Dr. Falko Grube (SPD): 

Herr Präsident! Hohes Haus! Für die Debatte müssen wir uns mit vier Eckpunkten beschäftigen. Der erste ist: ein politisches Ziel. Dieses kennen Sie alle: Wir wollen mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagern. Das finden Sie in zahlreichen Parteiprogrammen, Koalitionsverträgen, Verkehrskonzepten von Landesregierungen und von verschiedenen Bundesregierungen. Das macht auch Sinn; denn der Transportkilometer auf der Schiene ist preiswerter, er ist ökologischer und er stört im täglichen Verkehr weniger Leute. 

Der zweite Umstand ist: Das Verkehrsaufkommen bis 2051 wird um 46 % steigen. Daran haben wir alle einen Anteil, weil wir politische Beschlüsse fassen, die Baumaßnahmen nach sich ziehen, weil wir alle als Bürgerinnen und Bürger konsumieren. Wir alle sind dafür zuständig, dass die über den Verkehr transportierte Gütermenge wächst. Das kann man sich nicht wegwünschen, auch wenn man es möchte.

Fakt 3: Das Transportaufkommen steigt schneller, als wir in diesem Land in der Lage sind, Schienenkapazitäten zu planen und zu bauen. Daran wird auch die Initiative der Bundesregierung nichts ändern, diese Planungszeiten zu beschleunigen. Daran wird auch das Investitionsvolumen, das die Bahn in großer Milliardenzahl in den nächsten Jahren auf die Schiene bringen möchte, nichts ändern.

Wir hatten am letzten Freitag Herrn W., den DB-Konzernbevollmächtigten für die mitteldeutschen Länder, bei uns im Ausschuss. Er hat erklärt: Die vielen Milliarden, die jetzt in das Netz fließen, dienen der Ertüchtigung; erst dann wird ausgebaut. Das heißt, wir werden mit dem Güterverkehr umgehen müssen.

Viertens - das sagen Ihnen alle, die in der Branche tätig sind  : Wir haben einen Fachkräftemangel. Es fehlen Fahrer, auch manche Fahrerinnen, aber vor allen Dingen Fahrer. 

(Zuruf: Mein Gott!)

Das heißt, wir werden irgendwie damit umgehen müssen, dass die Waren trotzdem transportiert werden müssen.

Die Koalition macht hierzu den Vorschlag für den Nahverkehr - ich betone: ausdrücklich für den Nahverkehr; zum bundesweiten Verkehr komme ich gleich  , Feldversuche anzustellen, um zu ermitteln, ob wir das hier auf regionaler Ebene ermöglichen können. Das macht auch Sinn. Wenn Sie Verkehre haben, die regelhaft zwischen Produzenten und Spediteuren oder zwischen Zulieferern und Produzenten fahren, die also den ganz en Tag über hin und her fahren, macht es irgendwie Sinn, zu sagen: Ein Elftel der Fahrten spare ich ein, weil das weniger Belastung ist für Leute, die an den Strecken wohnen. Da macht es Sinn zu sagen: Wir bieten hierfür eine Lösung an.

Wir als SPD wollen nicht, dass das der Einstieg in eine bundesweite Freigabe für ein Gesamtgewicht von bis zu 44 t ist. Wir sagen Ja dazu, dass wir die Menschen im Nahverkehr entlasten. Wir sagen Nein dazu, dass wir mit einem Einstieg in die 44 t Deutschland als Transitland noch attraktiver machen. An dieser Stelle, meine Damen und Herren, sind wir raus.

(Zustimmung bei der SPD)

Dass die 44 t nicht so schlimm sind, sagen mir auch Menschen, die etwas vom Straßenbau verstehen. Die Ministerin hat das eben schon gesagt. Denn es ist ja heute bereits so, dass im kombinierten Verkehr - also wenn ich von der Bahn auf den Lkw umlade oder umgekehrt - ein Gesamtgewicht von bis zu 44 t zulässig ist. 

Wir werden übrigens - das ist ein Thema, zu dem wir uns auch bundesweit besprechen müssen - beim Thema Hybrid-Lkw auch über das Thema 44-Tonner reden müssen. 

(Guido Kosmehl, FDP: Aha!)

Wir können nicht sagen: Wir machen eine Antriebswende - es fährt jetzt alles elektrisch oder mit Wasserstoff - und dann können wir ein Zehntel der Menge weniger transportieren. Denn das belastet die Menschen vor Ort tatsächlich, im Übrigen auch die Straßen. 

Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Wunsch äußern, der mit dem Thema nur am Rande etwas zu tun hat. Ich würde mir wünschen, dass wir unsere StVO- und Straßenverkehrsnovelle tatsächlich hinbekommen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Genau!)

Ich weiß nicht, welcher Vorredner - ich glaube, Herr Henke - gesagt hat, dass die Menschen vor Ort von dem vielen Lkw-Verkehr ein wenig die Schnauze voll haben - das stimmt. Es muss Zeit dafür sein, dass die Kommunen, die vor Ort am besten wissen, wie sie die Lkw-Verkehre möglichst um die Menschen herumlenken können, mehr Entscheidungsfreiheit bekommen. Das ist die zweite Seite der Medaille. Deshalb würde ich mich freuen, wenn das endlich einmal durchkommt.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke, Herr Grube. - Es gibt eine Frage von Frau Schneider. 


Dr. Anja Schneider (CDU):

Herr Grube, vielen Dank. Ich habe mir während der ganzen Reden bereits Gedanken darüber gemacht, dass viele Argumente gar nicht den Kern treffen. Die Ministerin hat gesagt, viele Länder um uns herum haben wesentlich höhere Belastungen auf der Straße. Das muss man sich genau anschauen, keine Frage.

Sie haben gerade gesagt: Bei 44 t sind wir raus. Ich finde, der Kern ist eigentlich - mich würde Ihre Meinung dazu interessieren  : Wenn alle um uns herum es auch zulassen - Sie sagen: Okay, wir wollen, dass Deutschland nicht weiter zum Transitland wird  , dann besteht ein wenig die Gefahr, dass das Transportwesen Deutschland weniger einbezieht. Welche Lösung haben wir denn dafür? Wir sind ja darauf angewiesen, dass wir importieren und exportieren. Wir müssen eine Lösung dafür finden. Ihre Meinung dazu interessiert mich.


Dr. Falko Grube (SPD):

Das ist die Lösung. Es wäre total super, wenn die Verkehre, die ansonsten durch Deutschland gehen, um Deutschland herumgeführt würden. Das würde ich total super finden.

(Guido Kosmehl, FDP: Aha! Wie kommt dann die Ware hierher? - Zuruf von der AfD)

- Die Waren, die Deutschland erreichen oder verlassen müssen, erreichen uns doch weiterhin. Das ist doch völlig unproblematisch. Aber lassen Sie die Waren, die von Polen in die Niederlande transportiert werden, über Österreich transportieren. Herzlichen Glückwunsch; ich bin voll dabei.

(Lachen von der Regierungsbank)


Dr. Anja Schneider (CDU):

Dann fangen wir aber an, Grenzen