Andreas Henke (DIE LINKE):
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Katastrophen begleiten die Menschheit schon von Anfang an. Geologische, hydrologische Ereignisse bis hin zu großen Havarien an kritischen Infrastrukturen, ebenso bewaffnete Konflikte und Terrorismus zählen zur höheren Gewalt.
Aber anders als die Menschen noch vor Jahrhunderten oder Jahrzehnten sind wir heute wesentlich besser aufgestellt in der Verhinderung, Eindämmung und Bewältigung von Großschadensgefahren und Katastrophen.
Gemäß Artikel 70 Abs. 1 des Grundgesetzes ist der Katastrophenschutz Ländersache. Demzufolge haben wir natürlich auch ein entsprechendes Gesetz im Land Sachsen-Anhalt, das in seinen Regelungen Aussagen trifft zur Feststellung des Katastrophenfalls, das notwendige organisatorische Strukturen, Zuständigkeiten und Befugnisse für die Behörden definiert.
Dabei wird, dem Subsidiaritätsprinzip Rechnung tragend, den ereignisnahen Gebietskörperschaften, also in der Regel den kreisfreien Städten und den Landkreisen, in der Aufgabenwahrnehmung eine besondere Eigenverantwortung zugeschrieben. Für die Aufgabe im übertragenen Wirkungskreis obliegt ihnen die sachliche Zuständigkeit, die in den entsprechenden Abschnitten beschrieben ist. Demnach haben die Aufgabenträger den Katastrophenschutz grundsätzlich mit eigener Organisation, eigenem Personal und eigenen Sachmitteln sicherzustellen.
Die Bewältigung komplexer Schadensereignisse fordert die verantwortlichen Behörden in der Tat immens, insbesondere wegen der zeitlich engen Dimension des Auftretens eines Großschadensereignisses oder Katastrophenfalls, da sie in der Regel keine Vorlaufzeiten haben, sich nicht ankündigen. Daraus entsteht im Katastrophenfall nicht selten auch ein Spannungsverhältnis zwischen der Überlastung und Überforderung eigener Einrichtungen zur Bekämpfung des Ereignisses auf der einen Seite und der Notwendigkeit, schnelle, rasche Entscheidungen in der Organverantwortung und auch in der personellen Verantwortung wahrzunehmen, auf der anderen Seite. Insofern kommt der gesamtgesellschaftlichen Aufgabenerfüllung - wie auch von der Frau Ministerin gesagt - und der Zusammenarbeit von unteren und oberen Katastrophenschutzbehörden eine große Bedeutung zu.
Dabei - das wissen wir allerdings aus der Praxis - geht es im Fall eines Ereignisses zwar vorrangig um die Kompetenz der Feststellung und Ausrufung eines Katastrophenfalls sowie des Einsatzes von Kräften und Mitteln zur Gefahrenabwehr, aber hinterher oftmals auch um die Frage, wer für die Übernahme der sehr hohen Kosten verantwortlich zeichnet.
Das System des Katastrophenschutzes stößt dann an seine Grenzen, wenn insbesondere bei Großlagen Zuständigkeiten nicht klar umrissen sind, wenn personelle, sachliche oder finanzielle Ressourcen nicht ausreichend gesichert sind und wenn zudem die Kommunikation nicht umfänglich funktioniert. All das verhindert eben die notwendigen schnellen Entscheidungen und eine wirksame Koordination von Kräften und Mitteln im Einsatz.
Zudem werden Schwachstellen umso deutlicher, wenn Großereignisse eine länderübergreifende Zusammenarbeit und eigentlich einen harmonischen Dreiklang zwischen Bund, Ländern und Landkreisen erfordern oder wenn gleich mehrere Landkreise und Bundesländer betroffen sind, wie bspw. in meiner Heimatregion, im Harz, mit seinem besonderen Risikopotenzial im Hinblick auf große Waldbrände. Dort sind fünf Landkreise aus drei Bundesländern gleichzeitig Anrainer.
Erfahrungen aus bisherigen verschiedenartigen Großschadensereignissen zu erkennbaren Defiziten im operativ-taktischen Katastrophenschutz, Fragen der Zuständigkeit, der Zusammenarbeit, der Kommunikation oder Fragen dahin gehend, ob vorhandene Kräfte und Mittel zur Beherrschung einer Lage ausreichend sind, ob Risiko- und Gefahrenanalysen aktuell alle denkbaren Gefahrenpotenziale und szenarien abbilden, also bis hin zur Bedrohung der kritischen Infrastruktur, ob es dafür adäquate Bedarfsanalysen, adäquate Bedarfsplanungen gibt, die in der Vorsorge zur Gefahrenabwehr letztlich auch ihre Umsetzung finden, ob es mit Blick auf Selbstschutz und Resilienz der Bevölkerung ausreichende Katastrophenprävention und Bildungsangebote gibt - all dem muss aus der Sicht meiner Fraktion ein modernes, zeitgemäßes Katastrophenschutzgesetz Rechnung tragen.
Ganz besonders müssen die überwiegend ehrenamtlichen Einsatzkräfte von Feuerwehren, THW und anerkannten Hilfeorganisationen darin eine angemessene und wertschätzende Berücksichtigung finden.
(Beifall bei der LINKEN)
Das gilt im Besonderen auch für alle anderen zum Einsatz gelangenden Helferinnen und Helfer, bspw. aus der Bergwacht, aus der Wasserwacht, aus der Notfallseelsorge, von Kriseninterventionsteams und anderen. Klare Regelungen zur Helfergleichstellung, von der Freistellung bis hin zur sozialen Absicherung, bspw. bei einer Verunfallung im Einsatzfall, sind längst überfällig.
