Michael Scheffler (CDU):
Danke. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe FDP, ich verstehe eure Aktuelle Debatte zwar vor dem Hintergrund der Entwicklung in der Welt, aber hier in Sachsen-Anhalt finde ich sie deplatziert.
(Zustimmung von Marco Tullner, CDU, und von Sandra Hietel-Heuer, CDU)
Sie sind Mitglied einer Koalition mit SPD und GRÜNEN, welche sich selbst Fortschrittskoalition nennt. Sie sind der Partner in dieser Ampel, der eigentlich lieber gar nicht regiert, als falsch regiert.
(Lachen bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Sie sind die Partei, die immer wieder Freiheit und Technologieoffenheit erwähnt. Aber dort, wohin das Thema Atomenergie gehört, nämlich in die Bundesregierung, tragen Sie das Gegenteil mit. Das Thema hier in Sachsen-Anhalt aufzurufen ist unpassend, weil wir es hier nicht lösen können.
(Zustimmung bei der CDU, bei der AfD und von Olaf Meister, GRÜNE - Zuruf: Bravo!)
Wenn wir vor allem den GRÜNEN immer wieder gern Realitätsverlust vorwerfen, dann gehört zur Realität auch, dass wir in Sachsen-Anhalt in den letzten Jahren kein Kernkraftwerk hatten und hier ohne Atomausstieg wahrscheinlich auch nie eines gebaut hätten.
(Olaf Meister, GRÜNE: Ja!)
Ich weiß nicht, was Sie damit erreichen wollen. Aber ich kann Ihnen sagen, was Sie damit erreichen: Es stärkt die Unglaubwürdigkeit in die Liberalen allgemein und das ist sehr schade.
(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE - Cornelia Lüddemann, GRÜNE, lacht)
Es ist deshalb schade, weil Sie das hier in Sachsen-Anhalt nicht nötig haben. Es ist auch schade, weil sie in der Sache recht haben. Das Thema ist also bei uns hier im Land falsch adressiert und dass es von der SPD angebracht wird, erst recht.
(Ulrich Siegmund, AfD, lacht)
Aber zur Sache. Es stimmt natürlich, dass 22 Staaten der Welt die Kernkraft ausbauen wollen. Solche Länder wie die USA, Finnland oder Nachbarn wie die Niederlande, Polen oder Frankreich sind nicht irgendwelche Länder, die uns nichts angehen. Das sind unsere Partner. Das sind ebenfalls Industriestaaten mit der gleichen Wirtschafts- und Werteordnung.
Der Ausstieg aus der Kernenergie war ein Fehler,
(Zuruf von der AfD: Aha!)
technologisch,
(Beifall bei der AfD)
energiepolitisch, wirtschaftlich und, was den Grünen wirklich wehtun müsste, erst recht klimapolitisch.
(Zustimmung bei der CDU und Beifall bei der AfD - Zuruf von der AfD: Jawohl!)
Ich empfehle jedem die App Electricity Maps. Dort ist im Eingangsbild eine europäische Landkarte zu erkennen. Die Staaten sind von grün über gelb bis hin zu dunkelbraun eingefärbt. Je grüner, desto weniger CO2-Ausstoß durch Stromerzeugung, je brauner umso mehr. In den letzten Wochen war Deutschland immer dunkelbraun.
(Wolfgang Aldag, GRÜNE, und Elrid Pasbrig, SPD, lachen)
Das lag an dem vielen Kohlestrom, der gerade erzeugt wird.
(Zustimmung)
Als Zusatz sieht man noch Pfeile für die Stromflussrichtung. Jetzt raten Sie einmal, woher die Pfeile meist kommen. - Richtig, aus Frankreich.
(Sebastian Striegel, GRÜNE: Nein, meistens kommen sie aus Norwegen!)
