Guido Heuer (CDU):
Sehr geehrter Herr Präsident! Ich werde meine Redezeit mit dem Kollegen Tobias Krull teilen, der Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft in Magdeburg ist. Meinen Redebeitrag möchte ich mit einem Zitat von August Bebel beginnen, welches dann auch Helmut Kohl, abgewandelt in der Verneinung, verwendet hat: „Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten.“
Wenn es um das Thema Israel geht, kann ich jedem als Eingangslektüre die „GEO-Epoche“ Nr. 61/2013 zur Entstehung und Geschichte Israels empfehlen. Das sind nur ca. 150 Seiten, aber das trägt deutlich dazu bei, Geschichtsklitterung zu verhindern.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war für mich unvorstellbar, dass es nach den Pogromen der sogenannten Reichskristallnacht und den unfassbaren Gräueltaten des Holocausts wieder zu offenem Judenhass in Deutschland kommen konnte. Unsere jüdischen Mitbürger müssen sicher über unsere Straßen gehen können, ohne Angst vor Hass, Gewalt und Repression.
(Zustimmung bei der CDU)
Wer diese historische Verantwortung nicht teilen kann, der muss mit der ganzen Härte des Rechtsstaates rechnen und trägt offen zutage, dass er kein Teil unserer Gesellschaft sein will. Dabei ist es egal, ob es religiös motiviert, rechts oder links motiviert ist. Antisemitismus - um das noch einmal ganz klar zu sagen - ist mit den Werten unserer Gesellschaft nicht vereinbar.
(Zustimmung bei der CDU und von Andreas Silbersack, FDP)
Es ist für mich unerträglich, dass auf deutschen Straßen Hamas-, IS- oder Hisbollah-Fahnen geschwenkt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der 9. November ist ein einzigartiger Tag für uns Deutsche, ein Tag deutscher Verantwortung, ein Tag deutschen Bewusstseins und ein Schicksalstag für die Deutschen. Es ist ein Tag, der deutlich macht, welche Verantwortung die Demokratie und wir Demokraten haben, welche Verantwortung wir haben, um Antisemitismus und Ausgrenzung sowie Hass zu stoppen.
Unser Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung deutlich gemacht, welche Staatsräson wir haben. Ich bedanke mich recht herzlich dafür, dass er diese Regierungserklärung eingereicht hat.
In Zeiten von steigender Gewalt gegen Juden in unserem Land müssen wir alle für unsere Demokratie und unsere Werte einstehen. Wir als Parlament, genauso wie jeder Bürger unseres Bundeslandes dürfen nicht vergessen, wie die deutsche Geschichte zwischen dem 9. November 1918 und dem 9. November 1989 verlief. Das ist ein Spannungsbogen, der uns deutlich gemacht hat, wie anfällig Demokratie, Freiheit und Frieden wirklich sind, der uns aber auch gezeigt hat, dass es sich lohnt, gegen Unrecht auf die Straße zu gehen und mit friedlichen Motiven für die eigene Freiheit zu streiten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 9. November 1918 verkündete der damalige Reichskanzler Max von Baden die Abdankung des Kaisers. Sie alle kennen die Legende der doppelten Republik. In Berlin ausgerufen legte die Abdankung des Kaisers den Grundstein für eine parlamentarische Demokratie auf deutschem Boden, ein Akt der Hoffnung, aber auch der Moderne.
Es entstand eine neue Form der Staatlichkeit. Das Handeln des Parlaments berief sich auf eine Legitimation aus dem Volk. Leider wissen wir heute, dass diese Republik nur wenige Jahre bestand. Doch lassen Sie mich eines sagen: Die Gründung der Weimarer Republik gilt als eine Säule unserer heutigen Rechtsstaatlichkeit; ein Gedanke, der auch heute, mehr als 100 Jahre später, nicht überall auf der Welt wahr geworden ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben das Glück, in einem Land zu leben, in dem alle Macht vom Volke ausgeht, in dem ein Parlament streiten darf und in dem ein Grundgesetz die Grundrechte unserer Bürger sichert. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben sich die Gründungsväter unserer Bundesrepublik die Weimarer Zeit zum Vorbild genommen und die Gründe für das Scheitern deutlich benannt.
Es ist für uns heute selbstverständlich, dass Rechtsstaatlichkeit und Demokratie unser Handeln bestimmen, dass unsere Gesellschaft das hohe Gut des Friedens und der Freiheit erkennt. Doch unsere Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Wir dürfen nicht den Fehler begehen, träge zu werden. Unsere Demokratie muss, wie Franz Josef Strauß es einmal sagte, Zähne und Klauen haben. Sie muss sich täglich beweisen. Und wir müssen für sie einstehen.
Es darf nicht sein, dass extremistische Kräfte die Demokratie infrage stellen, wie es heute vor 100 Jahren der Fall war, als Adolf Hitler den Versuch unternahm, die parlamentarische Demokratie zu stürzen und eine nationalsozialistische Diktatur einzurichten. Es war im Jahr 1923 der erste Versuch der NSDAP, einen strukturellen Umsturz hin zur Diktatur zu vollziehen. Zum ersten Mal zeigten sie ihr wahres Gesicht und ihre verachtenswerten Ziele. Es ist ein unfassbar trauriges Beispiel dafür, wie angreifbar unsere Demokratie ist, wie wenig es braucht, um Selbstverständliches wegzuwischen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aktuell manifestiert sich erneut ein Antisemitismus in unserem Land. Eine Welle des Hasses und der Verbrüderung mit islamistischen Terroristen kommt über unser Land, die Unverständnis und Fassungslosigkeit in uns auslöst. Lassen Sie es mich an dieser Stelle ausdrücklich betonen: Die CDU-Landtagsfraktion steht an der Seite Israels, an der Seite der Opfer von Hamas-Gewalt und an der Seite der Jüdinnen und Juden in Sachsen-Anhalt, Deutschland und der ganzen Welt, und das ohne jedes „Ja, aber“.
(Beifall bei der CDU)
Als Land haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, jüdisches Leben zu schützen und zu fördern. Das ist unsere historische Verantwortung und dieser müssen wir gerecht werden. Wir fordern die Bundesregierung auf, alle Möglichkeiten des Staates zu nutzen, um den offen gezeigten Judenhass bei Demonstrationen zu unterbinden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einer hoffnungsfrohen Botschaft enden und dann an meinen Kollegen Tobias Krull übergeben: Der 9. November ist aber auch ein Symbol der Hoffnung und der Freiheit. Am 9. November 1989 wurde etwas nie Geglaubtes Realität. In Berlin fiel die Mauer und ein geteiltes Deutschland und ein geteiltes Europa fanden erneut zueinander. Das Grauen von SED-Unrecht und Angst wurde bezwungen. Die Motivation dafür war der Wille von Demokratie, Frieden und Freiheit. Lassen Sie uns heute auch daran denken. - Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP)