind, für die man eine Schuldenbremse natürlich nicht mehr braucht oder für die man Ausnahmen macht, weil es ja die grünen Vorhaben sind.
Diesbezüglich lohnt es sich übrigens auch einmal, in den Einzelplan 60 und dort in den Wirtschaftsplan des Klima- und Transformationsfonds zu gucken. Der Vorläufer wurde übrigens während der Amtszeit von Angela Merkel eingerichtet. Aber welche Programme werden mittlerweile daraus finanziert? - Das ist alles schön, wenn man grün ist. Aber ich habe meine Zweifel daran, dass uns das dauerhaft weiterbringen und uns so eine Zukunft ermöglichen wird, wie es die Intel-Investition für Sachsen-Anhalt schafft.
Deshalb glaube ich daran, dass unsere Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag auch diese Entscheidung treffen können, wichtige Investitionen gerade für Sachsen-Anhalt mit auf den Weg zu bringen, und zwar aus dem Kernhaushalt oder aus den Teilen des Klimafonds, die eben jetzt nicht aufgestockt worden sind. Darin sind ja schon regulär Mittel in Höhe von 40 Millionen € vorgesehen aus Haushaltsresten und Ähnlichem, sodass man damit diese Finanzierung machen kann.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine letzte Bemerkung will ich trotzdem noch machen: Wer sich die Schuldenbremse und die Regelungen anschaut, auch vor dem Hintergrund, dass wir das Thema Notsituation jetzt auch einmal bewusster genutzt haben, der muss auch feststellen: In dem Landtag der letzten Legislaturperiode mit ganz viel Grün in der Regierung haben sich die GRÜNEN - so habe ich es wahrgenommen - sehr viel erstritten und durchgesetzt.
(Olaf Meister, GRÜNE: Was? - Zuruf: Jawohl!)
Sie haben ein paar Tricks angewandt, sodass man plötzlich Notlagenkredite nachträglich nutzen und im Haushaltsgesetz Vorsorge treffen konnte. Daher wäre ich als GRÜNE bei der jetzigen Diskussion ein bisschen zurückhaltender.
Ich glaube aber, dass man mit den Möglichkeiten, also grundsätzlich Neuverschuldungsverbot, Ausnahme Konjunktur, Ausnahme Notsituation und Naturkatastrophen und Ausnahme für die Finanztransaktionen, die eben tatsächlich auch einen Mehrwert bringen, arbeiten kann.
(Olaf Meister, GRÜNE: Aha!)
Mit diesem Instrumentarium können wir in Sachsen-Anhalt arbeiten und auch die Maßnahmen auf den Weg bringen, die dieses Land jetzt braucht. Deshalb bin ich sehr davon überzeugt, dass diese Koalition Sachsen-Anhalt solide haushalten wird,
(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)
und das auch in den nächsten Jahren. - Vielen Dank.
(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Kosmehl, vielen Dank. - Es gibt eine Intervention von Herrn Dr. Schmidt. - Herr Dr. Schmidt, bitte.
Dr. Andreas Schmidt (SPD):
Vielen Dank, Frau Präsidentin.
Guido Kosmehl (FDP):
Er hat sich zwischendurch hingesetzt.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Dr. Schmidt hat das nach Zeichenvorgabe signalisiert.
Guido Kosmehl (FDP):
Okay.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Ich wollte ihm nicht zumuten, sechs Minuten am Mikrofon stehen zu bleiben.
Dr. Andreas Schmidt (SPD):
Was ich selbstverständlich in dem Fall, dass die Vizepräsidentin das verlangt hätte, für den geschätzten Kollegen getan hätte,
(Guido Heuer, CDU: Oh, die Herzchen fliegen hier durch die Gegend!)
weil, lieber Kollege Kosmehl, es mir ein unerträglicher Gedanke ist, dass wir heute im Missverständnis auseinandergehen. Deshalb will ich das noch einmal sagen: Ich habe genau nicht dafür plädiert, die Schuldenbremse zu lockern und zu sagen, auf der einen Seite Einnahmeerhöhung durch Steuererhöhungen und auf der anderen Seite auch noch Schulden machen zu dürfen, sondern ich bin ein Gegner der Lockerung der Schuldenbremse. Damit bin ich in meiner Partei inzwischen eine seltene Art,
(Guido Kosmehl, FDP, lachend: Kenne ich! - Olaf Meister, GRÜNE, lacht)
die eigentlich unter Schutz gestellt gehört.
(Lachen bei der SPD)
Es ist eine ganz beliebte liberale Grundrechenart zu sagen, weil die nominalen Steuereinnahmen steigen - ist das nicht toll? , steigt auch die Leistungskraft der öffentlichen Hand. An diese Grundrechenart glaube ich nicht. Die Inflation frisst schon jetzt die nominal steigenden Steuereinnahmen auf. Das ist ein Problem, dem wir auch in diesem Landeshaushalt ganz klar begegnen mussten. Zum Beispiel mit Blick auf den Finanzausgleich, auf die Zuweisungen an die Kommunen könnten wir gar nicht anders, als in dieser Art damit umzugehen.
Wir werden erleben, dass wir auch bei 50 Milliarden € Mehreinnahmen für die Länder in den nächsten Jahren zwar über die Runden kommen, wenn wir überall kleine Coupons abschneiden, dass wir aber die großen strukturellen Probleme dieses Landes - ich habe ja nur ein paar genannt, eine ganz kleine Auswahl von ganz vielen - auf dem bisherigen Einnahmeniveau nicht lösen können.
Ich freue mich außerordentlich darauf, bis zum Jahr 2026 und gern auch darüber hinaus mit Ihnen darüber streiten zu dürfen. - Vielen Dank.
(Marco Tullner, CDU: Kläre das doch mal in Berlin!)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Kosmehl.
Guido Kosmehl (FDP):
Ganz kurz: Erst einmal vielen Dank für die Klarstellung. Ich sage ganz klar: Als Liberale begrüßen wir nicht nur das Wachstum und die nominellen Steuermehreinnahmen, weil dies den Wohlstand ein Stück weit sichert; vielmehr hängt uns Liberalen natürlich auch eine Prämisse immer an: Wir setzen uns natürlich sorgfältig damit auseinander, weil es nicht unser Geld, sondern das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ist.
(Zustimmung von Kathrin Tarricone, FDP)
Deshalb muss man schauen, ob man in gleicher Weise, in der Steuermehreinnahmen kommen, wirklich immer neue Ausgaben finden muss, oder ob es nicht an der Zeit ist, weniger einzunehmen. Das wäre eine Möglichkeit, die man ins Spiel bringen könnte. Deshalb bin ich sehr dankbar dafür, dass der Bundeskanzler und der Vizekanzler mit dem Bundesfinanzminister für das Jahressteuergesetz erneut eine Anhebung des Grundsteuerfreibetrages vorgesehen haben, damit diejenigen, die arbeiten, entlastet werden. Das ist eine gute Nachricht für alle Steuerzahler.
(Zustimmung bei der FDP)