Tagesordnungspunkt 4

Beratung

Ticketrevolution langfristig sichern. Finanzierung des Deutschlandtickets garantieren.

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/3189

Alternativantrag Fraktionen CDU, SPD und FDP - Drs. 8/3231


Einbringerin ist Frau Lüddemann. - Frau Lüddemann, Sie haben das Wort. 


Cornelia Lüddemann (GRÜNE): 

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Es ist noch gar nicht so lange her, da haben Abgeordnete sowohl im Bundestag als auch hier im Landtag Loblieder auf das Deutschlandticket gesungen, und das zu Recht. Denn es stellt nicht nur einen Paradigmenwechsel, sondern tatsächlich eine Revolution für den Nahverkehr dar. Es ist ein großer Schritt, dass man jetzt über Tarifverbünde hinweg durch ganz Deutschland mit ein und demselben Ticket reisen kann. 

Ich selbst habe in zurückliegenden Debatten weit ausgeholt, um die Dimension des Deutschlandtickets deutlich zu machen und an große Vereinheitlichungen, wie das Urmeter oder die Einführung der Greenwich-Zeit, erinnert. Wir alle wissen, worum es geht. Und ich hoffe, wir alle wissen auch, was auf dem Spiel steht. 

Wir alle haben sicherlich einige Menschen im Freundes- oder Familienkreis, die Teil der großen Gemeinschaft von mittlerweile 12 Millionen Menschen in Deutschland sind, die sich ein Deutschlandticket gekauft haben. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Selbst diejenigen, die mit dem Ticket nichts anfangen können, weil sie auf dem Lande leben und nicht gut an den Nahverkehr angebunden sind - an dieser Stelle müssen wir deutlich nachholen  , loben die Flexibilität und den Preis des Deutschlandtickets. 

Ja, das Deutschlandticket ist nicht für alle und alles die optimale Lösung. Das Deutschlandticket wird nicht alle Probleme im Nahverkehr lösen, aber es ist eine große Hoffnung und es ist eine spürbare Erleichterung, nicht zuletzt finanziell, für 12 Millionen Menschen in Deutschland. 

Auch international hat das Ticket Karriere gemacht. Das Nachbarland Frankreich etwa, so lässt sich vernehmen, will die Idee des Deutschlandtickets kopieren. So äußern sich sowohl Emmanuel Macron als auch Frankreichs Verkehrsminister Clément Beaune. Die deutsche Ticketrevolution wird also ein Exportschlager. 

Auch hierzulande haben wohl wenige Projekte der Ampelregierung so viel positiven Widerhall und so viele positive Reaktionen in der Bevölkerung ausgelöst. 

(Guido Kosmehl, FDP: Wer hat es gemacht?)

- Das haben wir gemeinsam gemacht.

(Guido Kosmehl, FDP: Nein, nein, nein!)

Darauf können wir sehr stolz sein, Herr Kollege Kosmehl. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Sie werden mir recht geben: Nur wenige Vorhaben der Ampelregierung wirken so unmittelbar in das Leben von Menschen in Deutschland. Nicht zuletzt profitieren die Pendlerinnen und Pendler, die massiv Geld sparen, positiv von diesem Ticket. Es macht Bahn und Bus fahren leicht wie nie. Der Satz „Ich verstehe nur Bahnhof.“ trifft zumindest im Nahverkehr nicht mehr zu. Das ist der Status quo. 

Von diesem Status quo würde ich gern nach vorn agieren. Statt aber jetzt neue Ziele anzuvisieren, wie den Infrastrukturausbau offensiv anzugehen, steht das Deutschlandticket gerade einmal knapp fünf Monate nach dessen Einführung auf der Kippe. 

Ich weiß, Frau Ministerin Hüskens, gerade in der letzten Woche haben Sie sich sehr deutlich positiv zum Ticket bekannt. Das ist schön und das ist gut, aber wer länger im politischen Geschäft ist, der weiß, dass Zahlen und Beschlüsse zählen. Und genau die haben wir nicht. Obwohl sich in der Sonderverkehrsministerkonferenz alle Verkehrsminister der Länder mehr oder weniger intensiv darum bemüht haben, konnte keine Einigung mit dem Bund erzielt werden. Stattdessen haben wir einen Verkehrsminister Wissing, der völlig fahrlässig eine öffentliche und mediale Debatte zulässt, die die Zukunft des Tickets infrage stellt. 

(Guido Kosmehl, FDP: Das stimmt nicht!)

Das ist ein politischer Flurschaden sondergleichen. Verlässliche Politik - das brauchen die Menschen in diesem Land gerade jetzt - muss aus staatlichen Institutionen heraus Gewissheit und Verlässlichkeit garantieren. Man hätte jedem Zweifel am Fortbestand des Deutschlandtickets sofort begegnen müssen. Man hätte unumwunden klarstellen müssen: Das Deutschlandticket bleibt - nicht dauerhaft zum heutigen Preis, das will ich auch sehr deutlich sagen. Sie werden von mir nie die Formulierung „49-€-Ticket“ hören. Wir haben uns aus guten Gründen auf den Begriff „Deutschlandticket“ verständigt.- 

Aber die Grundstruktur des Deutschlandtickets, die so wichtig ist, muss erhalten bleiben. 

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn Herr Wissing eine solch klare Haltung geradezu kleinkrämerisch verweigert 

(Andreas Silbersack, FDP: Das ist eine Unverschämtheit!)

und auf den vermeintlich nötigen weiteren Abbau von Verbundstrukturen abstellt, dann ist das nicht hilfreich. 

Ja, bei den Verbundstrukturen lauern Effizienzreserven. Das ist richtig. An dieser Stelle kann man sicherlich administrativ und organisatorisch einiges tun. Einsparungen sind möglich. Aber genau das ist jetzt gerade eben nicht der Punkt. Man darf das nicht vermischen. Man darf diese Effizienzhebung nicht zur Bedingung für den Fortbestand des Deutschlandtickets machen. 

Die Verunsicherung in Sachen Deutschlandticket war und ist hoch. Nicht umsonst haben binnen sehr, sehr kurzer Zeit aktuell 400 000 Menschen eine entsprechende Petition auf der Plattform „Campact“ unterschrieben. Auf dem Treffen der deutschen Fahrgastverbände - 24 an der Zahl - am letzten Wochenende in Halle gab es massive Unterstützung für die Resolution zum Erhalt des Deutschlandtickets. 

Die Länder haben frühzeitig und sehr klar Position bezogen. Das finde ich gut und richtig. Dies ist etwas anders als beim Semesterticket. Ich finde die Lösung auch fair. So wie der Grundbetrag hälftig von Bund und Ländern gezahlt wird, ist jetzt die Idee der Länder, den Fehlbetrag - denn wir brauchen im nächsten Jahr mehr Geld; Sie wissen, dass das Deutschlandticket nicht das gesamte Jahr 2023 galt, aber das ganze nächste Jahr gelten soll, weshalb ein Fehlbetrag auszufinanzieren ist - ebenso hälftig zu bezahlen. 

Aus meiner Sicht ist das ein gerechter Weg; denn ein Scheitern ist keine Option. Oder um es mit den Worten unseres Verkehrsausschussvorsitzenden zu sagen: Wir sind alle gemeinsam zum Erfolg verdammt.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Dr. Falko Grube, SPD)

Niemand kann ernsthaft wollen oder zulassen, dass wir zur Kleinstaaterei der Tausende Tickets zurückkehren. Wer möchte, dass Menschen dauerhaft auf den Nahverkehr setzen, wer möchte, dass dies eine echte Alternative zum privaten Pkw wird oder dass es vielleicht mindestens dazu führt, dass man den Zweit- oder Drittwagen abschafft, der muss klar und verlässlich zum Deutschlandticket stehen. Diese Baustelle zu schließen und zu sagen, das Deutschlandticket bleibt, wäre eine klare Ansage, um sich dann den anderen Baustellen, die wir ohne Zweifel gerade im ländlichen Raum im Nahverkehr haben, sachgerecht widmen zu können. 

Daher ist es mir sehr, sehr wichtig, dass wir heute als Landtag eine klare Botschaft senden: Wir wollen das Deutschlandticket. Wir wollen einen verlässlichen ÖPNV, und zwar ohne Wenn und Aber. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich glaube, es ist wichtig, dass auch wir als Haushaltsgesetzgeber und Legislative den politischen Willen zur Sicherung des Deutschlandtickets heute sehr klar nach außen tragen. 

Frau Verkehrsministerin Hüskens, bitte verstehen Sie das als Unterstützung für die weitere Arbeit. 

(Andreas Silbersack, FDP, lacht)

Nehmen Sie Ihren Parteifreund Wissing in die Pflicht. Nehmen Sie ihn in die Pflicht; denn das Deutschlandticket darf nicht scheitern, und zwar jetzt nicht und auch künftig nicht, damit wir uns den anderen Baustellen im Nahverkehr widmen können. - Vielen Dank. 

