Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport):

Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren Abgeordneten! Lieber Herr Erben! Heute ist nicht nur der internationale Tag der Katastrophenvorbeugung, sondern heute ist auch der Tag des Rauchmelders.

(Lachen)

Ich sage das deswegen, weil eine Pressemitteilung des Innenministeriums bei einigen Fraktionen für Erheiterung gesorgt hat.

(Zuruf von Rüdiger Erben, SPD)

Herr Erben, ich bin Ihnen wirklich außerordentlich dankbar, dass Sie für heute die Aktuelle Debatte zum Thema Katastrophenschutz auf die Tagesordnung gesetzt haben. Denn eines ist doch völlig klar: Der Bevölkerungsschutz hat allein mit Blick auf eine veränderte weltpolitische Sicherheitslage spätestens seit dem 24. Februar 2022, aber im Übrigen auch seit den Morgenstunden des 7. Oktober 2023 einen völlig neuen Stellenwert erhalten.

Es ist auch völlig unstrittig, dass aufgrund eines sich verändernden Klimas Extremwetterereignisse in immer kürzerer Zeit zu erwarten sind und natürlich den Katastrophenschutz vor neue Herausforderungen stellen.

Das war im Übrigen einer der Gründe dafür, dass ich mich im letzten Jahr entschieden habe, im Innenministerium eine neue Abteilung „Bevölkerungsschutz und Krisenmanagement“ einzurichten. Die neue Abteilung mit ihren vier Referaten hat am 1. Februar ihre Arbeit aufgenommen. Die Stellenbesetzungen laufen im Augenblick sehr erfreulich.

Sich auf Krisen vorzubereiten und im Fall der Fälle handlungsfähig zu sein, ist aber keinesfalls die alleinige Zuständigkeit des Innenministeriums. Ich weiß, dass andere Ressorts und auch die Kommunen sehr gern auf die Expertise des Innministeriums zurückgreifen, aber bei der Vorbereitung sind eben viele gefragt. Um die Handlungsfähigkeit der Landesregierung in Krisensituationen zu stärken, habe ich deshalb im letzten Jahr die Einrichtung eines vorübergehenden Vorbereitungsstabes der Landesregierung unter meiner Leitung und unter Beteiligung aller Ressorts sowie des Landeverwaltungsamtes vorgeschlagen. Diesem Vorschlag ist das Kabinett gefolgt.

Dieser Vorbereitungsstab hat in der Zeit von November 2022 bis Juli 2023 insgesamt zehn Mal getagt. Der Schwerpunkt der Beratung lag auf der Erörterung und der Vereinbarung von Maßnahmen, um auch in Krisensituationen Staats- und Regierungsfunktionen im Land aufrechterhalten zu können. Als Krisenfall haben wir übrigens einen längeren flächendeckenden Blackout unterstellt. Wir haben uns dabei nicht nur die Handlungsfähigkeit der Ministerien und der nachgeordneten Behörden im Fall der Fälle angeschaut, sondern wir haben auch die Handlungsfähigkeit der kritischen Infrastrukturen - Sie, Herr Erben, haben als Beispiel das Gesundheitswesen genannt - in den einzelnen Ressortbereichen in den Blick genommen. Die Arbeit des vorübergehenden Vorbereitungsstabes wurde eingestellt, aber die vereinbarten Maßnahmen werden jetzt, natürlich in der jeweiligen Ressortverantwortung, umgesetzt.

Ein Gewinn ist, dass wir seit dem letzten Jahr ein bundesweites gemeinsames Lagebild Bevölkerungsschutz haben, welches vom Gemeinsamen Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz erstellt wird. Dieses gemeinsame Kompetenzzentrum ist auf der Ebene der Innenminister zwischen dem Bund und den Ländern vereinbart worden. Ergänzend erstellt übrigens das Innenministerium jetzt auch dauerhaft ein Landeslagebild Kritis auf der Grundlage der Zuarbeiten der einzelnen Ressorts.

Aus meiner Sicht ist es gut und richtig, dass die unmittelbare Gefahrenabwehr im Katastrophenschutz in der alleinigen Zuständigkeit der Länder liegt. Die auf der Bundesebene durchaus diskutierte Ausweitung der Bundeskompetenzen sehe ich sehr kritisch. Die Abwehr und Bewältigung von Katastrophen erfordert in aller Regel sofortiges Handeln. Vor allem müssen die regionalen Gegebenheiten und das jeweils zur Verfügung stehende Einsatzpotenzial bekannt sein.

(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP)

Wenn wir zentrale Zuständigkeiten des Bundes vorsehen würden, dann wäre das, glaube ich, eher kontraproduktiv.

Das heißt aber nicht - das haben Sie, Herr Erben, auch schon angedeutet  , dass der Bund seine Verpflichtungen im Zivilschutz aus dem Auge verlieren darf. Die Bereiche des Katastrophen- und Zivilschutzes sind auf das Engste miteinander verwoben. Der Bund ist deshalb auch zur ergänzenden Ausstattung des Katastrophenschutzes in den Aufgabenbereichen Brandschutz, ABC-Schutz, Sanitätswesen und Betreuung verpflichtet. Wir müssen feststellen, dass das Land Sachsen-Anhalt aktuell über 166 bundeseigene Zivilschutzfahrzeuge verfügt. Es müssten allerdings 215 seien.

