Stefan Ruland (CDU):
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die von den GRÜNEN angestoßene Debatte um einen Reformbedarf für eine zukunftsfähige Schuldenbremse kommt erwartungsgemäß, Herr Kollege Meister, hat doch vor knapp einem Monat das Bundesverfassungsgericht einen bedeutsamen Teil des Klima- und Transformationsfonds kassiert.
Konkret ging es um die rückwirkende Umwidmung von zur Bekämpfung der Coronapandemie ausgebrachten Kreditermächtigungen zugunsten des Klimaschutzes, die nachträgliche Verabschiedung des zweiten Nachtragshaushaltes 2021 im Jahr 2022 und eine neue Anrechnungspraxis von Abflüssen aus Sondervermögen auf die nach der Schuldenbremse zulässige Nettokreditaufnahme - ein Modus, der im Ergebnis die Schuldenbremse aushöhlen sollte.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts stärkt die Schuldenbremse. Das ist aus Gründen der Generationengerechtigkeit und nachhaltiger Finanzpolitik richtig. Wir sind davon überzeugt, dass es kein zukunftsfähiges Konzept ist, aktuelle Probleme zulasten künftiger Haushalte und Generationen zu lösen.
Ausschließlich die mit der Systematik der Schuldenbremse vereinbaren Notlagen, wie bspw. das Jahrhunderthochwasser 2013, dessen Kosten bis in das heutige Jahr nachwirken, oder auch die Coronapandemie rechtfertigen ein Abweichen von diesem Grundsatz, und zwar im Rahmen der vorhandenen und durch die Verfassung definierten Regeln.
Werte GRÜNE, ich zitiere an dieser Stelle ebenfalls aus dem in Ihrer Begründung zitierten Beitrag von „stern.de“: „Die Schuldenbremse muss bleiben“, sagte unser Ministerpräsident.
(Zustimmung von Marco Tullner, CDU - Marco Tullner, CDU: Nicht nur der!)
Mit Blick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts befürchte ich: Sie fehlinterpretieren den zweiten Teil der Aussage - ich zitiere -:
„Aber für sehr wichtige Zukunftsinvestitionen in Wirtschaft, Technologie und Wissenschaft müssen verfassungskonforme Möglichkeiten gefunden werden, diese zu realisieren.“
Das Zauberwort haben Sie also bereits in Ihrer Begründung mitgeliefert: verfassungskonform. Aber wir wissen seit November 2023, dass Sie, werte GRÜNE, wenn es um Ihre Klimaprojekte geht, es mit dem Grundgesetz nicht mehr so genau nehmen.
Was unser Ministerpräsident jedoch absolut richtig und mit aller Deutlichkeit klargestellt hat, ist: Krisen sind zwar nach § 4 der Vergabeverordnung für die Bereiche Verteidigung und Sicherheit der Europäischen Union mit einer Legaldefinition versehen, im Übrigen aber vollkommen unverdächtig, sich an Haushaltsgrundsätze zu halten. Der Grundsatz der Jährigkeit ist ein Haushaltsgrundsatz, der besagt, dass die im Haushaltsplan erteilten Ermächtigungen nur für die Dauer desjenigen Haushaltsjahres gelten, für das der Haushaltsplan durch das Haushaltsgesetz festgesetzt worden ist. An diesem - und auch nur an diesem Punkt - erscheint eine Weiterentwicklung der Systematik der Schuldenbremse sinnvoll.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Dem Mythos, die Schuldenbremse verhindere Investitionen oder eine adäquate Reaktion auf Konjunktureinbrüche und Krisensituationen, halten wir entgegen: Die Schuldenbremse ist Ausdruck der Generationengerechtigkeit und der Nachhaltigkeit bei Staatsfinanzen.
(Zustimmung von Guido Heuer, CDU, und von Marco Tullner, CDU - Marco Tullner, CDU: Sehr gut!)
Sie hat zum Ziel, eine übermäßige Staatsverschuldung zu verhindern. Kein Land kann dauerhaft über seine Verhältnisse leben. Dies hat die europäische Staatsschuldenkrise eindrucksvoll gezeigt.
Außerdem ist die Schuldenbremse keineswegs starr. In konjunkturell schlechten Zeiten erhöhen sich die Verschuldungsmöglichkeiten praktisch automatisch. Hinzu kommt eine Sonderregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen.
Damit bietet die Schuldenbremse adäquate Reaktionsmöglichkeiten. Sie zwingt die öffentlichen Haushalte aber auch, gleichzeitig - wie übrigens jeden privaten Haushalt auch - mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln auszukommen und Prioritäten zu setzen.
(Zustimmung bei der FDP - Marco Tullner, CDU: Sehr gut! - Zuruf von der AfD)
Dass wir heute über einen vermeintlichen Reformbedarf für eine zukunftsfähige Schuldenbremse debattieren, liegt vor allem daran, dass sich die Ampel in Berlin diesen Anforderungen bisher verweigert.
Die Union hat der Ampel verschiedene Lösungsvorschläge unterbreitet, wie man das aktuelle Ausgabenproblem für den Haushalt 2024 angehen kann. Ich nenne Ihnen an dieser Stelle drei hoch wirksame Maßnahmen:
Erstens. Sparen Sie bei den überbordenden Personalaufwendungen. Zweitens. Stoppen Sie die Bürgergelderhöhung für 2024.
(Zustimmung von Guido Heuer, CDU - Wulf Gallert, DIE LINKE: Siehe Bundesverfassungsgericht!) - Weitere Zurufe von der LINKEN)
Drittens die Rückabwicklung des Gebäudeenergiegesetzes.
(Zustimmung von Guido Heuer, CDU, und bei der FDP)
Aber anstatt sich mit der Ausgabenseite zu beschäftigen, liefert der Bundesparteitag der SPD Gedankenspiele über eine zusätzliche temporäre Krisenabgabe für Superreiche.
(Dr. Katja Pähle, SPD: Ja!)
Wir wissen, wie erfolgreich temporäre Abgaben sind. Die Schaumweinsteuer ist das prominenteste Beispiel dafür.
(Marco Tullner, CDU: Da werden Freundschaften gegründet! - Gegenruf von Dr. Katja Pähle, SPD)
Aktuell scheint in der Ampel nur die FDP über einen geeichten finanzpolitischen Kompass zu verfügen.
(Zustimmung von Andreas Silbersack, FDP)
Umso mehr wünsche ich den Liberalen maximales Durchsetzungsvermögen.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Die bereits von Minister Richter angesprochene goldene Regel der Finanzpolitik zur Rechtfertigung einer Erhöhung öffentlicher Verschuldung ist meines Erachtens ebenso ein Irrweg. Die Grundidee, dass öffentliche Kredite Lasten für spätere Generationen nur in dem Maße erzeugen, wie sie gleichzeitig auch einen Nutzen für zukünftige Generationen produzieren, ist doch mehr als abwegig.
Werte Kollegen, Sie alle, wie Sie hier sitzen, wissen doch genau, wohin eine derart geänderte Finanzpolitik führt. Der Kreativität, Investitionen nicht mehr aus laufenden Einnahmen finanzieren zu müssen, sondern stattdessen hemmungslos die Staatsverschuldung in schwindelerregende Höhe zu treiben, wäre keine Grenze mehr gesetzt.
Die staatlichen Einnahmen würden dem exzessiven Konsum zum Opfer fallen, und zwar so lange, bis der Bankrott nicht mehr aufzuhalten wäre. In diesem Szenario würde uns dann ein GRÜNER in Regierungsverantwortung erklären: Wir konsumieren gar nicht, wir investieren nur sehr, sehr kurzfristig.
(Marco Tullner, CDU: Das ist aber ein Horrorbild!)
Werte Kollegen von den GRÜNEN, verabschieden Sie sich schon einmal von dem Gedanken, all Ihre Umwelt- und Klimaprojekte mit überbordenden Staatsschulden finanzieren zu können. Kehren Sie zurück - wohin auch immer Ihre Fantasien Sie geführt haben - und versuchen Sie es mit etwas Realpolitik.
Nur um es an dieser Stelle noch einmal klar und deutlich zu sagen: Natürlich stehen wir als Christdemokraten für den Klimaschutz und für die Bewahrung der Schöpfung.
(Zuruf von der LINKEN)
Aber wir sind nicht bereit, die Preise zu zahlen, die Sie dafür aufrufen. Wir verbinden ökonomische und ökologische Aspekte und machen zukunftstaugliche Realpolitik. Das unterscheidet uns.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP)
Wer eine CO2-neutrale, sichere und grundlastfähige Energieversorgung will, schaltet nicht während der größten Energiekrise jüngerer Zeit Kraftwerke ab, weil ihm der Energieträger nicht passt.
Zum Ende resümiere ich noch einmal: Die Schuldenbremse muss bleiben.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP)
Eine Weiterentwicklung der Jährigkeitsanforderungen des Bundesverfassungsgerichts erscheint anhand der Erfahrungen vergangener und gegenwärtiger Krisen angezeigt.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Marco Tullner, CDU: Sehr gut!)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Vielen Dank, Herr Ruland. Es gibt eine Frage, und zwar von Gallert. Lassen Sie diese zu? - Ich sehe Ihr Nicken und nehme das als Bestätigung. - Herr Gallert, bitte.
Wulf Gallert (DIE LINKE):
Herr Ruland, ich stelle erst einmal fest, dass Sie mit Ihrer Forderung, die Erhöhung des Bürgergeldes nicht durchzusetzen, ausdrücklich zum Verfassungsbruch aufrufen. Denn diese Erhöhung des Bürgergeldes ist Ausdruck eines Bundesverfassungsgerichtsurteils. Eine Partei, die hier permanent sagt, wir müssen die Schuldenbremse einhalten, weil sie verfassungskonform ist, und die anderen verstoßen dagegen, und die in der gleichen Rede zum Verfassungsbruch aufruft: Das ist eine Doppelbödigkeit, die bei mir wirklich einen sehr, sehr schlechten Eindruck hinterlässt, und nicht nur bei mir, Herr Ruland.
(Zustimmung bei der LINKEN)
Dann will ich noch eines sagen. Sie haben hier explizit noch mal gesagt, mit der Schuldenbremse ist alles okay, dabei gibt es ja Möglichkeiten. Jetzt sagen Sie mir bitte - ich habe die Frage heute gestellt und habe noch keine Antwort darauf bekommen : Sie nehmen Sonderkredite für den Hochtechnologiepark und für die IPS auf. Was ist die Ausnahme von der Schuldenbremse für diese Sonderkredite? Ist es die Naturkatastrophe?
(Zuruf von Jörg Bernstein, FDP)
Ist es die Notlage? Ist es die konjunkturelle Delle, die durch Intel ausgelöst wird? Das sind die drei Dinge, die Sie vorgelesen haben. Jetzt sagen Sie mir, welche dieser drei Ausnahmen berechtigt zur Aufnahme dieser Kredite?
Stefan Ruland (CDU):
Ich würde die Frage zuerst beantworten, weil die zwar besonders lang war, sich aber unglaublich einfach beantworten lässt. Sie können einfach einmal in der LHO genauer nachlesen, was die finanzielle Transaktion ist, und schon erklärt sich das.
Der Vorwurf des Verfassungsbruchs ist natürlich kühn,
(Wulf Gallert, DIE LINKE: Ja!)
denn Gerichte, auch das Bundesverfassungsgericht, entscheiden auf Basis von Gesetzen, die üblicherweise der Gesetzgeber macht. Ich glaube, auch in Berlin gibt es einen Gesetzgeber, der zurzeit immer einmal wieder als Lichtsignalanlage bezeichnet wird, die Ampel.
(Wulf Gallert, DIE LINKE: Die haben nicht die Verfassung verabschiedet! Die haben nicht das Grundgesetz verabschiedet!)
Die könnten auch Gesetze machen, die es ermöglichen würden, Bürgergelderhöhungen in der Art und Weise, wie sie aktuell geplant sind, auch verfassungskonform nicht umsetzen zu müssen.