Sebastian Striegel (GRÜNE): 

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestern plakatierten Neonazis noch: Todesstrafe für Kinderschänder. Sie wollen also staatlich sanktionierte und tödliche Gewalt gegen Menschen, die sich sexualisierter Gewalt an Kindern schuldig gemacht haben. 

Heute möchte die AfD diesen Job gern an einen Online-Mob auslagern. In einem öffentlich einsehbaren Register sollen aus der Haft entlassene Straftäter mit Namen, Anschrift und Foto an den Pranger gestellt werden.

(Felix Zietmann, AfD: Rechtsextrem, wunderbar!) 

Erzählen wollen die mandatierten Rechtsextremisten uns, sie schützten - Zitat - die Schwächsten der Gesellschaft. Tatsächlich geht es darum, an die Strafhaft eine zweite Bestrafung anzuhängen, nämlich die öffentliche Verfemung. Resozialisierung soll verhindert, 

(Felix Zietmann, AfD: Nicht für solche Täter!)

dem Rachegedanken soll Raum gegeben werden. 

Meine Damen und Herren! Kinder in unserem Land brauchen Sicherheit. 

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Ja! - Weitere Zurufe von der AfD) 

Der Vorschlag der AfD schafft Unsicherheit. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Unruhe bei der AfD - Zuruf: Genau!) 

Ginge es der AfD darum, Kinder wirksam vor sexualisierter Gewalt zu schützen, bräuchte man einen gänzlich anderen Weg. 

(Zuruf von der AfD: Na klar!) 

Nehmen wir einen Blick auf die Fakten. Pro Tag werden nach der polizeilichen Kriminalstatistik 48 Kinder Opfer sexueller Gewalt. Die Dunkelziffer liegt deutlich höher. 

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Ja!) 

Die Hochschule Merseburg ermittelte zuletzt im Auftrag des Innenministeriums des Landes Sachsen-Anhalt, dass von den Befragten 16- bis 18-jährigen Jugendlichen 24 % der Mädchen und 7 % der Jungen und 39 % der diversgeschlechtlichen Personen bereits einen Vergewaltigungsversuch erlebt haben. Sexualisierte Gewalt findet weit über wiegend im sozialen nahen Umfeld von Kindern und Jugendlichen statt, zumeist in der Kernfamilie sowie im Freundes- und Bekanntenkreis. Auch Mitarbeitende in Bildungs-, Sport- und Freizeiteinrichtungen können Täter sein. Es sind meistens Männer, seltener Frauen. 

Wer Kinder schützen will, der muss Kinder starkmachen. Wer Kinder schützen will, der muss ihnen beim Umgang mit dem eigenen Körper Sicherheit geben. Wer Kinder schützen will, der muss sie für den Umgang mit sexualisierter Gewalt im Netz fit machen. Wer Kinder schützen will, der arbeitet präventiv mit potenziellen Tätern. Wer Kinder schützen will, der erarbeitet explizit Schutzkonzepte für die Prävention vor sexualisierter Gewalt in den Einrichtungen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Und was macht die AfD? - Die AfD hetzt gegen Sexualerziehung in Kitas und in Schulen. 

(Frank Otto Lizureck, AfD: Mit Recht!) 

Sie verunglimpft Aufklärung und Stärkung der Kinder bei der Wahrnehmung ihrer Körper. Beide heutige Fraktionsvorsitzende der AfD haben eine entsprechende Erklärung schon im Jahr 2016 unterzeichnet. Wer Kinder von Aufklärung fernhält, der hält sie in der Rolle potenzieller Opfer. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN) 

Aufklärung und Sexualerziehung, beginnend in der Familie und in der Kita, geben Kindern die Chance, Grenzen zu setzen und sich sexualisierter Gewalt entweder selbstbewusst entgegenzustellen 

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Ja, ja!)

oder sie gegenüber vertrauten Menschen als eklatante Grenzüberschreitung zu benennen. Das holt die Täter aus der Dunkelheit. Das verhindert oder erschwert Taten. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN) 

Wer Kinder schützen will, der macht sie fit für den Umgang mit Online-Phänomenen von sexualisierter Gewalt. Anders als bei Kindesmissbrauch im sozialen Nahumfeld der Opfer sind es hier besonders häufig Fremde, die z. B. durch Cybergrooming Kontakt zu Kindern mit dem Ziel aufbauen, Nacktdarstellungen zu erhalten oder einen Missbrauch in der Realwelt vorzubereiten. Auch hierbei hilft Sensibilisierung.