Zudem hat der Bundesrat im letzten Jahr auf Initiative von Sachsen-Anhalt beschlossen, dass im Haushalt des Bundesinnenministeriums ein Stärkungspaket Bevölkerungsschutz in Höhe von 10 Milliarden € über einen Zeitraum von zehn Jahren verankert wird. Im Bundeshaushalt dieses Jahres, aber auch in den Veranschlagungen für das nächste Jahr findet dieses Stärkungspaket Bevölkerungsschutz leider bislang keinerlei Niederschlag. Ganz im Gegenteil, Herr Erben, Sie haben es gesagt: Allein beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe soll sogar eine Kürzung von 50 Millionen € vorgenommen werden. Ich glaube, wir bekommen im Augenblick genau die falschen Signale vom Bund.

(Zustimmung bei der CDU und von Guido Kosmehl, FDP)

Wir im Land haben hingegen auch dank der unterstützenden Entscheidung des Haushaltsgesetzgebers die Möglichkeit, weiterhin in den Katastrophenschutz im Land zu investieren. Wir tun das in diesem Jahr und haben auch entsprechende Anmeldungen für das nächste Jahr vorgenommen.

Nun noch einige Anmerkungen zum Katastrophenschutzgesetz. Allein der Umstand, dass ein Gesetz fast 30 Jahre alt ist, rechtfertigt nicht seine grundlegende Änderung. Unser Grundgesetz hat schließlich schon ein stolzes Alter von 74 Jahren. Ich sehe auch nicht, dass eine grundlegende Neukonzeptionierung des Katastrophenschutzgesetzes erforderlich ist. Ich meine, dass sich unser Katastrophenschutzgesetz insbesondere bei der Bewältigung der Hochwasserkatastrophen in den Jahren 2002 und 2013 und im Übrigen auch bei der Coronapandemie bewährt hat.

Über punktuelle Änderungen des Katastrophenschutzgesetzes kann man natürlich sprechen, aber eine Neukonzeptionierung sehe ich kritisch. Das gilt insbesondere auch für die Frage, ob das Brandschutzgesetz, das Rettungsdienstgesetz und das Katastrophenschutzgesetz zu einem einheitlichen Hilfeleistungsgesetz zusammengeführt werden sollen. Das machen im Augenblick wenige Bundesländer. Ich glaube, wir sollten aus unterschiedlichen Gründen diesen Weg auch nicht gehen, und sei es nur, weil es sich beim Brandschutz und beim Rettungsdienst um Aufgaben handelt, die im eigenen Wirkungskreis auf verschiedenen Ebenen wahrgenommen werden, während es beim Katastrophenschutzgesetz um den übertragenen Wirkungskreis geht.

In Bezug auf kritische Infrastrukturen gebe ich Ihnen völlig recht. Das müssen wir in den Blick nehmen. Ich denke aber, wir sollten abwarten, was das Kritis-Dachgesetz des Bundes dazu vorsieht. Sie wissen, dass wir dazu auch als Innenministerkonferenz in enger Abstimmung mit dem Bundesinnenministerium stehen. Ein Kritis-Dachgesetz des Bundes ist überfällig, um gerade auch gewisse Definitionen bundesweit einheitlich vorzunehmen. Die Arbeiten auf der Bundesebene sind sehr weit vorangeschritten. Ich glaube, wir sollten das Kritis-Dachgesetz des Bundes abwarten, um dann zu schauen, ob es ggf. Anpassungs- und Regelungsbedarf auf der Landesebene gibt.

Noch ein paar Worte zur Landesreserve an Katastrophenschutzmaterial. Dieses Thema haben wir bereits in unserem Konzept zur Stärkung und Weiterentwicklung des IBK Heyrothsberge adressiert. Danach sollen die bestehenden dezentralen Vorhaltungen von Katastrophenschutzmaterial durch die Katastrophenschutzbehörden künftig zentral gesteuert und um eine Landesreserve an einen zentralen Standort ergänzt werden.

Sie wissen, dass wir noch ein Detailkonzept flankierend zum IBK-Zukunftskonzept erstellen. Wir müssen die Rahmenbedingungen noch ermitteln, also Art und Umfang der vorzuhaltenden Mittel, die Flächen- und Personalbedarfe, mögliche Miet- und Baukosten und Ähnliches. Wenn wir dieses Konzept erstellt haben, dann werden wir das sicherlich im Einzelnen vorstellen. Die Umsetzung könnte dann allerdings im Erlasswege erfolgen. Dafür benötigen wir keine Gesetzesänderung.

Dieses und andere Themen werden wir also sicherlich weiter beraten. Wir werden uns natürlich insbesondere auch mit den im Katastrophenschutz tätigen Behörden und Organisationen beraten, um die Vernetzung aller Akteure zu stärken und zu verbessern - Sie, Herr Erben, haben völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass das zwingend erforderlich ist  , hat das Ministerium im Mai 2023 zu einem ersten Katastrophenschutz-Netzwerktreffen eingeladen. Viele weitere Treffen sollen folgen, auch damit jeder im Katastrophenfall die Fähigkeiten und Unterstützungsmöglichkeiten des jeweils anderen kennt. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)