Nun werden einige sagen: Im Sommer war es anders herum. Die Flüsse in Frankreich trocknen aus usw. Das stimmt. Dann schauen Sie einmal auf die Mengen. Wir importierten im zweiten Quartal etwas mehr als 7 Milliarden kWh mehr als vorher. Das ist fast exakt so viel, wie die abgeschalteten Kernkraftwerke vorher produziert haben.
(Zurufe von der AfD: Ach! - Das gibt es doch nicht! - So sieht dumme Politik aus!)
Das kostet natürlich. Das, was Deutschland macht, ist eine ideologiegetriebene Energiepolitik.
(Zustimmung bei der CDU und Beifall bei der AfD - Marco Tullner, CDU, zustimmend: Sehr gut!)
Das kann nur teuer sein. Wir reduzieren das Angebot, indem wir erst Kohle, dann Kernenergie aus dem Markt nehmen und danach vom billigen Erdgas auf teures Flüssiggas umsteigen müssen. Wegen Verknappungen steigen die Preise. Das lernt man im ersten Semester BWL oder in jeder Kaufmannsausbildung im ersten Lehrjahr.
(Zustimmung bei der CDU)
Nun kann man entweder das Angebot erhöhen, d. h., bestehende Kraftwerke laufen lassen und neu an das Netz nehmen, sowie Energiereserven wie Schiefergas erschließen, oder man kann Bürgern und Unternehmen Steuergeld geben, damit sie die hohen Preise bezahlen können. Das eine nennt man Marktwirtschaft, das andere Sozialismus.
(Zustimmung bei der CDU und Beifall bei der AfD - Zuruf: Und den wollen wir nicht!)
Das ist zugegebenermaßen platt formuliert, aber genau so ist es. Nun werden Sie von der grünen Seite argumentieren: Angebot ausbauen mit Windkraftanlagen und Fotovoltaikparks.
(Ja! bei den GRÜNEN)
Es wird nur nicht reichen. Ihre grüne Vordenkerin, Frau Ulrike Herrmann von der „taz“, stimmt dem ja zu. Sie sagt: Es wird nicht reichen und sie wollen das auch gar nicht. Sie nennt das: Wir brauchen grünes Schrumpfen.
(Beifall bei der AfD - Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Ja! - Zuruf von der AfD: Genau!)
Ich sage Ihnen: Wir wollen das nicht.
(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von der CDU: Jawohl!)
Wir wollen weiter Wachstum. Diesen brauchen wir für unseren Sozialstaat, für unseren Wohlstand, für unser Gesundheitssystem und vor allem für eine gesellschaftliche Weiterentwicklung.
Es ist so, auch wenn Sie das nicht hören wollen: Wir brauchen auch im eigenen Land einen erheblichen Anteil an sicherer, grundlastfähiger Energieerzeugung. Wir sind ein großes Land mit mehr als 84 Millionen Einwohnern und mit hochentwickelter Industrie. Wir benötigen Netzstabilität.
(Beifall bei der CDU - Marco Tullner, CDU: Jawohl!)
Auch dazu braucht man eine grundlastfähige Erzeugung. Ich gehöre übrigens nicht zu denen, die an den Blackout glauben. Dazu vertraue ich meinen ehemaligen Kollegen bei den Netzbetreibern. Dort arbeiten gut ausgebildete Ingenieure, die die Netze steuern. Diese sagen aber auch: Es gibt massive Eingriffe in das Netz. Solche Eingriffe, die mehr werden, je flexibler die Einspeisung ist. Das ist eigentlich nicht schlimm. Dazu braucht es aber neben Fachwissen gut ausgebaute Netze und Digitalisierung in den Netzen. Das geht vom Smart Meter über steuerbare Ortsnetztrafos bis zum Verkabeln von Kupfer in allen Spannungsebenen. Das kostet Geld und bauen muss es auch jemand - Geld, das nicht da ist, und bauen mit Arbeitskräften, die es nicht gibt.
