Wolfgang Aldag (GRÜNE): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Bei unseren vielen Debatten, die wir hier im Hause führen, und bei vielen Entscheidungen wird oft der Satz bemüht, insbesondere auch von der Landesregierung: Wir müssen die Menschen mitnehmen. 

Das ist in dieser Woche gewaltig schiefgegangen, als die Meldung in der Zeitung aufploppte, dass in Halle-Tornau eine neue JVA gebaut werden soll. Das hat, glaube ich, nicht nur uns als Abgeordnete hier im Landtag, sondern auch die Stadtverwaltung in Halle, den Stadtrat und insbesondere die Menschen vor Ort überrascht. Es gibt im halleschen Norden einige Bürgerinitiativen, wo viele Kolleginnen von mir, Frau Godenrath, Frau Quade, unterwegs sind und mit den Menschen darüber reden, was dort passiert. 

Man muss zur Geschichte wissen, dass die Bürgerinitiativen dort sich schon vor Jahren gegen ein Gewerbegebiet ausgesprochen haben, das jetzt nicht kommt. Jetzt entsteht an der gleichen Stelle ein neues Gebiet mit einer JVA. Es ging damals um verlorene Ackerflächen, um wertvolle landwirtschaftliche Flächen, um Kaltluftentstehungsgebiete. All das war nicht gut. Es kommt hinzu, dass vor drei Wochen eine Stadtteilkonferenz der Stadt Halle in diesem Stadtteil stattgefunden hat, bei der die Stadtverwaltung erklärt hat, wie man den Stadtteil entwickeln will; das neue Vorhaben war damals natürlich noch nicht bekannt. Das kommt bei den Menschen dort sehr schlecht an. Das gießt gerade ein bisschen Öl ins Feuer in der Gesamtstimmung. Die Leute denken: Was entscheiden eigentlich die dort oben - ich sage das in Anführungszeichen  , ohne uns Bescheid zu geben?

Ich frage die Landesregierung: Wie wollen Sie in dem Stadtteil das verloren gegangene Vertrauen wiederherstellen? Und: Wenn Sie eine Informationsveranstaltung in irgendeiner Art planen, wann wird diese stattfinden, und wie wollen Sie die Menschen darüber informieren, damit sich die Menschen in diesen Stadtteilen wirklich mitgenommen fühlen?


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Es spricht nun der Herr Finanzminister.


Michael Richter (Minister der Finanzen): 

Herr Aldag, ein paar Worte vorneweg. Wir würden wahrscheinlich nirgendwo eine JVA bauen können, weil es immer Leute geben wird, die sich davon möglicherweise berührt fühlen. 

(Zurufe: Volkstedt! - Genau, in Volkstedt! Die nehmen das gern! - Weitere Zurufe)

- Ja, in Volkstedt machen wir ja schon etwas. Wir können da nicht noch mehr machen.

Aber vorneweg einmal dazu, warum jetzt überhaupt ein Neubau und nicht die weitere Ertüchtigung der JVA in Halle vorgesehen ist. Es hat sich im Zuge der B Plan-Änderung gezeigt, dass sich die Außenmaße verändert haben, dass man kleiner bauen muss, dass man dort keine Modulbauweise, die schneller und kostengünstiger wäre, machen kann und dass es viele, viele weitere Themen gibt. Wir haben uns daher entschieden, eine Fläche für eine JVA mit 400 Plätzen zu suchen und haben sie an dem Standort gefunden, den Sie gerade angesprochen haben. 

Die Stadt war übrigens informiert. Die Stadt ist auch mit einbezogen. Es ist nicht so, dass wir ohne die Stadt etwas gemacht haben.

(Zuruf: Wann?)

- Wann? - Ich weiß jetzt nicht, wann genau es war, aber es war zumindest so, dass sie an dem Prozess teilgenommen haben. 

Wir sind jetzt in der Phase zu klären, wie die JVA auszusehen hat. Das ist ja ein Spezialbau. Im Rahmen dieser Planungen werden wir natürlich auch auf die Bevölkerung zugehen, um für Verständnis zu sorgen und dann auch zu sehen, dass wir den einen oder anderen davon überzeugen können, dass das keine Gefährdung ist.

Im Übrigen: Wir hören immer wieder, dass eine JVA im Umfeld eine besondere Gefährdung darstellt - das ist nicht der Fall. Ich glaube, die wenigsten Straftaten gibt es im Umkreis einer JVA. Das muss man einmal klar sagen.

Es ist etwas Grundsätzliches, mit dem wir heute immer wieder zu tun haben: auf der einen Seite die Bevölkerung mitnehmen, auf der anderen Seite die Baumaßnahmen auch in der zeitlichen Folge umsetzen. Ehrlich: Mir fällt langsam auch nichts mehr ein. Wir werden, wenn wir so weitermachen, gar keine größeren Baumaßnahmen mehr umsetzen können. Wir sollen den einen und den anderen mitnehmen    

(Zurufe von der LINKEN und von den GRÜNEN: Es geht um Transparenz! - Es geht um Informationen! - Weitere Zurufe)

- Die Informationen? - Ich bitte zu beachten: Wir haben bisher nur das Grundstück gekauft. Damit konnten wir nicht vorher auf den Markt gehen. Wenn Sie ein Grundstück kaufen und damit vorher auf den Markt gehen, dann rutscht Ihnen der Kaufpreis und alles, was dazugehört, weg.

(Beifall bei der CDU)

Wir kommen hier langsam in eine Situation     Ich kann doch nicht schon vorher auf dem Markt dem Verkäufer erklären, was wir machen, möglicherweise auch noch, was wir an Geld eingestellt haben, damit er den Kaufpreis noch weiter hochnehmen kann. Da kommen wir an Grenzen.

(Hendrik Lange, DIE LINKE: Ach, Leute! - Olaf Meister, GRÜNE: Wollen Sie jetzt den Landtag schon informieren?) 


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Stopp! Es gibt nur eine Frage und die müssen Sie jetzt beantworten.


Michael Richter (Minister der Finanzen):

Herr Meister, Sie haben doch einen Selbstbefassungsantrag gestellt. Und am 1. November werden wir dann darüber sprechen.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke, Herr Richter.


Michael Richter (Minister der Finanzen):

Wie gesagt: Im weiteren Verfahren gehen wir dann auch auf die Bevölkerung zu. Ich kann Ihnen noch nicht genau sagen, wann das ist. Wir brauchen noch einige Planungsunterlagen, damit wir wissen, worüber wir dort mit den Anwohnern sprechen können.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke. - Frau Weidinger möchte wahrscheinlich ergänzen.


Franziska Weidinger (Ministerin für Justiz und Verbraucherschutz): 

Vielen Dank für die auch für mich sehr wichtige Frage. Ich glaube, dass wir diesen Bau zusammen schaffen, ist ein ganz wichtiges Anliegen, sicherlich nicht nur der Landesregierung, sondern auch hier im Hause. Es ist ein schon sehr lange diskutiertes Anliegen. Ich meine, mindestens vier Minister und Ministerinnen haben sich mit dem Thema beschäftigt. Aus der Sicht der Justiz und gerade aus der Sicht des Justizvollzuges ist das ein sehr wichtiges und ein sehr drängendes Thema. Das wissen Sie alle. Sie alle sind in diese Abläufe eingebunden gewesen.

Wir haben diesen Stand mit einem Alternativstandort auch im Hause prüfen können. Kurz: Vollzüglich hat sich das für uns angeboten. 

Mein Angebot ist, dass Sie und auch die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Halle und des Umfeldes die Möglichkeit bekommen, mit uns, mit unserem Haus, mit den Bediensteten, mit den Leitungen der Anstalten, das Thema zu besprechen. Die Bediensteten sind auch von uns darüber informiert worden. Sie sind froh. Sie kommen alle aus der Region. Es ist ihnen sehr wichtig, dass am Standort Halle eine moderne, gut funktionierende Vollzugsanstalt entsteht. 

Unsere Netzwerkpartner sind vor Ort; diese gehören für uns auch dazu. Wir können sie gern mit dazunehmen, damit sie erklären, was in der Region wichtig ist, und für Akzeptanz sorgen, auch was die Sicherheitsbelange und sicherlich auch die wirtschaftlichen Fragen in der Region angeht. Unsere Zulieferer und alles, was die Anstalt jeden Tag über 24 Stunden versorgt, ist auch vor Ort. Wir finden, der Standort ist sehr gelungen. Wir würden uns sehr freuen, wenn das unterstützt wird. - Danke.

(Beifall bei der CDU)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke, Frau Weidinger. Herr Aldag hat eine Nachfrage, seine erste.


Wolfgang Aldag (GRÜNE): 

Ich habe eine Nachfrage, weil ich es wirklich präzisieren will, und auch nachfolgend zu meinem Statement: Es geht mir gar nicht um das Ob, sondern es geht mir tatsächlich um das Wie, um das Verfahren, wie das gerade gelaufen ist, 

(Zurufe von der LINKEN: Ja! - Ganz genau! - Weitere Zurufe)

dass das sehr intransparent nicht nur für uns Abgeordnete, sondern auch für die Bürgerinnen und Bürger war. 

(Unruhe)

Ich möchte Sie da wirklich festnageln; denn ich kriege von den Bürgerinnen und Bürgern gerade stündlich E Mails, in denen sie mich fragen, aber ich kann ihnen nicht antworten. Das ist für mich als Abgeordneter wirklich eine blöde Situation, und für die Kolleginnen und Kollegen, die anderen halleschen Abgeordneten, sicherlich auch. Können Sie einen ungefähren Zeitraum nennen, wann Sie dort vor Ort mit den Bürgerinnen und Bürgern sprechen wollen? Dort gibt es Ansprechpartner, dort gibt es Bürgerinitiativen, die warten wirklich darauf. Ich kann denen gerade nicht weiterhelfen, weil auch ich nichts weiß.


Franziska Weidinger (Ministerin für Justiz und Verbraucherschutz): 

Die Federführung für das Bauvorhaben liegt beim Finanzminister. Wir sprechen uns ab. Ich denke, wir können dazu sicherlich etwas anbieten. Auch außerhalb der bauplanerischen Angelegenheiten stehen wir bereit. Also die Justiz haben Sie dabei auf Ihrer Seite. Wir sind sprechbereit und bieten jedem hier ein Gespräch an, weil uns das ein ganz wichtiges Anliegen ist. 

Einen Zeitplan oder ein genaues Datum kann ich Ihnen nicht nennen. Aber ich bin nicht darauf festgelegt, dass das nur im Rahmen der weiteren bauplanerischen Schritte erfolgen kann. Auch außerhalb stehe ich mit meinen Leuten und mit unseren Netzwerkpartnern jederzeit bereit, selbstverständlich. Das Anliegen, das Sie formulieren, teile ich.