(Beifall bei der LINKEN)
Zum klaren Schutzauftrag des Staates gehört auch ein klares Bekenntnis dazu, allen zum Einsatz kommenden Helferinnen und Helfern eine Gleichbehandlung zukommen zu lassen. Auch die anerkannten Hilfeorganisationen - Herr Erben hat bereits darauf hingewiesen - haben bei dem parlamentarischen Abend im Frühjahr dieses Jahres neben anderen Forderungen zur Verbesserung und zur Modernisierung des Katastrophenschutzes eindringlich darauf hingewiesen. Diese Lücke gilt es also künftig zu schließen.
Ich denke, mit der heutigen Debatte hat die SPD-Fraktion zweifellos einen wichtigen Impuls gesetzt. Nun kommt es aber darauf an, dass diesem Anstoß zur Diskussion auch eine weitergehende parlamentarische Initiative mit einer Gesetzesnovelle folgt, in deren Beratung dann mittels Anhörung bspw. auch alle Partner und alle Hilfeorganisationen des Katastrophenschutzes eingebunden werden.
Gestatten Sie mir an dieser Stelle schon einige Sätze zum Brandschutz, auch wenn es dazu später noch einen gesonderten Tagesordnungspunkt gibt - ich würde dann an der betreffenden Stelle auf den Beitrag verzichten ; denn ich denke, Brandschutz und Katastrophenschutz gehören hierbei eng zusammen.
Zu den unverzichtbaren Stützen im Katastrophenschutz gehören selbstredend auch die Feuerwehren im Land. Neben den Berufsfeuerwehren und den hauptberuflichen Wachbereitschaften sind es die vielen ehrenamtlichen Kameradinnen und Kameraden der freiwilligen Feuerwehren in den Gemeinden. Sie sorgen im Land verantwortungsbewusst und mit ihrem hohen Engagement im Ehrenamt zu großen Teilen für die Gewährleistung der öffentlichen Aufgabe des Brandschutzes, der Rettung und der technischen Hilfeleistung.
Zur umfänglichen Sicherstellung dieser Aufgabe gehören eine ausreichende Anzahl motivierter und gut ausgebildeter Einsatzkräfte, auch zur Abdeckung der Sollstärken in der freiwilligen Feuerwehr, sowie eine ebenso auskömmliche finanzielle Basis der Gemeinden, um auf gesicherter Grundlage von Risikoanalysen, Brandschutzkonzepten und Bedarfsplänen kontinuierlich in Fahrzeuge, Technik, Ausstattung, Gerätehäuser, Löschwasservorhaltung und Ausbildung zu investieren. Dabei kommt nicht nur der gemeindlichen Ebene nach dem Brandschutz- und Hilfeleistungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt eine große Verantwortung zu, sondern auch dem Land selbst, ganz besonders mit Blick auf die Vorbereitung von Einsatzkräften für Führungs- und Funktionsaufgaben am Institut für Brand- und Katastrophenschutz in Heyrothsberge.
Es gab in der Vergangenheit vermehrt Kritik aus den Wehren am Verfahren des Institutes, da Lehrgänge und Lehrgangspläne nicht in ausreichendem Maße und zeitnah angeboten werden konnten oder mangels personeller Absicherung kurzfristig abgesagt werden mussten. So gibt es leider noch heute Funktionsträger in den Wehren, Wehrleiter, die nicht einmal die Ausbildung zum Gruppenführer, geschweige denn zum Leiter einer Feuerwehr haben - und das sind nur zwei von insgesamt 20 Funktionen im Ehrenamt der Feuerwehr.
Positiv zu bewerten ist das von der Ministerin Anfang dieses Jahres vorgestellte Konzept zur Stärkung und Weiterentwicklung des Institutes mit kurz- und mittelfristigen Maßnahmen, mit Investitionsvorhaben, mit personeller Absicherung. Wir erwarten natürlich auch dessen konsequente und verlässliche Umsetzung sowie eine entsprechende Berichterstattung im Fachausschuss, wie in unserem Alternativantrag zu dem später zu behandelnden Antrag der AfD-Fraktion formuliert.
Abschließend noch ein Wort zu Punkt 2 unseres Alternativantrags. Die Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur Förderung und Beschaffung von Feuerwehrfahrzeugen und Gerätehäusern im Juni dieses Jahres hat etwas Erschreckendes offenbart: Von 2019 bis 2022 wurden sage und schreibe 206 Förderanträge von Gemeinden wegen nicht ausreichender Haushaltsmittel abgelehnt. Für die Jahre 2025 und 2026 wurden die Kommunen Mitte August dieses Jahres per Erlass darüber informiert, dass Anträge auf Förderung unter Beteiligung der Kommunalaufsichten und der Ämter für Brandschutz auf kreislicher Ebene bis zum 1. September einzureichen sind. Werte Kolleginnen und Kollegen! Zwei Wochen Zeit für einen Förderantrag - sonst sind es üblicherweise mindestens drei Monate.
An dieser Stelle, werte Kolleginnen und Kollegen, bleibt mir nur noch zu sagen: Wenn wir Brandschutz ernst nehmen - und ich denke, das tun wir und das müssen wir , dann muss sich an dieser Stelle in der gelebten Förderpraxis etwas ändern. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der LINKEN)