Kinder müssen fit gemacht werden für den Umgang mit den sozialen Medien. Die Gefahren der Online-Welt müssen benannt werden und es müssten Strategien gegen den Missbrauch entwickelt werden.

In Sachen Servicestelle Kinder- und Jugendschutz gibt es gerade enorme Unruhe, da die institutionelle Förderung beendet und ein Dienstleistungsvertrag neu ausgeschrieben werden soll. Auch wenn dadurch sicherlich ein Bruch bei der Erfüllung dieser Landesaufgabe erzeugt wird, steht die Aufgabe selbst nicht zur Debatte. Dafür bin ich der Sozialministerin dankbar. Sie soll, glaube ich, ab dem Jahr 2025 umfänglich erfüllt werden, ob mit einem neuen oder mit dem altbewährten Träger.

Wer Kinder wirksam vor sexualisierter Gewalt schützen will, der muss auch mit potenziellen Tätern arbeiten. Nur die wenigsten Männer, die sexualisierte Gewalt an Kindern ausüben, sind tatsächlich pädophil. Für pädophile Männer braucht man Angebote, um ihnen dabei helfen zu können, nicht zu Tätern zu werden. Das schafft echte Sicherheit, 

(Zustimmung bei den GRÜNEN) 

nicht ein Online-Pranger. Ich bin froh, dass das Projekt „Kein Täter werden“ in Sachsen-Anhalt Online-Sprechstunden und vereinzelt auch Vor-Ort-Gespräche für Menschen mit pädophilen Neigungen anbietet und dadurch auch Therapieansätze möglich werden. Jeder potenzielle Täter, der sich helfen lässt und dem geholfen werden kann, ist ein Gewinn an Sicherheit für Kinder und Jugendliche in diesem Land.

Und darüber hinaus: Prävention gegen sexualisierte Gewalt setzt bei Erwachsenen an. Fachkräfte müssen fit werden, um sexualisierte Gewalt zu erkennen und um für dieses Thema ansprechbar zu werden. Seit dem Jahr 2019 sollen in Sachsen-Anhalts Schulen Schutzkonzepte eingeführt werden. Wie ist hierbei der Stand? Wie ist der Ausbildungsstand bei Lehrkräften und bei den weiteren Fachkräften? Hier gilt es, mit Prävention anzusetzen. 

Es gilt, die Gesellschaft zu sensibilisieren. Ein Klaps auf den Po in der Disco ist eben ein sexueller Übergriff, ein Catcalling gegenüber Frauen ein gewaltvoller Akt. Jeder Mensch in Sachsen-Anhalt sollte das wissen. Er sollte wissen, wo sie oder er selbst Hilfe bekommt. Sie sollten aber auch wissen, dass sie anderen helfen können.

Noch einmal - ich komme zum Schluss  : Kinder müssen vor sexualisierter Gewalt bestmöglich geschützt werden. Dafür braucht es die unbedingte Solidarität mit den Betroffenen, Aufklärung, wirksame Präventionskonzepte und den gesellschaftlichen Willen, Täter nicht nur zu verbannen oder an den Pranger zu stellen, 


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 

Dann kommen Sie auch zum Schluss.


Sebastian Striegel (GRÜNE):

sondern ihnen nach der Tat und dem Absitzen der Strafe in ein straffreies Leben zu helfen. Ein Pranger erreicht das Gegenteil. - Herzlichen Dank. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN)