Konstantin Pott (FDP):
Sehr geehrte Frau Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Das Bürgergeld beschäftigte den Landtag bereits vor einem Jahr, als die Bundesregierung kurz vor der umfangreichen sozialpolitischen Reform stand.
Aktuell ist der zentrale Streitpunkt vor allem die Erhöhung des Regelsatzes, die kontrovers diskutiert wird. Dazu werde ich gleich noch etwas sagen.
Die Reform des Bürgergeldes ist noch immer in vollem Gang. Seit dem 1. Juli 2023 ist die zweite Stufe in Kraft getreten, welche den Bereich der Weiterbildung und der Qualifizierung beinhaltet. Auch dort wird es weiterhin heißen, dass es eine stetige Weiterentwicklung und Evaluierung braucht, um zu schauen, wie wir dort noch besser werden können.
Klar ist für uns Freie Demokraten aber, dass Bildung und Qualifizierung der Weg aus der Arbeitslosigkeit und aus der Armut ist. Genau das war auch die Grundidee des liberalen Bürgergeldes, bei dem Berufsabschlüsse, Weiterbildungen, Qualifizierungen und Coaching an erster Stelle standen. Nur mehr Geld in das Sozialsystem ist nicht der Aspekt, der zu mehr Chancengerechtigkeit führt, stattdessen sind es Aufstiegschancen durch Bildung.
Armut ist in Deutschland häufig eine Erwerbsarmut. Deshalb müssen wir dort ansetzen, um die Probleme zu lösen. Auch wenn es innerhalb der Verhandlungen zum Bürgergeld zu Abstrichen von dem ursprünglichen Konzept, wie wir Freie Demokraten es uns gewünscht hätten, kam, ist dieser Aspekt doch trotzdem noch immer ein wesentlicher Bestandteil und Teil der eigentlichen Reform, die stattgefunden hat.
Kommen wir einmal etwas genauer auf die Einführung des Bürgergelds zu sprechen. Die erste Stufe des Bürgergeldes gilt seit dem 1. Januar 2023. Zentral sind hierbei die vorausschauende Anpassung der Regelsätze, die Karenzzeit bei Wohnung und Vermögen, der Wegfall des Vermittlungsvorrangs sowie Leistungsminderungen in Form von Sanktionen. Mit der zweiten Stufe zum 1. Juli 2023 traten dann die Weiterbildungsmöglichkeiten in Kraft bzw. sind integriert worden.
Berufliche Weiterbildungen werden stärker gefördert, ebenso das Nachholen eines Berufsabschlusses oder Coachingangebote. Auch der Kooperationsplan ist eingeführt worden, welcher sich an den individuellen Bedürfnissen von Betroffenen orientiert und einen roten Faden durch die Arbeitssuche darstellt. Des Weiteren - wie ich bereits erwähnt habe - ist das Angebot des Coachings zu nennen, welches sich vor allem an Betroffene richtet, die besondere Schwierigkeiten beim Finden eines neuen Arbeitsplatzes haben und das stärker in den Fokus nimmt.
Es gleicht einer ganzheitlichen Betreuung. Mit der Erhöhung der Freibeträge ist ein weiterer wichtiger Punkt für uns Freie Demokraten vollzogen worden.
Gerade für Schülerinnen und Schüler sowie für Auszubildende ist dies ein wichtiger Schritt in ein selbstbestimmtes Leben; denn Arbeit muss sich lohnen, und zwar abseits davon, ob die Eltern Bürgergeld beziehen oder nicht.
Ich möchte dazu kurz ein Rechenbeispiel anführen. Nach den alten Hartz-IV-Regeln behält ein Azubi von der Ausbildungsvergütung die ersten 100 €. Darüber hinaus bleiben nur 20 % anrechnungsfrei, also im Portemonnaie des Azubis. Mit dem neuen Bürgergeld behält der Auszubildende die ersten 520 €. Darüber hinaus verbleiben ihm 30 %, ab 1 000 € dann noch 10 %. Das bedeutet bei einer Ausbildungsvergütung von 1 000 € im alten Hartz-IV-System 280 € und mit dem neuen Bürgergeld 664 €. Das ist doch ein klarer Anreiz für junge Menschen
(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP, und von Dr. Katja Pähle, SPD)
zu sagen, ich gehe in eine Ausbildung und dann verbleibt mehr von dem Geld, das ich mir dort erarbeite, in meinem Portemonnaie.
Trotz dieser Umstrukturierung wird immer wieder die Frage in den Raum gestellt, ob sich das Arbeiten überhaupt noch lohnt, gerade für Menschen im Niedriglohnbereich. Ich möchte klarstellen, dass innerhalb des SGB II geregelt ist, wie eine Erhöhung zu erfolgen hat. Das war bereits bei Hartz IV so und ist auch weiterhin beim Bürgergeld der Fall. Der einzige Unterschied ist, dass die Mittel vorausschauend angepasst und nicht nachträglich korrigiert werden müssen.
Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2014 ist beschlossen worden, dass die Regelsatzberechnung einem transparenten Verfahren folgt. Durch das Bürgergeld ist diese Berechnungsmethode aber nicht verändert worden. Man kann die Erhöhung kritisch sehen. Dann sollte man aber vor allem auch selbst einen Vorschlag unterbreiten, wie eine andere Berechnung in Einklang mit diesem Urteil des Bundesverfassungsgerichts erfolgen kann. Genau das hätte ich mir in der Debatte stärker gewünscht: wenn man das Bürgergeld kritisiert, dann bitte auch sagen, wie man es besser machen und dabei gleichzeitig das Urteil des Bundesverfassungsgerichts einhalten kann.
(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP, und von Dr. Katja Pähle, SPD)
Ein wichtiger Punkt muss trotzdem gesagt werden: Es sollte auf Bundesseite stärker überlegt werden, ob mit der Regelsatzerhöhung auch die Steuerfreibeträge entsprechend angepasst werden sollten. Für einen funktionierenden Sozialstaat ist es wichtig, dass dabei auch die Bevölkerung entlastet wird. Das hat die FDP auf Bundesebene bereits in die Debatte mit eingebracht.
(Zustimmung von Jörg Bernstein, FDP)
Weiterhin ist es auch ein Trugschluss zu glauben, dass diese Art der Sozialleistungen einfach greift, sprich Job kündigen und die Sozialleistungen nutzen. Kommt es zu einer selbstständigen Kündigung des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin, welche nicht nachvollziehbar erscheint, wird eine Sperrfrist von zwölf Wochen verhängt. Wenn man mit den Arbeitsämtern spricht, dann wird deutlich, dass es nicht zu einer Welle von Kündigungen gekommen ist, wie von Teilen des Parlaments befürchtet und auch im vergangenen Jahr immer wieder betont worden ist. Das ist schlicht und einfach nicht der Fall.
Lohnt sich das Arbeiten noch? - Unsere Antwort darauf ist ein klares Ja. Arbeit trägt zu einem selbstbestimmten Leben bei. Sie strukturiert den Alltag, schenkt Wertschöpfung und gibt das Gefühl, etwas zu bewirken. Diesen Grundsatz vertreten wir. Genau deshalb ist der Fokus auf Qualifizierung und Weiterbildung für uns von zentraler Bedeutung. Jedem Menschen sollen die gleichen Chancen gegeben werden, den gewünschten Beruf zu erreichen. Es gilt, das künftig zu unterstützen.
Worauf es jetzt aus meiner Sicht ankommt, ist die Umsetzung. Die Sanktionsmöglichkeiten, die es gibt, reizen das Maximum dessen aus, was das Bundesverfassungsgericht als angemessen ansieht. Diese Möglichkeiten müssen bei entsprechenden Verstößen genutzt werden. Dafür brauchen die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter auch den politischen Rückenwind, um das durchzusetzen.
(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP)
Wer Sozialleistungen bezieht und Termine verstreichen lässt, der sollte dafür auch sanktioniert werden.
(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP)
Das Bürgergeld ist also keine Alternative zur Erwerbstätigkeit und kein bedingungsloses Grundeinkommen, sondern eine Überbrückungshilfe zwischen zwei Tätigkeiten, die bei wirtschaftlichen Umbrüchen neue Möglichkeiten und neue Chancen eröffnet. Die Erhöhung, die es gab, kann man kritisch sehen, aber es braucht schon einen konkreten alternativen Berechnungsvorschlag, welcher, wie ich es betont habe, in Einklang mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts steht, um hierüber eine sachorientierte Debatte zu führen.
Eine abschließende Bewertung ist aus meiner Sicht im Übrigen noch gar nicht möglich; denn die zweite Stufe gerade mit den Bildungs- und Coachingangeboten ist erst seit dem 1. Juli in Kraft. Es wird sich erst in Zukunft zeigen, wie das Ganze am Ende greift. Wir wissen alle, Bildung geht nicht von einem auf den anderen Tag. Man sollte dem Ganzen etwas Zeit lassen, um am Ende eine finale Beurteilung vornehmen zu können.
Auch weiterhin brauchen wir den Fokus auf Qualifizierung und Bildung, um eine Chancengerechtigkeit im Land herzustellen. Dafür werden wir uns weiter einsetzen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der FDP - Zustimmung von Katrin Gensecke, SPD)