Sie haben funktionierende Technik vom Markt genommen. Sie haben irgendwelche Hoffnungen und teure Ideen, aber keinen richtigen Plan. Häufig kommt auch das Argument: Die restlichen Kernkraftwerke haben so wenig Strom produziert, das fällt gar nicht auf, wenn sie abgeschaltet sind. Das sind übrigens die gleichen Leute, die dann sagen: Wir brauchen eine Förderung für Balkonkraftwerke, weil jede Kilowattstunde so wichtig ist. Typisch unlogische Argumentation, wie in allen Bereichen, zu denen sich Grüne äußern.
(Beifall bei der AfD - Zuruf von der AfD: Jawohl!)
Ich erinnere mich noch gut an die Kohleausstiegsverhandlungen. Es war unser Ministerpräsident, der sinngemäß gesagt hat: Es ist fast alles möglich, aber jedes Jahr früher aussteigen, bedeutet viele Gasturbinen zusätzlich. Er hat den nötigen Weitblick gehabt, aber er ist ja Physiker und kein Ideologe und versteht naturwissenschaftliche Zusammenhänge.
(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der AfD)
Jetzt möchte Herr Habeck bis zum Jahr 2030 50 Stück 500 MW Gasturbinen bauen lassen. Aber so richtig los geht es irgendwie nicht,
(Zuruf von der AfD: Nein!)
weil den Investoren das nötige Vertrauen fehlt.
(Lachen bei der AfD)
Ihr Plan ist: mehr Windräder, mehr Sonnennutzung; dann wollen Sie etwas mit Wasserstoff machen. Bis das alles so weit ist, zahlen Sie Energiepreisbremsen und Zuschüsse zu Industriestrompreisen. Sie bekämpfen die von Ihnen selbst gemachten Probleme mit Steuergeld, welches schon jetzt alle ist.
(Zuruf von der AfD: Ist der Mann von uns, sag mal?)
Bei all dem planlosen Vorgehen machen Sie mit, liebe FDP.
(Lachen)
Aus CDU-Sicht kann ich sagen: Prüfen Sie, verehrte Ampelkoalition, ob die Kernkraftwerke wieder einschaltbar sind. Nehmen Sie sie in Betrieb. Besorgen Sie zur Not den Brennstoff. Prüfen Sie die Nutzung heimischer Schiefergasvorhaben. Bei dem notwendigen Netzausbau, bei Wasserstofftechnologie, bei der Errichtung von Nahwärmenetzen arbeiten wir gern mit. Wir sind nämlich technologieoffen und verschließen uns keiner sinnvollen Lösung, wenn sie für Unternehmen und Bürger bezahlbar ist.
(Beifall bei der CDU und bei der AfD - Zuruf von der AfD: Jawohl!)
Für Sachsen-Anhalt heißt das: Wir sollten uns auf das konzentrieren, was wir können, nämlich Windenergie und Fotovoltaikanlagen weiter ausbauen, aber mit den Bürgern und nicht gegen sie.
(Lachen)
Deshalb machen wir in der Koalition ein Akzeptanz- und Beteiligungsgesetz. Wir machen weiter mit unseren Wasserstoffprojekten. Wir beziehen alle im Land verfügbaren Energieformen ein auch Biomasse, Wasser, Geothermie und natürlich auch Kohle, solange wie gesetzlich und gesellschaftlich ausgehandelt, und in der Zukunft vielleicht Schiefergas - alles ohne ideologische Scheuklappen, aber immer bei den Menschen.
Liebe Freunde der Deutschland-Koalition! Lassen Sie uns hier in Sachsen-Anhalt erfolgreich weiterarbeiten. Nutzen Sie Ihren verständlichen Frust über Ihre Berliner Ampel und bringen Sie Ihren grünen Partner dort zur Vernunft. - Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU - Lebhafter Beifall bei der AfD - Jawohl! und Bravo! bei der AfD)