(Beifall bei den GRÜNEN)


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Wie bereits bemerkt, hat Herr Kosmehl eine Intervention angemeldet. Er hat jetzt die Chance zu reden. 


Guido Kosmehl (FDP): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Kollegin Lüddemann, ich finde es immer wieder erstaunlich, wie Sie versuchen, einerseits zu sagen, dass es ein Erfolg der Ampel sei, andererseits persönlich einen Minister, der das Deutschlandticket federführend betreut hat und auf dessen Initiative hin das Deutschlandticket entstanden ist, jetzt in die Pfanne zu hauen und ihm etwas zu unterstellen, das er nicht gesagt hat. 

Ich bitte darum, in der Debatte - das ist, wenn es um Geld geht, immer schwierig - sachlich und fair zu bleiben. 

Was hat Minister Wissing gesagt? - Herr Minister Wissing hat gesagt, dass es über die zugesagten 1,5 Milliarden € hinaus keine weiteren automatischen Erhöhungen des Bundes geben kann. Darauf haben sich Bund und Länder bei der Einführung des Deutschlandtickets geeinigt, und zwar auf genau diese Summe als Unterstützung für die Einführung des Deutschlandtickets. Deshalb ist klar, dass wir jetzt bei der Weiterentwicklung - Herr Minister Wissing will das Deutschlandticket behalten - schauen müssen, wie wir zu einem fairen Ausgleich der Belastung kommen. 

Pauschal zu sagen, der Bund solle mehr zahlen, damit sich die Länder ihrerseits bspw. auf den Ausbau konzentrieren könnten, ist zu einseitig. Deshalb würde ich Sie herzlich bitten, noch einmal nachzuschauen, was Minister Wissing in den letzten Wochen und Monaten immer wieder betont hat, und das dann darzustellen. Versuchen Sie nicht, ihm in die Schuhe zu schieben, dass das Deutschlandticket gefährdet ist. 

Ich finde - das ist leider typisch für die GRÜNEN  , dass Sie immer mit Angst- und Schreckensszenarien arbeiten. 

(Beifall bei der AfD - Ulrich Siegmund, AfD: Jawohl!)

Die Finanzierung des Deutschlandtickets war bei der Beschlussfassung für das Jahr 2023 und für das Jahr 2024 gesichert. Das ist der Zeitraum, über den wir reden, über den die finanziellen Mittel    


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Herr Kosmehl, der Zeitpunkt, über den ich jetzt rede, ist das Ende Ihrer Redezeit. 


Guido Kosmehl (FDP): 

Jawohl. Vielen Dank. 


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Ich glaube, Frau Lüddemann hat es verstanden und kann nun darauf reagieren. - Bitte. 


Cornelia Lüddemann (GRÜNE): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege Kosmehl, ich kann mich nicht erinnern, dass ich dem Bundesminister Wissing in meiner Rede irgendwelche Worte in den Mund gelegt habe. Was ich vermisse, ist ein klares Statement, ja, ich will das Deutschlandticket, ja, ich verhandele mit den Ländern über die Zukunft des Deutschlandtickets, und eine klare Positionierung zum Vorschlag der Länder, den vom VDV ermittelten Fehlbetrag - das ist, glaube ich, der seriöseste; diese Zahl ist von der NASA in dieser Woche bestätigt worden   in Höhe von 1,1 Milliarden €, der im Raum steht, ebenfalls, so wie es die Grundstruktur der Finanzierung des Deutschlandtickets vorsieht, hälftig von Bund und Ländern zu finanzieren. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich finde, das ist ein fairer Vorschlag. Ich finde, dazu muss sich der Bundesminister einfach sehr deutlich bekennen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)

Ich weiß nicht, wo Panikmache stattfindet. Ich bin in meiner Fraktion seit einigen Jahren für Mobilität zuständig. Ich weiß, wie schwierig es für die Nahverkehrsverbände ist, wie schwierig es für die Tarifverbünde ist, Mitte Oktober die Tarifstrukturen für das nächste Jahr zu planen, wenn nicht klar ist, ob das Deutschlandticket gehalten werden kann und zu welchem Preis. 

Deshalb hoffe ich sehr, dass wir wenigstens auf der Ministerpräsidentenkonferenz am 6. November eine klare Aussage für das Jahr 2024 bekommen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)